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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme,

Allein angenommen, daß dieses alles so eingerichtet würde,
wie wir es als möglich ansehen und wünschen können, und
wie es vordem nach den Kleidertrachten und Ordnungen vie-
ler Reichsstädte zu urtheilen, würklich eingeführet gewesen;
wie groß würde dann nicht der Vortheil seyn, den wir uns
davon versprechen könnten? Nicht allein alle Moden, diese
großen Plünderinnen der Landstädte würden auf einmal ver-
schwinden; nicht allein alle Landfabriken, die sich gegen die
Veränderungen der Moden und des Geschmacks gar nicht
wehren und erhalten können, würden sich durch die Einför-
migkeit ihrer Manufakturen erhalten; sondern der ganze
Staat einen neuen Geist bekommen. Jeder würde sich be-
mühen ein Landeigenthum und mit demselben eine neue Ehre
zu bekommen. Jeder würde darauf bedacht seyn, sich die
Geldactie, welche zur gemeinen Ehre führet, zu erwerben.
Derjenige der sich jetzt den Steuren zu entziehen sucht, würde
sich dazu dringen, um so hoch angesetzt zu werden als es die
gemeine Ehre erfordert. Alle Belohnungen im Staate wür-
den durch die Erlaubniß einer höhern Uniforme bestritten wer-
den können. Die Obrigkeiten würden ohne alle Besoldung
blos für die Ehre der höchsten Uniform dienen und dadurch
dem Staate die schwere Last der Besoldungen vermindern.
Der Mann von hundert tausend Thalern würde sein Geld
an nützliche Unternehmungen wenden, wenn dieses die Be-
dingung wäre, worunter er zu einer höhern Uniform gelan-
gen könnte; zu einer reichen Heyrath würde weder Tittel
noch Adel sondern blos der bürgerliche Rang hinlänglich seyn;
die Söhne und Töchter reicher Kaufleute würden ihr Geld
nicht aus dem Handel ziehen, sondern ihren Ehrgeiz in dem
Stande ihrer Vorfahren befriedigen können; das Recht
Kutschen und Pferde und Livreebediente zu halten, würde sich
nach dem Range dieser Uniforme bestimmen lassen, und da-

durch
Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme,

Allein angenommen, daß dieſes alles ſo eingerichtet wuͤrde,
wie wir es als moͤglich anſehen und wuͤnſchen koͤnnen, und
wie es vordem nach den Kleidertrachten und Ordnungen vie-
ler Reichsſtaͤdte zu urtheilen, wuͤrklich eingefuͤhret geweſen;
wie groß wuͤrde dann nicht der Vortheil ſeyn, den wir uns
davon verſprechen koͤnnten? Nicht allein alle Moden, dieſe
großen Pluͤnderinnen der Landſtaͤdte wuͤrden auf einmal ver-
ſchwinden; nicht allein alle Landfabriken, die ſich gegen die
Veraͤnderungen der Moden und des Geſchmacks gar nicht
wehren und erhalten koͤnnen, wuͤrden ſich durch die Einfoͤr-
migkeit ihrer Manufakturen erhalten; ſondern der ganze
Staat einen neuen Geiſt bekommen. Jeder wuͤrde ſich be-
muͤhen ein Landeigenthum und mit demſelben eine neue Ehre
zu bekommen. Jeder wuͤrde darauf bedacht ſeyn, ſich die
Geldactie, welche zur gemeinen Ehre fuͤhret, zu erwerben.
Derjenige der ſich jetzt den Steuren zu entziehen ſucht, wuͤrde
ſich dazu dringen, um ſo hoch angeſetzt zu werden als es die
gemeine Ehre erfordert. Alle Belohnungen im Staate wuͤr-
den durch die Erlaubniß einer hoͤhern Uniforme beſtritten wer-
den koͤnnen. Die Obrigkeiten wuͤrden ohne alle Beſoldung
blos fuͤr die Ehre der hoͤchſten Uniform dienen und dadurch
dem Staate die ſchwere Laſt der Beſoldungen vermindern.
Der Mann von hundert tauſend Thalern wuͤrde ſein Geld
an nuͤtzliche Unternehmungen wenden, wenn dieſes die Be-
dingung waͤre, worunter er zu einer hoͤhern Uniform gelan-
gen koͤnnte; zu einer reichen Heyrath wuͤrde weder Tittel
noch Adel ſondern blos der buͤrgerliche Rang hinlaͤnglich ſeyn;
die Soͤhne und Toͤchter reicher Kaufleute wuͤrden ihr Geld
nicht aus dem Handel ziehen, ſondern ihren Ehrgeiz in dem
Stande ihrer Vorfahren befriedigen koͤnnen; das Recht
Kutſchen und Pferde und Livreebediente zu halten, wuͤrde ſich
nach dem Range dieſer Uniforme beſtimmen laſſen, und da-

durch
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[64/0082] Die Vortheile einer allgem. Landesuniforme, Allein angenommen, daß dieſes alles ſo eingerichtet wuͤrde, wie wir es als moͤglich anſehen und wuͤnſchen koͤnnen, und wie es vordem nach den Kleidertrachten und Ordnungen vie- ler Reichsſtaͤdte zu urtheilen, wuͤrklich eingefuͤhret geweſen; wie groß wuͤrde dann nicht der Vortheil ſeyn, den wir uns davon verſprechen koͤnnten? Nicht allein alle Moden, dieſe großen Pluͤnderinnen der Landſtaͤdte wuͤrden auf einmal ver- ſchwinden; nicht allein alle Landfabriken, die ſich gegen die Veraͤnderungen der Moden und des Geſchmacks gar nicht wehren und erhalten koͤnnen, wuͤrden ſich durch die Einfoͤr- migkeit ihrer Manufakturen erhalten; ſondern der ganze Staat einen neuen Geiſt bekommen. Jeder wuͤrde ſich be- muͤhen ein Landeigenthum und mit demſelben eine neue Ehre zu bekommen. Jeder wuͤrde darauf bedacht ſeyn, ſich die Geldactie, welche zur gemeinen Ehre fuͤhret, zu erwerben. Derjenige der ſich jetzt den Steuren zu entziehen ſucht, wuͤrde ſich dazu dringen, um ſo hoch angeſetzt zu werden als es die gemeine Ehre erfordert. Alle Belohnungen im Staate wuͤr- den durch die Erlaubniß einer hoͤhern Uniforme beſtritten wer- den koͤnnen. Die Obrigkeiten wuͤrden ohne alle Beſoldung blos fuͤr die Ehre der hoͤchſten Uniform dienen und dadurch dem Staate die ſchwere Laſt der Beſoldungen vermindern. Der Mann von hundert tauſend Thalern wuͤrde ſein Geld an nuͤtzliche Unternehmungen wenden, wenn dieſes die Be- dingung waͤre, worunter er zu einer hoͤhern Uniform gelan- gen koͤnnte; zu einer reichen Heyrath wuͤrde weder Tittel noch Adel ſondern blos der buͤrgerliche Rang hinlaͤnglich ſeyn; die Soͤhne und Toͤchter reicher Kaufleute wuͤrden ihr Geld nicht aus dem Handel ziehen, ſondern ihren Ehrgeiz in dem Stande ihrer Vorfahren befriedigen koͤnnen; das Recht Kutſchen und Pferde und Livreebediente zu halten, wuͤrde ſich nach dem Range dieſer Uniforme beſtimmen laſſen, und da- durch

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/82>, abgerufen am 24.11.2024.