Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.ein Handwerk lernen. einem grossen Manne erfordert würde: und daß derselbe,wenn er stark und lebhaft würde, den glücklichen Namen des Enthusiasmus verdiente; er sagte ferner, daß von hun- dert Menschen immer einer ein Märtyrer seiner Kunst werden müste, um die übrigen so vielmehr aufzuklären, und daß die Italiäner eben so gut Pedanten in der Mu- sik und Mahlerey hätten, wie wir Deutschen in andern Wissenschaften, nur wären wir nach dem Unterscheide un- serer Gegenstände traurige und ernsthafte, die Italiäner aber lustige Pedanten. Allein wenn ich ihm gleich hierin nicht völlig Unrecht Ich hörte einmal, daß eine Braut ihren Geliebten ei- aus, J 2
ein Handwerk lernen. einem groſſen Manne erfordert wuͤrde: und daß derſelbe,wenn er ſtark und lebhaft wuͤrde, den gluͤcklichen Namen des Enthuſiasmus verdiente; er ſagte ferner, daß von hun- dert Menſchen immer einer ein Maͤrtyrer ſeiner Kunſt werden muͤſte, um die uͤbrigen ſo vielmehr aufzuklaͤren, und daß die Italiaͤner eben ſo gut Pedanten in der Mu- ſik und Mahlerey haͤtten, wie wir Deutſchen in andern Wiſſenſchaften, nur waͤren wir nach dem Unterſcheide un- ſerer Gegenſtaͤnde traurige und ernſthafte, die Italiaͤner aber luſtige Pedanten. Allein wenn ich ihm gleich hierin nicht voͤllig Unrecht Ich hoͤrte einmal, daß eine Braut ihren Geliebten ei- aus, J 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0145" n="131"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">ein Handwerk lernen.</hi></fw><lb/> einem groſſen Manne erfordert wuͤrde: und daß derſelbe,<lb/> wenn er ſtark und lebhaft wuͤrde, den gluͤcklichen Namen<lb/> des Enthuſiasmus verdiente; er ſagte ferner, daß von hun-<lb/> dert Menſchen immer einer ein Maͤrtyrer ſeiner Kunſt<lb/> werden muͤſte, um die uͤbrigen ſo vielmehr aufzuklaͤren,<lb/> und daß die Italiaͤner eben ſo gut Pedanten in der Mu-<lb/> ſik und Mahlerey haͤtten, wie wir Deutſchen in andern<lb/> Wiſſenſchaften, nur waͤren wir nach dem Unterſcheide un-<lb/> ſerer Gegenſtaͤnde traurige und ernſthafte, die Italiaͤner<lb/> aber luſtige Pedanten.</p><lb/> <p>Allein wenn ich ihm gleich hierin nicht voͤllig Unrecht<lb/> geben konnte: ſo ſchien mir doch immer die Kunſt, nichts<lb/> zu thun, und die Seele dann und wann von ihrem ſtarken<lb/> Hange auf die entgegen geſetzte Seite zu wenden, eine be-<lb/> neidenswerthe Kunſt. Ruhe und Schlaf thun zwar zu die-<lb/> ſer Abſicht etwas; aber ſie reichen nicht hin, und der Schlum-<lb/> mer eines Gelehrten iſt ſo erquickend nicht, wie der Schlaf<lb/> eines Tageloͤhners. Ruht er mit dem Koͤrper ohne zu<lb/> ſchlafen, ſo verfolgen ihn ſeine Gedanken, und dieſe greifen<lb/> ihn oft ſtaͤrker an, als Leſen und Schreiben. Fuͤr ihn iſt<lb/> alſo keine ſolche Ruhe, wie fuͤr andre, die mit ihrem Koͤr-<lb/> per arbeiten, und wenn ſie ſich auf einen weichen Polſter<lb/> oder auch nur auf einen Stein ſetzen, einer noͤthigen Erho-<lb/> lung genieſſen.</p><lb/> <p>Ich hoͤrte einmal, daß eine Braut ihren Geliebten ei-<lb/> nen verliebten Pedanten nennete, weil er von nichts als<lb/> Liebe ſprach, und auſſer ihr nichts ſahe und nichts hoͤrte.<lb/> Aber wie fange ich es an, antwortete er; um nur einen<lb/> Augenblick nicht zu lieben? Dieſes ſchien mir mit der Fra-<lb/> ge eines Gelehrten, wie fange ich es an, um Nichts zu<lb/> thun; ſo ſehr uͤbereinzukommen, daß ich recht aufmerkſam<lb/> darauf wurde, was ſie ihm auf ſeine Frage erwiedern wuͤr-<lb/> de. Allein die Schoͤne zog ſich mit einer Wendung her-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">aus,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0145]
ein Handwerk lernen.
einem groſſen Manne erfordert wuͤrde: und daß derſelbe,
wenn er ſtark und lebhaft wuͤrde, den gluͤcklichen Namen
des Enthuſiasmus verdiente; er ſagte ferner, daß von hun-
dert Menſchen immer einer ein Maͤrtyrer ſeiner Kunſt
werden muͤſte, um die uͤbrigen ſo vielmehr aufzuklaͤren,
und daß die Italiaͤner eben ſo gut Pedanten in der Mu-
ſik und Mahlerey haͤtten, wie wir Deutſchen in andern
Wiſſenſchaften, nur waͤren wir nach dem Unterſcheide un-
ſerer Gegenſtaͤnde traurige und ernſthafte, die Italiaͤner
aber luſtige Pedanten.
Allein wenn ich ihm gleich hierin nicht voͤllig Unrecht
geben konnte: ſo ſchien mir doch immer die Kunſt, nichts
zu thun, und die Seele dann und wann von ihrem ſtarken
Hange auf die entgegen geſetzte Seite zu wenden, eine be-
neidenswerthe Kunſt. Ruhe und Schlaf thun zwar zu die-
ſer Abſicht etwas; aber ſie reichen nicht hin, und der Schlum-
mer eines Gelehrten iſt ſo erquickend nicht, wie der Schlaf
eines Tageloͤhners. Ruht er mit dem Koͤrper ohne zu
ſchlafen, ſo verfolgen ihn ſeine Gedanken, und dieſe greifen
ihn oft ſtaͤrker an, als Leſen und Schreiben. Fuͤr ihn iſt
alſo keine ſolche Ruhe, wie fuͤr andre, die mit ihrem Koͤr-
per arbeiten, und wenn ſie ſich auf einen weichen Polſter
oder auch nur auf einen Stein ſetzen, einer noͤthigen Erho-
lung genieſſen.
Ich hoͤrte einmal, daß eine Braut ihren Geliebten ei-
nen verliebten Pedanten nennete, weil er von nichts als
Liebe ſprach, und auſſer ihr nichts ſahe und nichts hoͤrte.
Aber wie fange ich es an, antwortete er; um nur einen
Augenblick nicht zu lieben? Dieſes ſchien mir mit der Fra-
ge eines Gelehrten, wie fange ich es an, um Nichts zu
thun; ſo ſehr uͤbereinzukommen, daß ich recht aufmerkſam
darauf wurde, was ſie ihm auf ſeine Frage erwiedern wuͤr-
de. Allein die Schoͤne zog ſich mit einer Wendung her-
aus,
J 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFür das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |