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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme,
verspielen; und noch so sehr gedrückt, geschoren, geplagt, und
gejagt werden; ihm kommt kein persönlicher Blick, keine
ernstliche Mine, kein gutes oder böses Wort, keine Ehre,
keine Belohnung, keine Bestrafung und überhaupt von der
ganzen Maschine, welche den Soldaten auf die Batterie oder
auf die Minen führt, und womit der große Herr eine halbe
Welt im freudigen Dienste aufopfern kan, nichts zu Hülfe;
und dennoch soll der arme redliche Hund Liebe fürs Vaterland,
Eyfer zum Steuren, Fleiß zum Ackerbau, esprit de corps
und unzählige Tugenden besitzen; er soll blos aus Geiz ein
Wirth, und für eine kalte Predigt, fromm seyn; oder Gut
und Blut aus Furcht für willkührliche Strafe aufopfern.

Eine solche elende Politick, welche die Griechen und Rö-
mer, die den Menschen besser kannten und nützten, als den
höchsten Grad der Unmenschlichkeit und des Unverstandes an-
gesehen haben würden, könnte aber auf einmal in eine bessere
verwandelt werden, wenn man alle vorhin gedachte ehrbare
Männer in eine Uniform kleidete, diese zur wahren Ehren-
tracht machte, und die Geschichte der Kunst, den Menschen zu-
führen, besser benützte. Der König von Frankreich brauchte
so dann nicht alle Jahr zwey Kaufleute zu adeln und die übri-
gen damit zu beschimpfen; und nicht jeder der einen galonir-
ten Rock bezahlen könnte, würde die ganze Oekonomie der ge-
meinen Ehre freventlich zersiören können.

Und wie sehr würden nicht dadurch die Strafgesetze gemil-
dert und doch kräftiger gemacht werden können? der Verlust
oder das öffentliche Ausziehen der Uniforme, würde nach ein-
mal festgesetzten Ehrenstande eine schwere und doch billigere
Strafe seyn, als Landesverweisung oder ein Staubbesem mit
und ohne Brandmark. Man würde den ehrenhaften Mann

nicht

Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme,
verſpielen; und noch ſo ſehr gedruͤckt, geſchoren, geplagt, und
gejagt werden; ihm kommt kein perſoͤnlicher Blick, keine
ernſtliche Mine, kein gutes oder boͤſes Wort, keine Ehre,
keine Belohnung, keine Beſtrafung und uͤberhaupt von der
ganzen Maſchine, welche den Soldaten auf die Batterie oder
auf die Minen fuͤhrt, und womit der große Herr eine halbe
Welt im freudigen Dienſte aufopfern kan, nichts zu Huͤlfe;
und dennoch ſoll der arme redliche Hund Liebe fuͤrs Vaterland,
Eyfer zum Steuren, Fleiß zum Ackerbau, eſprit de corps
und unzaͤhlige Tugenden beſitzen; er ſoll blos aus Geiz ein
Wirth, und fuͤr eine kalte Predigt, fromm ſeyn; oder Gut
und Blut aus Furcht fuͤr willkuͤhrliche Strafe aufopfern.

Eine ſolche elende Politick, welche die Griechen und Roͤ-
mer, die den Menſchen beſſer kannten und nuͤtzten, als den
hoͤchſten Grad der Unmenſchlichkeit und des Unverſtandes an-
geſehen haben wuͤrden, koͤnnte aber auf einmal in eine beſſere
verwandelt werden, wenn man alle vorhin gedachte ehrbare
Maͤnner in eine Uniform kleidete, dieſe zur wahren Ehren-
tracht machte, und die Geſchichte der Kunſt, den Menſchen zu-
fuͤhren, beſſer benuͤtzte. Der Koͤnig von Frankreich brauchte
ſo dann nicht alle Jahr zwey Kaufleute zu adeln und die uͤbri-
gen damit zu beſchimpfen; und nicht jeder der einen galonir-
ten Rock bezahlen koͤnnte, wuͤrde die ganze Oekonomie der ge-
meinen Ehre freventlich zerſioͤren koͤnnen.

Und wie ſehr wuͤrden nicht dadurch die Strafgeſetze gemil-
dert und doch kraͤftiger gemacht werden koͤnnen? der Verluſt
oder das oͤffentliche Ausziehen der Uniforme, wuͤrde nach ein-
mal feſtgeſetzten Ehrenſtande eine ſchwere und doch billigere
Strafe ſeyn, als Landesverweiſung oder ein Staubbeſem mit
und ohne Brandmark. Man wuͤrde den ehrenhaften Mann

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[66/0084] Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme, verſpielen; und noch ſo ſehr gedruͤckt, geſchoren, geplagt, und gejagt werden; ihm kommt kein perſoͤnlicher Blick, keine ernſtliche Mine, kein gutes oder boͤſes Wort, keine Ehre, keine Belohnung, keine Beſtrafung und uͤberhaupt von der ganzen Maſchine, welche den Soldaten auf die Batterie oder auf die Minen fuͤhrt, und womit der große Herr eine halbe Welt im freudigen Dienſte aufopfern kan, nichts zu Huͤlfe; und dennoch ſoll der arme redliche Hund Liebe fuͤrs Vaterland, Eyfer zum Steuren, Fleiß zum Ackerbau, eſprit de corps und unzaͤhlige Tugenden beſitzen; er ſoll blos aus Geiz ein Wirth, und fuͤr eine kalte Predigt, fromm ſeyn; oder Gut und Blut aus Furcht fuͤr willkuͤhrliche Strafe aufopfern. Eine ſolche elende Politick, welche die Griechen und Roͤ- mer, die den Menſchen beſſer kannten und nuͤtzten, als den hoͤchſten Grad der Unmenſchlichkeit und des Unverſtandes an- geſehen haben wuͤrden, koͤnnte aber auf einmal in eine beſſere verwandelt werden, wenn man alle vorhin gedachte ehrbare Maͤnner in eine Uniform kleidete, dieſe zur wahren Ehren- tracht machte, und die Geſchichte der Kunſt, den Menſchen zu- fuͤhren, beſſer benuͤtzte. Der Koͤnig von Frankreich brauchte ſo dann nicht alle Jahr zwey Kaufleute zu adeln und die uͤbri- gen damit zu beſchimpfen; und nicht jeder der einen galonir- ten Rock bezahlen koͤnnte, wuͤrde die ganze Oekonomie der ge- meinen Ehre freventlich zerſioͤren koͤnnen. Und wie ſehr wuͤrden nicht dadurch die Strafgeſetze gemil- dert und doch kraͤftiger gemacht werden koͤnnen? der Verluſt oder das oͤffentliche Ausziehen der Uniforme, wuͤrde nach ein- mal feſtgeſetzten Ehrenſtande eine ſchwere und doch billigere Strafe ſeyn, als Landesverweiſung oder ein Staubbeſem mit und ohne Brandmark. Man wuͤrde den ehrenhaften Mann nicht

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/84>, abgerufen am 24.11.2024.