Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Vorth. einer allg. Land. declam. v. einem Bürg.
nen freygebohrner Bräute, keine schwarze Kleider an Feyer-
tagen, und überall keine bürgerliche Würden, dem Staate
wie ehedem zu statten kommen; wo der geldreiche Mann sich
Adel und Tittel käuft; wo der Heuermann, der dem Staate
so wenig mit seinem Blute als mit seinem Gelde in einem
gerechten Verhältnisse dient, aller Vortheile genießt, und
den angesessenen Mann unter der Bürde der öffentlichen La-
sten seufzen läßt; und wo endlich ein Caffarelli sich zum Her-
zoge singt: in dieser schrecklichen Vermischung sage ich ist uns
eine schleunige Hülfe nöthig, oder es ist alles verlohren; die
Ehre, diese mächtige Triebfeder der menschlichen Handlungen,
wird uns zu nichts mehr dienen; die edle Liebe zum Eigen-
thum wird verschwinden; die Belohnungen aller Verdienste
werden zum Nachtheil des Staats beständig mit Gelde Ge-
schehen müssen; die Strafgesetze werden, da Flüchtlinge mit
Eingesessenen in einerley Stand treten, grausam werden, und
die allgemeinen Lasten, welche jederzeit mit der Ehre und der
Liebe zum Eigenthum in unzertrennlicher Verknüpfung gestan-
den, und eine rühmliche Bürde gewesen, werden den steuer-
baren Mann erst in Armuth und dann noch dazu in Verach-
tung senken.

So groß so gewiß ist die Vermischung, und so schrecklich
sind die Folgen. Mit einer Krone von Eichenlaube, welche
ehedem ein römischer Bürger für seine größte Belohnung
schätzte, läßt sich niemand mehr bezahlen; die ritterliche
Würde führet keinen mehr zu ritterlichen Thaten; der Adel
selbst ist feil geworden; Geld und Dienst entscheiden alles
und beyde haben die Oekonomie der gemeinen Ehre, oder die
Mittel einen zur gemeinen Wohlfahrt ordentlich und gewis-
senhaft steurenden; einen sich in seinen Pflichten unsträf-
lich beweisenden; einen sich für seinen Mithürger aufopfern-

den

Die Vorth. einer allg. Land. declam. v. einem Buͤrg.
nen freygebohrner Braͤute, keine ſchwarze Kleider an Feyer-
tagen, und uͤberall keine buͤrgerliche Wuͤrden, dem Staate
wie ehedem zu ſtatten kommen; wo der geldreiche Mann ſich
Adel und Tittel kaͤuft; wo der Heuermann, der dem Staate
ſo wenig mit ſeinem Blute als mit ſeinem Gelde in einem
gerechten Verhaͤltniſſe dient, aller Vortheile genießt, und
den angeſeſſenen Mann unter der Buͤrde der oͤffentlichen La-
ſten ſeufzen laͤßt; und wo endlich ein Caffarelli ſich zum Her-
zoge ſingt: in dieſer ſchrecklichen Vermiſchung ſage ich iſt uns
eine ſchleunige Huͤlfe noͤthig, oder es iſt alles verlohren; die
Ehre, dieſe maͤchtige Triebfeder der menſchlichen Handlungen,
wird uns zu nichts mehr dienen; die edle Liebe zum Eigen-
thum wird verſchwinden; die Belohnungen aller Verdienſte
werden zum Nachtheil des Staats beſtaͤndig mit Gelde Ge-
ſchehen muͤſſen; die Strafgeſetze werden, da Fluͤchtlinge mit
Eingeſeſſenen in einerley Stand treten, grauſam werden, und
die allgemeinen Laſten, welche jederzeit mit der Ehre und der
Liebe zum Eigenthum in unzertrennlicher Verknuͤpfung geſtan-
den, und eine ruͤhmliche Buͤrde geweſen, werden den ſteuer-
baren Mann erſt in Armuth und dann noch dazu in Verach-
tung ſenken.

