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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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endlich schliessen, es sey gefährlich vielen Sturm zu wün-
schen, um Gelegenheit zu haben, die Besonnenheit und Ent-
schlossenheit seiner Seeleute zu prüfen: indem man nicht
auch dem Sturme nach Gefallen gebieten, und eine bürger-
liche Empörung sogleich mit dem Scepter, oder mit dem
Fächel niederschlagen kann.

Allein so wahr dieses ist: so sehr fühle ich doch, daß
der bohe Stand, worinn ich war, wie meine Liebe dem
Staate jenes grosse Opfer brachte, mich tausendmal glück-
licher machte, als ich jetzt bin; und wenn ich mit einem mei-
ner Freunde spreche, der so wie ich die grossen Ebentheuer
liebt: so klagt er beständig, daß er seine Zeit so ruhig zu-
bringen müsse, und keine Gelegenheit habe, sich in der Hel-
dentugend zu zeigen. Er glaubt, die Masse des Staats
müsse in einer beständigen Gährung, und die Kräfte, wel-
che seine Erhaltung würken, in einer anhaltenden Arbeit
seyn, wofern seine Einwohner groß und glücklich seyn soll-
ten. Er sieht es als eine Folge des Despotismus an, die
als eine ungeheure Masse, alle untern Federkräfte nieder-
drückt, daß wir so ruhig und ordentlich leben, und glaubt,
je freyer und mächtiger alle Federkräfte in der Staatsma-
schine würkten, desto grösser sey auch der Reichthum der
Mannigfaltigkeit, und der Privatglückseligkeit. Erfordere
es gleich mehr Klugheit und Macht, die Ordnung unter
tausend Löwen und Löwinnen zu erhalten; so wolle er doch
lieber Futterknecht bey diesen, als der oberste Schäfer seyn,
und eine Heerde frommes Vieh spielend vor sich her trei-
ben. Und wenn ich meinem Bruder, einem Manne der
den ganzen Tag mit Buchstaben rechnet, trauen darf: so
ist derjenige Staat, worinn der gröste Hebel zur kleinsten
Kraft wird, unendlich grösser als ein andrer, der entweder
sich gar nicht bewegt, oder mit einer sehr leichten Hand in
der Bewegung erhalten wird.

In-
F 5

fuͤr die deutſchen Wochenſchriften.
endlich ſchlieſſen, es ſey gefaͤhrlich vielen Sturm zu wuͤn-
ſchen, um Gelegenheit zu haben, die Beſonnenheit und Ent-
ſchloſſenheit ſeiner Seeleute zu pruͤfen: indem man nicht
auch dem Sturme nach Gefallen gebieten, und eine buͤrger-
liche Empoͤrung ſogleich mit dem Scepter, oder mit dem
Faͤchel niederſchlagen kann.

Allein ſo wahr dieſes iſt: ſo ſehr fuͤhle ich doch, daß
der bohe Stand, worinn ich war, wie meine Liebe dem
Staate jenes groſſe Opfer brachte, mich tauſendmal gluͤck-
licher machte, als ich jetzt bin; und wenn ich mit einem mei-
ner Freunde ſpreche, der ſo wie ich die groſſen Ebentheuer
liebt: ſo klagt er beſtaͤndig, daß er ſeine Zeit ſo ruhig zu-
bringen muͤſſe, und keine Gelegenheit habe, ſich in der Hel-
dentugend zu zeigen. Er glaubt, die Maſſe des Staats
muͤſſe in einer beſtaͤndigen Gaͤhrung, und die Kraͤfte, wel-
che ſeine Erhaltung wuͤrken, in einer anhaltenden Arbeit
ſeyn, wofern ſeine Einwohner groß und gluͤcklich ſeyn ſoll-
ten. Er ſieht es als eine Folge des Deſpotiſmus an, die
als eine ungeheure Maſſe, alle untern Federkraͤfte nieder-
druͤckt, daß wir ſo ruhig und ordentlich leben, und glaubt,
je freyer und maͤchtiger alle Federkraͤfte in der Staatsma-
ſchine wuͤrkten, deſto groͤſſer ſey auch der Reichthum der
Mannigfaltigkeit, und der Privatgluͤckſeligkeit. Erfordere
es gleich mehr Klugheit und Macht, die Ordnung unter
tauſend Loͤwen und Loͤwinnen zu erhalten; ſo wolle er doch
lieber Futterknecht bey dieſen, als der oberſte Schaͤfer ſeyn,
und eine Heerde frommes Vieh ſpielend vor ſich her trei-
ben. Und wenn ich meinem Bruder, einem Manne der
den ganzen Tag mit Buchſtaben rechnet, trauen darf: ſo
iſt derjenige Staat, worinn der groͤſte Hebel zur kleinſten
Kraft wird, unendlich groͤſſer als ein andrer, der entweder
ſich gar nicht bewegt, oder mit einer ſehr leichten Hand in
der Bewegung erhalten wird.

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[89/0103] fuͤr die deutſchen Wochenſchriften. endlich ſchlieſſen, es ſey gefaͤhrlich vielen Sturm zu wuͤn- ſchen, um Gelegenheit zu haben, die Beſonnenheit und Ent- ſchloſſenheit ſeiner Seeleute zu pruͤfen: indem man nicht auch dem Sturme nach Gefallen gebieten, und eine buͤrger- liche Empoͤrung ſogleich mit dem Scepter, oder mit dem Faͤchel niederſchlagen kann. Allein ſo wahr dieſes iſt: ſo ſehr fuͤhle ich doch, daß der bohe Stand, worinn ich war, wie meine Liebe dem Staate jenes groſſe Opfer brachte, mich tauſendmal gluͤck- licher machte, als ich jetzt bin; und wenn ich mit einem mei- ner Freunde ſpreche, der ſo wie ich die groſſen Ebentheuer liebt: ſo klagt er beſtaͤndig, daß er ſeine Zeit ſo ruhig zu- bringen muͤſſe, und keine Gelegenheit habe, ſich in der Hel- dentugend zu zeigen. Er glaubt, die Maſſe des Staats muͤſſe in einer beſtaͤndigen Gaͤhrung, und die Kraͤfte, wel- che ſeine Erhaltung wuͤrken, in einer anhaltenden Arbeit ſeyn, wofern ſeine Einwohner groß und gluͤcklich ſeyn ſoll- ten. Er ſieht es als eine Folge des Deſpotiſmus an, die als eine ungeheure Maſſe, alle untern Federkraͤfte nieder- druͤckt, daß wir ſo ruhig und ordentlich leben, und glaubt, je freyer und maͤchtiger alle Federkraͤfte in der Staatsma- ſchine wuͤrkten, deſto groͤſſer ſey auch der Reichthum der Mannigfaltigkeit, und der Privatgluͤckſeligkeit. Erfordere es gleich mehr Klugheit und Macht, die Ordnung unter tauſend Loͤwen und Loͤwinnen zu erhalten; ſo wolle er doch lieber Futterknecht bey dieſen, als der oberſte Schaͤfer ſeyn, und eine Heerde frommes Vieh ſpielend vor ſich her trei- ben. Und wenn ich meinem Bruder, einem Manne der den ganzen Tag mit Buchſtaben rechnet, trauen darf: ſo iſt derjenige Staat, worinn der groͤſte Hebel zur kleinſten Kraft wird, unendlich groͤſſer als ein andrer, der entweder ſich gar nicht bewegt, oder mit einer ſehr leichten Hand in der Bewegung erhalten wird. In- F 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/103>, abgerufen am 22.11.2024.