Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

an den Deutschen.
fuhr zu gestatten. Von diesem Falle gilt auch meiner Ein-
sicht nach dasjenige, was die beyden klaßischen Schriftsteller
in dieser Sachea) zum Besten der Menschheit und der na-
türlich verbrüderten Nationen ausgeführet haben. Wo wir
zum äußersten Nothfalle herauf steigen: so hat die ganze
Policey die Sittenlehre und alles was von Pflichten der
Menschen handelt, ein gar kurzes Ende. Die Summe aller
Lehrer ist denn: Omnia licent.

Ueberhaupt scheint mir alle Sperrung von Ländern vergeb-
lich zu seyn, da man noch nicht das Mittel gefunden hat,
den Betrug der Accise in dem kleinsten Landstädtgen zu ver-
hindern. Wälle und Thore, Wachen und Thorschreiber
reichen hier nicht zu; mit welcher Wahrscheinlichkeit dürfen
Sie denn hoffen, daß man eine Linie von hundert Meilen
bey Tage und Nachte sperren könne? Das Land, was Sie
zum Beyspiel anführen, war rings herum mit Truppen be-
setzt; und dennoch wurden dem Nachbaren daraus täglich
hunderten von Lasten angeboten. Die Leute, die ihr Leben
dabey wagten, genossen für jede Last 5 Pistolen; und ich
rechne, daß diese bey der Sperrung 5000 Pistolen gewon-
nen haben, welche den guten Unterthanen des gesperrten
Landes, dieweil sie heimlich handelten, nothwendig wohl-
feiler verkaufen mußten, aus dem Beutel giengen. Das
war der ganze Nutzen von der berühmten Getraidesperre;
die gegen arme Nachbaren unnöthig, gegen reichere aber
eben so vergeblich ist, wie die Wachsamkeit der Engländer
gegen die Schmuggler. Der letzte Himte wäre uns zu

Theil
a) Der Herr Landdrost von Münchhausen etc. Der freye Korn-
handel.
Hannover 1772. Herr H. F. R. Schlettwein:
Die wichtigste Angelegenheit für das ganze Publicum.
Carlsruhe 1772.

an den Deutſchen.
fuhr zu geſtatten. Von dieſem Falle gilt auch meiner Ein-
ſicht nach dasjenige, was die beyden klaßiſchen Schriftſteller
in dieſer Sachea) zum Beſten der Menſchheit und der na-
tuͤrlich verbruͤderten Nationen ausgefuͤhret haben. Wo wir
zum aͤußerſten Nothfalle herauf ſteigen: ſo hat die ganze
Policey die Sittenlehre und alles was von Pflichten der
Menſchen handelt, ein gar kurzes Ende. Die Summe aller
Lehrer iſt denn: Omnia licent.

Ueberhaupt ſcheint mir alle Sperrung von Laͤndern vergeb-
lich zu ſeyn, da man noch nicht das Mittel gefunden hat,
den Betrug der Acciſe in dem kleinſten Landſtaͤdtgen zu ver-
hindern. Waͤlle und Thore, Wachen und Thorſchreiber
reichen hier nicht zu; mit welcher Wahrſcheinlichkeit duͤrfen
Sie denn hoffen, daß man eine Linie von hundert Meilen
bey Tage und Nachte ſperren koͤnne? Das Land, was Sie
zum Beyſpiel anfuͤhren, war rings herum mit Truppen be-
ſetzt; und dennoch wurden dem Nachbaren daraus taͤglich
hunderten von Laſten angeboten. Die Leute, die ihr Leben
dabey wagten, genoſſen fuͤr jede Laſt 5 Piſtolen; und ich
rechne, daß dieſe bey der Sperrung 5000 Piſtolen gewon-
nen haben, welche den guten Unterthanen des geſperrten
Landes, dieweil ſie heimlich handelten, nothwendig wohl-
feiler verkaufen mußten, aus dem Beutel giengen. Das
war der ganze Nutzen von der beruͤhmten Getraideſperre;
die gegen arme Nachbaren unnoͤthig, gegen reichere aber
eben ſo vergeblich iſt, wie die Wachſamkeit der Englaͤnder
gegen die Schmuggler. Der letzte Himte waͤre uns zu