So groß ſo gewiß iſt die Vermiſchung, und ſo ſchrecklich
ſind die Folgen. Mit einer Krone von Eichenlaube, welche
ehedem ein roͤmiſcher Buͤrger fuͤr ſeine groͤßte Belohnung
ſchaͤtzte, laͤßt ſich niemand mehr bezahlen; die ritterliche
Wuͤrde fuͤhret keinen mehr zu ritterlichen Thaten; der Adel
ſelbſt iſt feil geworden; Geld und Dienſt entſcheiden alles
und beyde haben die Oekonomie der gemeinen Ehre, oder die
Mittel einen zur gemeinen Wohlfahrt ordentlich und gewiſ-
ſenhaft ſteurenden; einen ſich in ſeinen Pflichten unſtraͤf-
lich beweiſenden; einen ſich fuͤr ſeinen Mithuͤrger aufopfern-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Vorth. einer allg. Land. declam. v. einem Bu&#x0364;rg.</hi></fw><lb/>
nen freygebohrner Bra&#x0364;ute, keine &#x017F;chwarze Kleider an Feyer-<lb/>
tagen, und u&#x0364;berall keine bu&#x0364;rgerliche Wu&#x0364;rden, dem Staate<lb/>
wie ehedem zu &#x017F;tatten kommen; wo der geldreiche Mann &#x017F;ich<lb/>
Adel und Tittel ka&#x0364;uft; wo der Heuermann, der dem Staate<lb/>
&#x017F;o wenig mit &#x017F;einem Blute als mit &#x017F;einem Gelde in einem<lb/>
gerechten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e dient, aller Vortheile genießt, und<lb/>
den ange&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen Mann unter der Bu&#x0364;rde der o&#x0364;ffentlichen La-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;eufzen la&#x0364;ßt; und wo endlich ein Caffarelli &#x017F;ich zum Her-<lb/>
zoge &#x017F;ingt: in die&#x017F;er &#x017F;chrecklichen Vermi&#x017F;chung &#x017F;age ich i&#x017F;t uns<lb/>
eine &#x017F;chleunige Hu&#x0364;lfe no&#x0364;thig, oder es i&#x017F;t alles verlohren; die<lb/>
Ehre, die&#x017F;e ma&#x0364;chtige Triebfeder der men&#x017F;chlichen Handlungen,<lb/>
wird uns zu nichts mehr dienen; die edle Liebe zum Eigen-<lb/>
thum wird ver&#x017F;chwinden; die Belohnungen aller Verdien&#x017F;te<lb/>
werden zum Nachtheil des Staats be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit Gelde Ge-<lb/>
&#x017F;chehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; die Strafge&#x017F;etze werden, da Flu&#x0364;chtlinge mit<lb/>
Einge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen in einerley Stand treten, grau&#x017F;am werden, und<lb/>
die allgemeinen La&#x017F;ten, welche jederzeit mit der Ehre und der<lb/>
Liebe zum Eigenthum in unzertrennlicher Verknu&#x0364;pfung ge&#x017F;tan-<lb/>
den, und eine ru&#x0364;hmliche Bu&#x0364;rde gewe&#x017F;en, werden den &#x017F;teuer-<lb/>
baren Mann er&#x017F;t in Armuth und dann noch dazu in Verach-<lb/>
tung &#x017F;enken.</p><lb/>
        <p>So groß &#x017F;o gewiß i&#x017F;t die Vermi&#x017F;chung, und &#x017F;o &#x017F;chrecklich<lb/>
&#x017F;ind die Folgen. Mit einer Krone von Eichenlaube, welche<lb/>
ehedem ein ro&#x0364;mi&#x017F;cher Bu&#x0364;rger fu&#x0364;r &#x017F;eine gro&#x0364;ßte Belohnung<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzte, la&#x0364;ßt &#x017F;ich niemand mehr bezahlen; die ritterliche<lb/>
Wu&#x0364;rde fu&#x0364;hret keinen mehr zu ritterlichen Thaten; der Adel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t feil geworden; Geld und Dien&#x017F;t ent&#x017F;cheiden alles<lb/>
und beyde haben die Oekonomie der gemeinen Ehre, oder die<lb/>
Mittel einen zur gemeinen Wohlfahrt ordentlich und gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enhaft &#x017F;teurenden; einen &#x017F;ich in &#x017F;einen Pflichten un&#x017F;tra&#x0364;f-<lb/>
lich bewei&#x017F;enden; einen &#x017F;ich fu&#x0364;r &#x017F;einen Mithu&#x0364;rger aufopfern-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0079] Die Vorth. einer allg. Land. declam. v. einem Buͤrg. nen freygebohrner Braͤute, keine ſchwarze Kleider an Feyer- tagen, und uͤberall keine buͤrgerliche Wuͤrden, dem Staate wie ehedem zu ſtatten kommen; wo der geldreiche Mann ſich Adel und Tittel kaͤuft; wo der Heuermann, der dem Staate ſo wenig mit ſeinem Blute als mit ſeinem Gelde in einem gerechten Verhaͤltniſſe dient, aller Vortheile genießt, und den angeſeſſenen Mann unter der Buͤrde der oͤffentlichen La- ſten ſeufzen laͤßt; und wo endlich ein Caffarelli ſich zum Her- zoge ſingt: in dieſer ſchrecklichen Vermiſchung ſage ich iſt uns eine ſchleunige Huͤlfe noͤthig, oder es iſt alles verlohren; die Ehre, dieſe maͤchtige Triebfeder der menſchlichen Handlungen, wird uns zu nichts mehr dienen; die edle Liebe zum Eigen- thum wird verſchwinden; die Belohnungen aller Verdienſte werden zum Nachtheil des Staats beſtaͤndig mit Gelde Ge- ſchehen muͤſſen; die Strafgeſetze werden, da Fluͤchtlinge mit Eingeſeſſenen in einerley Stand treten, grauſam werden, und die allgemeinen Laſten, welche jederzeit mit der Ehre und der Liebe zum Eigenthum in unzertrennlicher Verknuͤpfung geſtan- den, und eine ruͤhmliche Buͤrde geweſen, werden den ſteuer- baren Mann erſt in Armuth und dann noch dazu in Verach- tung ſenken. So groß ſo gewiß iſt die Vermiſchung, und ſo ſchrecklich ſind die Folgen. Mit einer Krone von Eichenlaube, welche ehedem ein roͤmiſcher Buͤrger fuͤr ſeine groͤßte Belohnung ſchaͤtzte, laͤßt ſich niemand mehr bezahlen; die ritterliche Wuͤrde fuͤhret keinen mehr zu ritterlichen Thaten; der Adel ſelbſt iſt feil geworden; Geld und Dienſt entſcheiden alles und beyde haben die Oekonomie der gemeinen Ehre, oder die Mittel einen zur gemeinen Wohlfahrt ordentlich und gewiſ- ſenhaft ſteurenden; einen ſich in ſeinen Pflichten unſtraͤf- lich beweiſenden; einen ſich fuͤr ſeinen Mithuͤrger aufopfern- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/79
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/79>, abgerufen am 21.11.2024.