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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Der alte Rath.
und meldete ihm eine Dame deren Name nicht viel zur Sache
thut, wenn sie auch Gertrud a) geheissen hätte. Ich wollte
daß das Ungewitter alle Quälerinnen zum Henker führte, sagt
ihr ich sey nicht zu Hause, war die Antwort womit er den Be-
dienten fortschickte. Gelassen nahm er darauf seine Brille
wieder auf und machte das Urtheil fertig, warum die Dame
bitten wollte, und woran er vorher gearbeitet hatte. Kaum
hatte er sich in seinen Lehnstuhl zurückgelehnt, um eine Arbeit
zu überdenken, die ihm sein Fürst aufgetragen hatte: so kam
ein Hoflakay und forderte ihn nach Hofe. Der Fürst denkt
doch, ein ehrlicher Kerl habe nichts zu thun als hin und her
zu laufen, murmelte er vor sich, und eilte mit einem solchen
Eyfer seinem Herrn aufzuwarten, daß er seine Brille darüber
in Stücke warf. Der Fürst sprach ihn über die Sache, welche
dieser bereits überdacht und wozu er den Plan schon völlig an-
gelegt hatte: er konnte aber weiter nichts aus ihm bringen
als: Ihro Durchlaucht müssen Geduld haben. Bey seiner
Zurückkunft begegnete ihm ein alter unglücklicher Mann, den
er vorher in bessern Umständen gekannt hatte, und der sich
ihm furchtsam näherte. Mit einem wohlthätigen Eyfer gab
er ihm in der Geschwindigkeit alles Geld was er bey sich hatte,
und das nicht unbeträchtlich war, begleitete es aber mit dem
rauhen Segen: Nun geht in Gottes Namen. Zu Hause
fand er jetzt seine Brille auf der Erde, schalt auf die ewigen
Zeitverderber, und vollendete die Arbeit seines Fürsten, ob-
gleich die Brille vor dem einen Auge geborsten war. Es ward
indessen Abend, und seine liebenswürdige Nichte glaubte den
Augenblick zu finden ihn wegen ihrer Heyrath, worinn er
schon längst gewilliget hatte, zu sprechen. Wie sie in sein

Zim-
a) Der Cammergerichtsassessor von Ludolf bemerkt es irgendwo
in seinen Observationibus daß alle Damen, so am Cam-
mergericht Processe gehabt, diesen Namen geführt.
H h 3

Der alte Rath.
und meldete ihm eine Dame deren Name nicht viel zur Sache
thut, wenn ſie auch Gertrud a) geheiſſen haͤtte. Ich wollte
daß das Ungewitter alle Quaͤlerinnen zum Henker fuͤhrte, ſagt
ihr ich ſey nicht zu Hauſe, war die Antwort womit er den Be-
dienten fortſchickte. Gelaſſen nahm er darauf ſeine Brille
wieder auf und machte das Urtheil fertig, warum die Dame
bitten wollte, und woran er vorher gearbeitet hatte. Kaum
hatte er ſich in ſeinen Lehnſtuhl zuruͤckgelehnt, um eine Arbeit
zu uͤberdenken, die ihm ſein Fuͤrſt aufgetragen hatte: ſo kam
ein Hoflakay und forderte ihn nach Hofe. Der Fuͤrſt denkt
doch, ein ehrlicher Kerl habe nichts zu thun als hin und her
zu laufen, murmelte er vor ſich, und eilte mit einem ſolchen
Eyfer ſeinem Herrn aufzuwarten, daß er ſeine Brille daruͤber
in Stuͤcke warf. Der Fuͤrſt ſprach ihn uͤber die Sache, welche
dieſer bereits uͤberdacht und wozu er den Plan ſchon voͤllig an-
gelegt hatte: er konnte aber weiter nichts aus ihm bringen
als: Ihro Durchlaucht muͤſſen Geduld haben. Bey ſeiner
Zuruͤckkunft begegnete ihm ein alter ungluͤcklicher Mann, den
er vorher in beſſern Umſtaͤnden gekannt hatte, und der ſich
ihm furchtſam naͤherte. Mit einem wohlthaͤtigen Eyfer gab
er ihm in der Geſchwindigkeit alles Geld was er bey ſich hatte,
und das nicht unbetraͤchtlich war, begleitete es aber mit dem
rauhen Segen: Nun geht in Gottes Namen. Zu Hauſe
fand er jetzt ſeine Brille auf der Erde, ſchalt auf die ewigen
Zeitverderber, und vollendete die Arbeit ſeines Fuͤrſten, ob-
gleich die Brille vor dem einen Auge geborſten war. Es ward
indeſſen Abend, und ſeine liebenswuͤrdige Nichte glaubte den
Augenblick zu finden ihn wegen ihrer Heyrath, worinn er
ſchon laͤngſt gewilliget hatte, zu ſprechen. Wie ſie in ſein

