Woher kommt aber eigentlich dieses Verderben? Von dem Ton unserer Zeiten, nach welchem der Lehrer sich ent- weder einen groben Pedanten schelten, oder mit dem Kinde säuberlich verfahren muß. Da ist kein grosser Herr, keine zärtliche Mutter, welche nicht diesen Ton führet, und der Lehrer, der endlich auch die Kunst zu schmeicheln lernt, führt seinen Untergebenen spielend zu der Geschicklichkeit von allen Dingen witzig zu sprechen, und kein einziges aus dem Grunde zu verstehen; er läßt ihn auf einem gewächsten Bo- deu tanzen, und bekümmert sich nicht darum, ob er der- einst auf einem tiefen Steinpflaster den Hals brechen werde!
XXXIII. Sollte nicht auch ein Institut für die Handwerkspurschen nöthig seyn.
Ach mein theurester Herr! ich hätte wohl eine recht grosse Bitte an Sie, oder an das Hochgeehrteste Publicum; ich habe nur einen einzigen Sohn, und diesen habe ich vor 14 Tagen einem Schneidermeister übergeben, damit er das Handwerk erlerne. Nun ist der Junge ein bisgen lang aufgeschossen, und es fällt ihm so entsetzlich schwer, mit untergeschlagenen Beinen auf dem Tische zu sitzen; sein noch ungebeugter Nacken schmerzt ihn so abscheulich von dem beständigen Bücken, daß ich besorge, er verlieret seine ganze Gesundheit in den Lehrjahren, oder er bekömmt doch, wenn er solche überwindet, einen siechen Körper. Sollte denn nicht ein Mittel seyn, die Erziehung der Schneider so ein- zurichten, daß sie ihre Wissenschaft ohne Nachtheil des Kör- pers erlangen könnten? und sollte sich nicht die ganze mensch- liche Gesellschaft zu einer Erziehungsanstalt für die Hand- werker vereinigen, wodurch diesem Uebel abgeholfen würde?
Ich
Waͤre nicht auch ein Inſtitut
Woher kommt aber eigentlich dieſes Verderben? Von dem Ton unſerer Zeiten, nach welchem der Lehrer ſich ent- weder einen groben Pedanten ſchelten, oder mit dem Kinde ſaͤuberlich verfahren muß. Da iſt kein groſſer Herr, keine zaͤrtliche Mutter, welche nicht dieſen Ton fuͤhret, und der Lehrer, der endlich auch die Kunſt zu ſchmeicheln lernt, fuͤhrt ſeinen Untergebenen ſpielend zu der Geſchicklichkeit von allen Dingen witzig zu ſprechen, und kein einziges aus dem Grunde zu verſtehen; er laͤßt ihn auf einem gewaͤchſten Bo- deu tanzen, und bekuͤmmert ſich nicht darum, ob er der- einſt auf einem tiefen Steinpflaſter den Hals brechen werde!
XXXIII. Sollte nicht auch ein Inſtitut fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig ſeyn.
Ach mein theureſter Herr! ich haͤtte wohl eine recht groſſe Bitte an Sie, oder an das Hochgeehrteſte Publicum; ich habe nur einen einzigen Sohn, und dieſen habe ich vor 14 Tagen einem Schneidermeiſter uͤbergeben, damit er das Handwerk erlerne. Nun iſt der Junge ein bisgen lang aufgeſchoſſen, und es faͤllt ihm ſo entſetzlich ſchwer, mit untergeſchlagenen Beinen auf dem Tiſche zu ſitzen; ſein noch ungebeugter Nacken ſchmerzt ihn ſo abſcheulich von dem beſtaͤndigen Buͤcken, daß ich beſorge, er verlieret ſeine ganze Geſundheit in den Lehrjahren, oder er bekoͤmmt doch, wenn er ſolche uͤberwindet, einen ſiechen Koͤrper. Sollte denn nicht ein Mittel ſeyn, die Erziehung der Schneider ſo ein- zurichten, daß ſie ihre Wiſſenſchaft ohne Nachtheil des Koͤr- pers erlangen koͤnnten? und ſollte ſich nicht die ganze menſch- liche Geſellſchaft zu einer Erziehungsanſtalt fuͤr die Hand- werker vereinigen, wodurch dieſem Uebel abgeholfen wuͤrde?
Ich
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Waͤre nicht auch ein Inſtitut
Woher kommt aber eigentlich dieſes Verderben? Von
dem Ton unſerer Zeiten, nach welchem der Lehrer ſich ent-
weder einen groben Pedanten ſchelten, oder mit dem Kinde
ſaͤuberlich verfahren muß. Da iſt kein groſſer Herr, keine
zaͤrtliche Mutter, welche nicht dieſen Ton fuͤhret, und der
Lehrer, der endlich auch die Kunſt zu ſchmeicheln lernt,
fuͤhrt ſeinen Untergebenen ſpielend zu der Geſchicklichkeit von
allen Dingen witzig zu ſprechen, und kein einziges aus dem
Grunde zu verſtehen; er laͤßt ihn auf einem gewaͤchſten Bo-
deu tanzen, und bekuͤmmert ſich nicht darum, ob er der-
einſt auf einem tiefen Steinpflaſter den Hals brechen werde!
XXXIII.
Sollte nicht auch ein Inſtitut fuͤr die
Handwerkspurſchen noͤthig ſeyn.
Ach mein theureſter Herr! ich haͤtte wohl eine recht groſſe
Bitte an Sie, oder an das Hochgeehrteſte Publicum;
ich habe nur einen einzigen Sohn, und dieſen habe ich vor
14 Tagen einem Schneidermeiſter uͤbergeben, damit er das
Handwerk erlerne. Nun iſt der Junge ein bisgen lang
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untergeſchlagenen Beinen auf dem Tiſche zu ſitzen; ſein noch
ungebeugter Nacken ſchmerzt ihn ſo abſcheulich von dem
beſtaͤndigen Buͤcken, daß ich beſorge, er verlieret ſeine ganze
Geſundheit in den Lehrjahren, oder er bekoͤmmt doch, wenn
er ſolche uͤberwindet, einen ſiechen Koͤrper. Sollte denn
nicht ein Mittel ſeyn, die Erziehung der Schneider ſo ein-
zurichten, daß ſie ihre Wiſſenſchaft ohne Nachtheil des Koͤr-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/150>, abgerufen am 18.12.2024.
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