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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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nicht so schlechterdings einzuschränken.
und andre Arten von gelernten Erschleichungen zur größ-
ten Last des Staats erschaffen sind; -- sehr oft auch
eine minder scharfe Wahl und Prüfung eben dieser jun-
gen Leute, die man zuerst auf künftigen Zuwachs an Ge-
schicklichkeit, mit wenigerer Vorsicht annimmt, und doch
nachwärts Ehrenhalber nicht verstossen kann; -- eine
gefährliche Erhöhung des äusserlichen Gepräges der Men-
schen in Verhältniß ihres innern Werths, und ein daher
entstandener schädlicher Hunger nach Bedienungen --
überall aber und hauptsächlich eine unüberwindliche Ab-
neigung der vornehmsten und besten Genies sich dem Ad-
vocatenstand zu widmen, und demselben durch ihren Bey-
tritt den nöthigen Grad von Ehre zu verschaffen.

Nun stellen sie sich aber die Advocaten als eine Pflanz-
schule des Staats vor, worinn er diejenigen, die er der-
einst zu den wichtigsten Geschäften nöthig hat, bilden will.

Was für ein mächtiger Trieb muß hier die Männer
beseelen, welche den Advocatenstand wählen müssen, um
sich den Weg zu den größten Ehrenstellen zu öfnen? Je-
der Bewegungsgrund, der einen Mann zu grossen Hand-
lungen reitzen kann, kommt hier dem Stande wie dem
Staate zu statten. Der Sohn des Präsidenten wird
sich hier wie ehedem der Sohn eines Consuls zu Rom,
eben so gut üben müssen als ein andrer, und jeder wird
sich in dem hohen Lichte zu erhalten suchen, worinn er
von dem Fürsten, von den Edlen des Landes und von
den Patrioten bemerkt werden kann. Die geringste Un-
redlichkeit wird ihm in diesem Lichte schaden, und Unge-
schicklichkeit und Trägheit den öffentlichen Vorwurf eines
Stümpers zuziehen. Er steht unter dem allgemeinen
Urtheil, und das Gepräge was er trägt, ist nicht das
Werk eines Heckemünzmeisters, sondern des redlichen ge-

mei-

nicht ſo ſchlechterdings einzuſchraͤnken.
und andre Arten von gelernten Erſchleichungen zur groͤß-
ten Laſt des Staats erſchaffen ſind; — ſehr oft auch
eine minder ſcharfe Wahl und Pruͤfung eben dieſer jun-
gen Leute, die man zuerſt auf kuͤnftigen Zuwachs an Ge-
ſchicklichkeit, mit wenigerer Vorſicht annimmt, und doch
nachwaͤrts Ehrenhalber nicht verſtoſſen kann; — eine
gefaͤhrliche Erhoͤhung des aͤuſſerlichen Gepraͤges der Men-
ſchen in Verhaͤltniß ihres innern Werths, und ein daher
entſtandener ſchaͤdlicher Hunger nach Bedienungen —
uͤberall aber und hauptſaͤchlich eine unuͤberwindliche Ab-
neigung der vornehmſten und beſten Genies ſich dem Ad-
vocatenſtand zu widmen, und demſelben durch ihren Bey-
tritt den noͤthigen Grad von Ehre zu verſchaffen.

Nun ſtellen ſie ſich aber die Advocaten als eine Pflanz-
ſchule des Staats vor, worinn er diejenigen, die er der-
einſt zu den wichtigſten Geſchaͤften noͤthig hat, bilden will.

Was fuͤr ein maͤchtiger Trieb muß hier die Maͤnner
beſeelen, welche den Advocatenſtand waͤhlen muͤſſen, um
ſich den Weg zu den groͤßten Ehrenſtellen zu oͤfnen? Je-
der Bewegungsgrund, der einen Mann zu groſſen Hand-
lungen reitzen kann, kommt hier dem Stande wie dem
Staate zu ſtatten. Der Sohn des Praͤſidenten wird
ſich hier wie ehedem der Sohn eines Conſuls zu Rom,
eben ſo gut uͤben muͤſſen als ein andrer, und jeder wird
ſich in dem hohen Lichte zu erhalten ſuchen, worinn er
von dem Fuͤrſten, von den Edlen des Landes und von
den Patrioten bemerkt werden kann. Die geringſte Un-
redlichkeit wird ihm in dieſem Lichte ſchaden, und Unge-
ſchicklichkeit und Traͤgheit den oͤffentlichen Vorwurf eines
Stuͤmpers zuziehen. Er ſteht unter dem allgemeinen
Urtheil, und das Gepraͤge was er traͤgt, iſt nicht das
Werk eines Heckemuͤnzmeiſters, ſondern des redlichen ge-

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[203/0217] nicht ſo ſchlechterdings einzuſchraͤnken. und andre Arten von gelernten Erſchleichungen zur groͤß- ten Laſt des Staats erſchaffen ſind; — ſehr oft auch eine minder ſcharfe Wahl und Pruͤfung eben dieſer jun- gen Leute, die man zuerſt auf kuͤnftigen Zuwachs an Ge- ſchicklichkeit, mit wenigerer Vorſicht annimmt, und doch nachwaͤrts Ehrenhalber nicht verſtoſſen kann; — eine gefaͤhrliche Erhoͤhung des aͤuſſerlichen Gepraͤges der Men- ſchen in Verhaͤltniß ihres innern Werths, und ein daher entſtandener ſchaͤdlicher Hunger nach Bedienungen — uͤberall aber und hauptſaͤchlich eine unuͤberwindliche Ab- neigung der vornehmſten und beſten Genies ſich dem Ad- vocatenſtand zu widmen, und demſelben durch ihren Bey- tritt den noͤthigen Grad von Ehre zu verſchaffen. Nun ſtellen ſie ſich aber die Advocaten als eine Pflanz- ſchule des Staats vor, worinn er diejenigen, die er der- einſt zu den wichtigſten Geſchaͤften noͤthig hat, bilden will. Was fuͤr ein maͤchtiger Trieb muß hier die Maͤnner beſeelen, welche den Advocatenſtand waͤhlen muͤſſen, um ſich den Weg zu den groͤßten Ehrenſtellen zu oͤfnen? Je- der Bewegungsgrund, der einen Mann zu groſſen Hand- lungen reitzen kann, kommt hier dem Stande wie dem Staate zu ſtatten. Der Sohn des Praͤſidenten wird ſich hier wie ehedem der Sohn eines Conſuls zu Rom, eben ſo gut uͤben muͤſſen als ein andrer, und jeder wird ſich in dem hohen Lichte zu erhalten ſuchen, worinn er von dem Fuͤrſten, von den Edlen des Landes und von den Patrioten bemerkt werden kann. Die geringſte Un- redlichkeit wird ihm in dieſem Lichte ſchaden, und Unge- ſchicklichkeit und Traͤgheit den oͤffentlichen Vorwurf eines Stuͤmpers zuziehen. Er ſteht unter dem allgemeinen Urtheil, und das Gepraͤge was er traͤgt, iſt nicht das Werk eines Heckemuͤnzmeiſters, ſondern des redlichen ge- mei-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/217>, abgerufen am 26.11.2024.