Zim-
a) Der Cammergerichtsaſſeſſor von Ludolf bemerkt es irgendwo
in ſeinen Obſervationibus daß alle Damen, ſo am Cam-
mergericht Proceſſe gehabt, dieſen Namen gefuͤhrt.
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[485/0503] Der alte Rath. und meldete ihm eine Dame deren Name nicht viel zur Sache thut, wenn ſie auch Gertrud a) geheiſſen haͤtte. Ich wollte daß das Ungewitter alle Quaͤlerinnen zum Henker fuͤhrte, ſagt ihr ich ſey nicht zu Hauſe, war die Antwort womit er den Be- dienten fortſchickte. Gelaſſen nahm er darauf ſeine Brille wieder auf und machte das Urtheil fertig, warum die Dame bitten wollte, und woran er vorher gearbeitet hatte. Kaum hatte er ſich in ſeinen Lehnſtuhl zuruͤckgelehnt, um eine Arbeit zu uͤberdenken, die ihm ſein Fuͤrſt aufgetragen hatte: ſo kam ein Hoflakay und forderte ihn nach Hofe. Der Fuͤrſt denkt doch, ein ehrlicher Kerl habe nichts zu thun als hin und her zu laufen, murmelte er vor ſich, und eilte mit einem ſolchen Eyfer ſeinem Herrn aufzuwarten, daß er ſeine Brille daruͤber in Stuͤcke warf. Der Fuͤrſt ſprach ihn uͤber die Sache, welche dieſer bereits uͤberdacht und wozu er den Plan ſchon voͤllig an- gelegt hatte: er konnte aber weiter nichts aus ihm bringen als: Ihro Durchlaucht muͤſſen Geduld haben. Bey ſeiner Zuruͤckkunft begegnete ihm ein alter ungluͤcklicher Mann, den er vorher in beſſern Umſtaͤnden gekannt hatte, und der ſich ihm furchtſam naͤherte. Mit einem wohlthaͤtigen Eyfer gab er ihm in der Geſchwindigkeit alles Geld was er bey ſich hatte, und das nicht unbetraͤchtlich war, begleitete es aber mit dem rauhen Segen: Nun geht in Gottes Namen. Zu Hauſe fand er jetzt ſeine Brille auf der Erde, ſchalt auf die ewigen Zeitverderber, und vollendete die Arbeit ſeines Fuͤrſten, ob- gleich die Brille vor dem einen Auge geborſten war. Es ward indeſſen Abend, und ſeine liebenswuͤrdige Nichte glaubte den Augenblick zu finden ihn wegen ihrer Heyrath, worinn er ſchon laͤngſt gewilliget hatte, zu ſprechen. Wie ſie in ſein Zim- a) Der Cammergerichtsaſſeſſor von Ludolf bemerkt es irgendwo in ſeinen Obſervationibus daß alle Damen, ſo am Cam- mergericht Proceſſe gehabt, dieſen Namen gefuͤhrt. H h 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/503>, abgerufen am 22.11.2024.