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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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an den Deutschen.
zehnjährige Vortheil den er von ihnen sonst gehabt, ihn we-
gen des einjährigen Verlustes entschädigen? Und kan es
einer Landesherrschaft verdacht werden, wann sie in solchen
Umständen der plötzlichen und augenblicklichen Würkung ei-
nes vorseyenden Wuchers Ziel setzet, und dafür sorgt, daß
der Geiz Zeit erhalte in sich zu schlagen?

Die Frage ist spitzig; Allein laßt uns nun auch erst ein-
mal fragen: ob sich zur Zeit der Theurung der Kornvorrath
würklich in den Händen des Ackerbauers befinde? oder ob
vielmehr unter den neun Familien, die nicht vom Ackerbau,
sondern von Handel und Gewerbe leben, sich nicht mehren-
theils die geldreichen Leute finden, welche den Ackerbauer
sein Korn abnehmen, solches aufschütten, und damit ihre
Speculation treiben? Daß letztere scheint mir das wahr-
scheinlichste zu seyn. Und so frägt sich endlich:
Ist es besser, den Unterthanen alle zwanzig Jahr ein-
mal eine Theurung ausdauren zu lassen, und ihnen
dafür 19 Jahre hindurch gute und sichere Abnehmer zu
Hause zu verschaffen: oder aber einmal in zwanzig Jah-
ren zu sperren, und dagegen den Ackerleuten ganzer 19
Jahr den Markt zu verderben?

Und hierauf antworte ich, daß der Vortheil, welchen die
Unterthanen in 19 Jahren dadurch genießen, daß geldreiche
Leute ihnen sogleich für baares Geld ihr Korn abnehmen,
solches aufschütten, und damit auf Speculation handeln, den
kleinen Vortheil der Sperrung überwiege; und daß der Tha-
ler, welchen er bey einer etwa alle 20 Jahr eintreffenden
Theurung mehr für den Himten bezahlen muß, gegen die
3 bis 6 mgr. welche er 19 Jahr hindurch dafür empfangen,

und

an den Deutſchen.
zehnjaͤhrige Vortheil den er von ihnen ſonſt gehabt, ihn we-
gen des einjaͤhrigen Verluſtes entſchaͤdigen? Und kan es
einer Landesherrſchaft verdacht werden, wann ſie in ſolchen
Umſtaͤnden der ploͤtzlichen und augenblicklichen Wuͤrkung ei-
nes vorſeyenden Wuchers Ziel ſetzet, und dafuͤr ſorgt, daß
der Geiz Zeit erhalte in ſich zu ſchlagen?

Die Frage iſt ſpitzig; Allein laßt uns nun auch erſt ein-
mal fragen: ob ſich zur Zeit der Theurung der Kornvorrath
wuͤrklich in den Haͤnden des Ackerbauers befinde? oder ob
vielmehr unter den neun Familien, die nicht vom Ackerbau,
ſondern von Handel und Gewerbe leben, ſich nicht mehren-
theils die geldreichen Leute finden, welche den Ackerbauer
ſein Korn abnehmen, ſolches aufſchuͤtten, und damit ihre
Speculation treiben? Daß letztere ſcheint mir das wahr-
ſcheinlichſte zu ſeyn. Und ſo fraͤgt ſich endlich:
Iſt es beſſer, den Unterthanen alle zwanzig Jahr ein-
mal eine Theurung ausdauren zu laſſen, und ihnen
dafuͤr 19 Jahre hindurch gute und ſichere Abnehmer zu
Hauſe zu verſchaffen: oder aber einmal in zwanzig Jah-
ren zu ſperren, und dagegen den Ackerleuten ganzer 19
Jahr den Markt zu verderben?

Und hierauf antworte ich, daß der Vortheil, welchen die
Unterthanen in 19 Jahren dadurch genießen, daß geldreiche
Leute ihnen ſogleich fuͤr baares Geld ihr Korn abnehmen,
ſolches aufſchuͤtten, und damit auf Speculation handeln, den
kleinen Vortheil der Sperrung uͤberwiege; und daß der Tha-
ler, welchen er bey einer etwa alle 20 Jahr eintreffenden
Theurung mehr fuͤr den Himten bezahlen muß, gegen die
3 bis 6 mgr. welche er 19 Jahr hindurch dafuͤr empfangen,

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[47/0065] an den Deutſchen. zehnjaͤhrige Vortheil den er von ihnen ſonſt gehabt, ihn we- gen des einjaͤhrigen Verluſtes entſchaͤdigen? Und kan es einer Landesherrſchaft verdacht werden, wann ſie in ſolchen Umſtaͤnden der ploͤtzlichen und augenblicklichen Wuͤrkung ei- nes vorſeyenden Wuchers Ziel ſetzet, und dafuͤr ſorgt, daß der Geiz Zeit erhalte in ſich zu ſchlagen? Die Frage iſt ſpitzig; Allein laßt uns nun auch erſt ein- mal fragen: ob ſich zur Zeit der Theurung der Kornvorrath wuͤrklich in den Haͤnden des Ackerbauers befinde? oder ob vielmehr unter den neun Familien, die nicht vom Ackerbau, ſondern von Handel und Gewerbe leben, ſich nicht mehren- theils die geldreichen Leute finden, welche den Ackerbauer ſein Korn abnehmen, ſolches aufſchuͤtten, und damit ihre Speculation treiben? Daß letztere ſcheint mir das wahr- ſcheinlichſte zu ſeyn. Und ſo fraͤgt ſich endlich: Iſt es beſſer, den Unterthanen alle zwanzig Jahr ein- mal eine Theurung ausdauren zu laſſen, und ihnen dafuͤr 19 Jahre hindurch gute und ſichere Abnehmer zu Hauſe zu verſchaffen: oder aber einmal in zwanzig Jah- ren zu ſperren, und dagegen den Ackerleuten ganzer 19 Jahr den Markt zu verderben? Und hierauf antworte ich, daß der Vortheil, welchen die Unterthanen in 19 Jahren dadurch genießen, daß geldreiche Leute ihnen ſogleich fuͤr baares Geld ihr Korn abnehmen, ſolches aufſchuͤtten, und damit auf Speculation handeln, den kleinen Vortheil der Sperrung uͤberwiege; und daß der Tha- ler, welchen er bey einer etwa alle 20 Jahr eintreffenden Theurung mehr fuͤr den Himten bezahlen muß, gegen die 3 bis 6 mgr. welche er 19 Jahr hindurch dafuͤr empfangen, und

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/65>, abgerufen am 25.11.2024.