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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Wie viel braucht man um zu leben?
ohne ein Justitzdepartement kan kein Land bestehen, wie vie-
len Ungerechtigkeiten würden sonst meine armen Unterthanen
nicht ausgesetzt seyn? Das geistliche Departement läßt sich
mit dem weltlichen gar nicht vereinigen; und die Regierungs-
sachen erfordern warlich auch geschickte Männer, damit alles
in der Ordnung und der Friede mit den Nachbaren erhalten
werde. Das Hofdepartement ist in allen Ländern von den
übrigen getrennet; der Stall, die Küche, der Keller, die
Capelle, das Theater, die Jagd, die Hofgebäude, die Gär-
ten, die Lustbarkeiten -- wollen durchaus besondre Leute,
und ein Marschallamt; der geringste Edelmann in meinem
Lande hat ja seinen Secretair, Oberverwalter, Unterverwal-
ter oder Kornschreiber, seinen Haushosmeister, seinen Cam-
merdiener, seinen besondern Braten- Pasteten- und Suppen-
koch, seinen Haushaltungsgegenschreiber, seinen Kutscher,
Postillon und Vorreuter, seine Jäger, Bediente, Läufer, .....
Wie will ich dann mein Ansehn unter diesen behaupten, wenn
ich mich wie mein Großvater mit einem Canzler begnügte,
und die Departements dagegen eingehen ließe?

Dieses ist auch meine Meinung nicht, versetzte der Canzler,
ich habe weiter nichts sagen wollen, als daß ein Fürst wider
die schöne Ordnung und wider das viele simplificiren, wel-
ches sich unter der Dienerschaft immer mehr und mehr aus-
breitet, auf seiner Hut seyn müsse. Eine große Bibliothek
kan und muß nach den Wissenschaften geordnet werden. Man
wählt billig für jede Klasse ein besonders Repositorium, und
in dem Bücherverzeichniß eine besondre Rubrik. Wenn man
aber dieses bey einer kleinen Bibliothek thun will; so kommt
unter jeder Rubrik und in jedes Repositorium oft nur ein
einziges Werk; und es wird auf diese Art viel Papier, viel
Holz und Raum verschwendet. Eben so geht es auch mit
den Departements, mit den vielen besondern Rechnungen,

Etats
E e 2

Wie viel braucht man um zu leben?
ohne ein Juſtitzdepartement kan kein Land beſtehen, wie vie-
len Ungerechtigkeiten wuͤrden ſonſt meine armen Unterthanen
nicht ausgeſetzt ſeyn? Das geiſtliche Departement laͤßt ſich
mit dem weltlichen gar nicht vereinigen; und die Regierungs-
ſachen erfordern warlich auch geſchickte Maͤnner, damit alles
in der Ordnung und der Friede mit den Nachbaren erhalten
werde. Das Hofdepartement iſt in allen Laͤndern von den
uͤbrigen getrennet; der Stall, die Kuͤche, der Keller, die
Capelle, das Theater, die Jagd, die Hofgebaͤude, die Gaͤr-
ten, die Luſtbarkeiten — wollen durchaus beſondre Leute,
und ein Marſchallamt; der geringſte Edelmann in meinem
Lande hat ja ſeinen Secretair, Oberverwalter, Unterverwal-
ter oder Kornſchreiber, ſeinen Haushoſmeiſter, ſeinen Cam-
merdiener, ſeinen beſondern Braten- Paſteten- und Suppen-
koch, ſeinen Haushaltungsgegenſchreiber, ſeinen Kutſcher,
Poſtillon und Vorreuter, ſeine Jaͤger, Bediente, Laͤufer, .....
Wie will ich dann mein Anſehn unter dieſen behaupten, wenn
ich mich wie mein Großvater mit einem Canzler begnuͤgte,
und die Departements dagegen eingehen ließe?

Dieſes iſt auch meine Meinung nicht, verſetzte der Canzler,
ich habe weiter nichts ſagen wollen, als daß ein Fuͤrſt wider
die ſchoͤne Ordnung und wider das viele ſimplificiren, wel-
ches ſich unter der Dienerſchaft immer mehr und mehr aus-
breitet, auf ſeiner Hut ſeyn muͤſſe. Eine große Bibliothek
kan und muß nach den Wiſſenſchaften geordnet werden. Man
waͤhlt billig fuͤr jede Klaſſe ein beſonders Repoſitorium, und
in dem Buͤcherverzeichniß eine beſondre Rubrik. Wenn man
aber dieſes bey einer kleinen Bibliothek thun will; ſo kommt
unter jeder Rubrik und in jedes Repoſitorium oft nur ein
einziges Werk; und es wird auf dieſe Art viel Papier, viel
Holz und Raum verſchwendet. Eben ſo geht es auch mit
den Departements, mit den vielen beſondern Rechnungen,

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[435/0453] Wie viel braucht man um zu leben? ohne ein Juſtitzdepartement kan kein Land beſtehen, wie vie- len Ungerechtigkeiten wuͤrden ſonſt meine armen Unterthanen nicht ausgeſetzt ſeyn? Das geiſtliche Departement laͤßt ſich mit dem weltlichen gar nicht vereinigen; und die Regierungs- ſachen erfordern warlich auch geſchickte Maͤnner, damit alles in der Ordnung und der Friede mit den Nachbaren erhalten werde. Das Hofdepartement iſt in allen Laͤndern von den uͤbrigen getrennet; der Stall, die Kuͤche, der Keller, die Capelle, das Theater, die Jagd, die Hofgebaͤude, die Gaͤr- ten, die Luſtbarkeiten — wollen durchaus beſondre Leute, und ein Marſchallamt; der geringſte Edelmann in meinem Lande hat ja ſeinen Secretair, Oberverwalter, Unterverwal- ter oder Kornſchreiber, ſeinen Haushoſmeiſter, ſeinen Cam- merdiener, ſeinen beſondern Braten- Paſteten- und Suppen- koch, ſeinen Haushaltungsgegenſchreiber, ſeinen Kutſcher, Poſtillon und Vorreuter, ſeine Jaͤger, Bediente, Laͤufer, ..... Wie will ich dann mein Anſehn unter dieſen behaupten, wenn ich mich wie mein Großvater mit einem Canzler begnuͤgte, und die Departements dagegen eingehen ließe? Dieſes iſt auch meine Meinung nicht, verſetzte der Canzler, ich habe weiter nichts ſagen wollen, als daß ein Fuͤrſt wider die ſchoͤne Ordnung und wider das viele ſimplificiren, wel- ches ſich unter der Dienerſchaft immer mehr und mehr aus- breitet, auf ſeiner Hut ſeyn muͤſſe. Eine große Bibliothek kan und muß nach den Wiſſenſchaften geordnet werden. Man waͤhlt billig fuͤr jede Klaſſe ein beſonders Repoſitorium, und in dem Buͤcherverzeichniß eine beſondre Rubrik. Wenn man aber dieſes bey einer kleinen Bibliothek thun will; ſo kommt unter jeder Rubrik und in jedes Repoſitorium oft nur ein einziges Werk; und es wird auf dieſe Art viel Papier, viel Holz und Raum verſchwendet. Eben ſo geht es auch mit den Departements, mit den vielen beſondern Rechnungen, Etats E e 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/453>, abgerufen am 22.11.2024.