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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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der alten deutschen Criminaljurisdiction.
sich zehn Exempel von verbrannten Hexen gegen einen Mord,
weil dieser im funfzehnten Jahrhundert hier noch mit Gelde
gelöset, die Hexerey aber gleich der Abgötterey für unablöslich
gehalten wurde, folglich von dem Misso allein bestraft werden
konnte.

Man kan auch Viertens die Scheffelwroge dahin rechnen,
als welche sich oft in Privathänden befindet, so daß auch zwey
Meyer hier im Stifte damit berechtiget seyn.

Man kan leicht gedenken, daß eben die Schicksale, welche
den alten Grafen betroffen haben, auch seinen Hauptmann
Advocatum treffen mußten, ob gleich dieser, da die geringere
Verbrechen sich lange bey der Geldstrafe hielten, sich einige
hundert Jahr länger erhalten hat. Seinen natürlichen Feind
hatte er an dem Untersendgrafen (denn man hat centenam
inferiorem et superiorem
) der sich in seiner Art eben so aus-
dehnte wie der Oberfreygraf. Aus der Verlassenschaft des
ersten kommen einige Holzgrasschaften, nicht alle, denn ver-
schiedene sind aus der bloßen Aufsicht über eine Mark entstan-
den; ferner die Kannenwroge, welche mancher ohne die ge-
ringste Beymischung einer andern Art von Gerichtsbarkeit be-
sitzt, nicht weniger die Bestrafung im Esche, die Erbesbe-
satzung oder die Gutsherrlichkeit und andre fliegende Rechte,
die sich hie und da zerstreuet finden. Man kan auch keinen
rechten Grund angeben, warum einer blutige Wunden bestra-
fen könne, ohne ein Scheltwort bestrafen zu dürfen, wofern
man nicht jene gedoppelte Verlassenschaft voraussetzt Die
mehrsten Advocatien hat der Landesherr an sich gekauft; und
es war eine Zeit, wo er das Näherrecht dazu hatte, als man
dafür hielt, daß die alte Reichsgerichtsbarkeit nicht gethei-
let werden, auch nicht in geringere Hände verfallen dürfte,
damit nicht zuletzt, so wie es zu unsern Zeiten öffentlich ge-

schieht,

der alten deutſchen Criminaljurisdiction.
ſich zehn Exempel von verbrannten Hexen gegen einen Mord,
weil dieſer im funfzehnten Jahrhundert hier noch mit Gelde
geloͤſet, die Hexerey aber gleich der Abgoͤtterey fuͤr unabloͤslich
gehalten wurde, folglich von dem Miſſo allein beſtraft werden
konnte.

Man kan auch Viertens die Scheffelwroge dahin rechnen,
als welche ſich oft in Privathaͤnden befindet, ſo daß auch zwey
Meyer hier im Stifte damit berechtiget ſeyn.

Man kan leicht gedenken, daß eben die Schickſale, welche
den alten Grafen betroffen haben, auch ſeinen Hauptmann
Advocatum treffen mußten, ob gleich dieſer, da die geringere
Verbrechen ſich lange bey der Geldſtrafe hielten, ſich einige
hundert Jahr laͤnger erhalten hat. Seinen natuͤrlichen Feind
hatte er an dem Unterſendgrafen (denn man hat centenam
inferiorem et ſuperiorem
) der ſich in ſeiner Art eben ſo aus-
dehnte wie der Oberfreygraf. Aus der Verlaſſenſchaft des
erſten kommen einige Holzgraſſchaften, nicht alle, denn ver-
ſchiedene ſind aus der bloßen Aufſicht uͤber eine Mark entſtan-
den; ferner die Kannenwroge, welche mancher ohne die ge-
ringſte Beymiſchung einer andern Art von Gerichtsbarkeit be-
ſitzt, nicht weniger die Beſtrafung im Eſche, die Erbesbe-
ſatzung oder die Gutsherrlichkeit und andre fliegende Rechte,
die ſich hie und da zerſtreuet finden. Man kan auch keinen
rechten Grund angeben, warum einer blutige Wunden beſtra-
fen koͤnne, ohne ein Scheltwort beſtrafen zu duͤrfen, wofern
man nicht jene gedoppelte Verlaſſenſchaft vorausſetzt Die
mehrſten Advocatien hat der Landesherr an ſich gekauft; und
es war eine Zeit, wo er das Naͤherrecht dazu hatte, als man
dafuͤr hielt, daß die alte Reichsgerichtsbarkeit nicht gethei-
let werden, auch nicht in geringere Haͤnde verfallen duͤrfte,
damit nicht zuletzt, ſo wie es zu unſern Zeiten oͤffentlich ge-

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[479/0497] der alten deutſchen Criminaljurisdiction. ſich zehn Exempel von verbrannten Hexen gegen einen Mord, weil dieſer im funfzehnten Jahrhundert hier noch mit Gelde geloͤſet, die Hexerey aber gleich der Abgoͤtterey fuͤr unabloͤslich gehalten wurde, folglich von dem Miſſo allein beſtraft werden konnte. Man kan auch Viertens die Scheffelwroge dahin rechnen, als welche ſich oft in Privathaͤnden befindet, ſo daß auch zwey Meyer hier im Stifte damit berechtiget ſeyn. Man kan leicht gedenken, daß eben die Schickſale, welche den alten Grafen betroffen haben, auch ſeinen Hauptmann Advocatum treffen mußten, ob gleich dieſer, da die geringere Verbrechen ſich lange bey der Geldſtrafe hielten, ſich einige hundert Jahr laͤnger erhalten hat. Seinen natuͤrlichen Feind hatte er an dem Unterſendgrafen (denn man hat centenam inferiorem et ſuperiorem) der ſich in ſeiner Art eben ſo aus- dehnte wie der Oberfreygraf. Aus der Verlaſſenſchaft des erſten kommen einige Holzgraſſchaften, nicht alle, denn ver- ſchiedene ſind aus der bloßen Aufſicht uͤber eine Mark entſtan- den; ferner die Kannenwroge, welche mancher ohne die ge- ringſte Beymiſchung einer andern Art von Gerichtsbarkeit be- ſitzt, nicht weniger die Beſtrafung im Eſche, die Erbesbe- ſatzung oder die Gutsherrlichkeit und andre fliegende Rechte, die ſich hie und da zerſtreuet finden. Man kan auch keinen rechten Grund angeben, warum einer blutige Wunden beſtra- fen koͤnne, ohne ein Scheltwort beſtrafen zu duͤrfen, wofern man nicht jene gedoppelte Verlaſſenſchaft vorausſetzt Die mehrſten Advocatien hat der Landesherr an ſich gekauft; und es war eine Zeit, wo er das Naͤherrecht dazu hatte, als man dafuͤr hielt, daß die alte Reichsgerichtsbarkeit nicht gethei- let werden, auch nicht in geringere Haͤnde verfallen duͤrfte, damit nicht zuletzt, ſo wie es zu unſern Zeiten oͤffentlich ge- ſchieht,

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/497>, abgerufen am 22.11.2024.