Theil
a) Der Herr Landdroſt von Muͤnchhauſen ꝛc. Der freye Korn-
handel.
Hannover 1772. Herr H. F. R. Schlettwein:
Die wichtigſte Angelegenheit fuͤr das ganze Publicum.
Carlsruhe 1772.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an den Deut&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
fuhr zu ge&#x017F;tatten. Von die&#x017F;em Falle gilt auch meiner Ein-<lb/>
&#x017F;icht nach dasjenige, was die beyden klaßi&#x017F;chen Schrift&#x017F;teller<lb/>
in die&#x017F;er Sache<note place="foot" n="a)">Der Herr Landdro&#x017F;t von Mu&#x0364;nchhau&#x017F;en &#xA75B;c. <hi rendition="#fr">Der freye Korn-<lb/>
handel.</hi> Hannover 1772. Herr H. F. R. Schlettwein:<lb/><hi rendition="#fr">Die wichtig&#x017F;te Angelegenheit</hi> fu&#x0364;r das ganze Publicum.<lb/>
Carlsruhe 1772.</note> zum Be&#x017F;ten der Men&#x017F;chheit und der na-<lb/>
tu&#x0364;rlich verbru&#x0364;derten Nationen ausgefu&#x0364;hret haben. Wo wir<lb/>
zum a&#x0364;ußer&#x017F;ten Nothfalle herauf &#x017F;teigen: &#x017F;o hat die ganze<lb/>
Policey die Sittenlehre und alles was von Pflichten der<lb/>
Men&#x017F;chen handelt, ein gar kurzes Ende. Die Summe aller<lb/>
Lehrer i&#x017F;t denn: <hi rendition="#aq">Omnia licent.</hi></p><lb/>
        <p>Ueberhaupt &#x017F;cheint mir alle Sperrung von La&#x0364;ndern vergeb-<lb/>
lich zu &#x017F;eyn, da man noch nicht das Mittel gefunden hat,<lb/>
den Betrug der Acci&#x017F;e in dem klein&#x017F;ten Land&#x017F;ta&#x0364;dtgen zu ver-<lb/>
hindern. Wa&#x0364;lle und Thore, Wachen und Thor&#x017F;chreiber<lb/>
reichen hier nicht zu; mit welcher Wahr&#x017F;cheinlichkeit du&#x0364;rfen<lb/>
Sie denn hoffen, daß man eine Linie von hundert Meilen<lb/>
bey Tage und Nachte &#x017F;perren ko&#x0364;nne? Das Land, was Sie<lb/>
zum Bey&#x017F;piel anfu&#x0364;hren, war rings herum mit Truppen be-<lb/>
&#x017F;etzt; und dennoch wurden dem Nachbaren daraus ta&#x0364;glich<lb/>
hunderten von La&#x017F;ten angeboten. Die Leute, die ihr Leben<lb/>
dabey wagten, geno&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;r jede La&#x017F;t 5 Pi&#x017F;tolen; und ich<lb/>
rechne, daß die&#x017F;e bey der Sperrung 5000 Pi&#x017F;tolen gewon-<lb/>
nen haben, welche den guten Unterthanen des ge&#x017F;perrten<lb/>
Landes, dieweil &#x017F;ie heimlich handelten, nothwendig wohl-<lb/>
feiler verkaufen mußten, aus dem Beutel giengen. Das<lb/>
war der ganze Nutzen von der beru&#x0364;hmten Getraide&#x017F;perre;<lb/>
die gegen arme Nachbaren unno&#x0364;thig, gegen reichere aber<lb/>
eben &#x017F;o vergeblich i&#x017F;t, wie die Wach&#x017F;amkeit der Engla&#x0364;nder<lb/>
gegen die Schmuggler. Der letzte Himte wa&#x0364;re uns zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Theil</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0063] an den Deutſchen. fuhr zu geſtatten. Von dieſem Falle gilt auch meiner Ein- ſicht nach dasjenige, was die beyden klaßiſchen Schriftſteller in dieſer Sache a) zum Beſten der Menſchheit und der na- tuͤrlich verbruͤderten Nationen ausgefuͤhret haben. Wo wir zum aͤußerſten Nothfalle herauf ſteigen: ſo hat die ganze Policey die Sittenlehre und alles was von Pflichten der Menſchen handelt, ein gar kurzes Ende. Die Summe aller Lehrer iſt denn: Omnia licent. Ueberhaupt ſcheint mir alle Sperrung von Laͤndern vergeb- lich zu ſeyn, da man noch nicht das Mittel gefunden hat, den Betrug der Acciſe in dem kleinſten Landſtaͤdtgen zu ver- hindern. Waͤlle und Thore, Wachen und Thorſchreiber reichen hier nicht zu; mit welcher Wahrſcheinlichkeit duͤrfen Sie denn hoffen, daß man eine Linie von hundert Meilen bey Tage und Nachte ſperren koͤnne? Das Land, was Sie zum Beyſpiel anfuͤhren, war rings herum mit Truppen be- ſetzt; und dennoch wurden dem Nachbaren daraus taͤglich hunderten von Laſten angeboten. Die Leute, die ihr Leben dabey wagten, genoſſen fuͤr jede Laſt 5 Piſtolen; und ich rechne, daß dieſe bey der Sperrung 5000 Piſtolen gewon- nen haben, welche den guten Unterthanen des geſperrten Landes, dieweil ſie heimlich handelten, nothwendig wohl- feiler verkaufen mußten, aus dem Beutel giengen. Das war der ganze Nutzen von der beruͤhmten Getraideſperre; die gegen arme Nachbaren unnoͤthig, gegen reichere aber eben ſo vergeblich iſt, wie die Wachſamkeit der Englaͤnder gegen die Schmuggler. Der letzte Himte waͤre uns zu Theil a) Der Herr Landdroſt von Muͤnchhauſen ꝛc. Der freye Korn- handel. Hannover 1772. Herr H. F. R. Schlettwein: Die wichtigſte Angelegenheit fuͤr das ganze Publicum. Carlsruhe 1772.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/63
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/63>, abgerufen am 28.11.2024.