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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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die Wege zu bessern als auszuflicken.
tigen Reisen auch selbst da wo man bauete und flickte, diesen
Verstoß nie wahrgenommen.

Konnte nun auch der Herr Verfasser die Regel selbst nicht
ganz weglassen; so deucht es mir doch billiger, wenn das oft
des Verstosses zu einem gar seltenen Fall wäre herunter ge-
setzet worden.

Ich wende mich also zu seiner zwoten Regel.

In einem Lande wo die Finanzen des Landesherrn und der
Unterthanen gleich kümmerlich; welchem kein fremdes Fuhr-
werk kommt und zollet; oder da, wo die Heerstraßen gar keine
oder doch nur solche Dörfer berühren, welche keine Wagen
und Pferde halten, mithin es diesen gleichgültig, ob die Wege
gut oder schlecht, da ist es freylich genug Wege zu flicken ja
mehr als erforderlich. Sollte aber auch die Noth die hier
nach Brodte gehet, wohl anders rathen lassen?

Giebt es aber Länder in unserm allgemeinen Vaterlande,
denn ich halte es meinen Patriotismus viel zu entehrend, als
mit unserm Autor die Unterthanen des ganzen Deutschlandes
das Brodt guten theils an den Heerstraßen erbetteln zu lassen;
giebt es, sage ich, solche Länder, deren Einwohner ihre er-
baueten Früchte verfahren und sonstige Gewerbe vermittelst
der Heerstraßen treiben; so erniedrige ich solche nicht zum Bet-
telstab. Ich preise sie vielmehr glücklich, wenn gründlich er-
bauete Wege ihnen jetzt den Vortheil einer geringern An-
spannung, weniger Zeit zur Reise, weniger Abnutzung des
Geschirrs, die Bequemlichkeit in jeder Jahrszeit zu reisen,
und die Befreyung der Furcht ja Lebensgefahr auf denen
Heerstraßen darbieten, auf welchen sie sonst die Flickarbeit
zittern machte. Und wenn, wie ich so wenig als meine hiesi-
gen Freunde auf unsern Reisen innerhalb Deutschland bemerket

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die Wege zu beſſern als auszuflicken.
tigen Reiſen auch ſelbſt da wo man bauete und flickte, dieſen
Verſtoß nie wahrgenommen.

Konnte nun auch der Herr Verfaſſer die Regel ſelbſt nicht
ganz weglaſſen; ſo deucht es mir doch billiger, wenn das oft
des Verſtoſſes zu einem gar ſeltenen Fall waͤre herunter ge-
ſetzet worden.

Ich wende mich alſo zu ſeiner zwoten Regel.

In einem Lande wo die Finanzen des Landesherrn und der
Unterthanen gleich kuͤmmerlich; welchem kein fremdes Fuhr-
werk kommt und zollet; oder da, wo die Heerſtraßen gar keine
oder doch nur ſolche Doͤrfer beruͤhren, welche keine Wagen
und Pferde halten, mithin es dieſen gleichguͤltig, ob die Wege
gut oder ſchlecht, da iſt es freylich genug Wege zu flicken ja
mehr als erforderlich. Sollte aber auch die Noth die hier
nach Brodte gehet, wohl anders rathen laſſen?

Giebt es aber Laͤnder in unſerm allgemeinen Vaterlande,
denn ich halte es meinen Patriotiſmus viel zu entehrend, als
mit unſerm Autor die Unterthanen des ganzen Deutſchlandes
das Brodt guten theils an den Heerſtraßen erbetteln zu laſſen;
giebt es, ſage ich, ſolche Laͤnder, deren Einwohner ihre er-
baueten Fruͤchte verfahren und ſonſtige Gewerbe vermittelſt
der Heerſtraßen treiben; ſo erniedrige ich ſolche nicht zum Bet-
telſtab. Ich preiſe ſie vielmehr gluͤcklich, wenn gruͤndlich er-
bauete Wege ihnen jetzt den Vortheil einer geringern An-
ſpannung, weniger Zeit zur Reiſe, weniger Abnutzung des
Geſchirrs, die Bequemlichkeit in jeder Jahrszeit zu reiſen,
und die Befreyung der Furcht ja Lebensgefahr auf denen
Heerſtraßen darbieten, auf welchen ſie ſonſt die Flickarbeit
zittern machte. Und wenn, wie ich ſo wenig als meine hieſi-
gen Freunde auf unſern Reiſen innerhalb Deutſchland bemerket

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[423/0441] die Wege zu beſſern als auszuflicken. tigen Reiſen auch ſelbſt da wo man bauete und flickte, dieſen Verſtoß nie wahrgenommen. Konnte nun auch der Herr Verfaſſer die Regel ſelbſt nicht ganz weglaſſen; ſo deucht es mir doch billiger, wenn das oft des Verſtoſſes zu einem gar ſeltenen Fall waͤre herunter ge- ſetzet worden. Ich wende mich alſo zu ſeiner zwoten Regel. In einem Lande wo die Finanzen des Landesherrn und der Unterthanen gleich kuͤmmerlich; welchem kein fremdes Fuhr- werk kommt und zollet; oder da, wo die Heerſtraßen gar keine oder doch nur ſolche Doͤrfer beruͤhren, welche keine Wagen und Pferde halten, mithin es dieſen gleichguͤltig, ob die Wege gut oder ſchlecht, da iſt es freylich genug Wege zu flicken ja mehr als erforderlich. Sollte aber auch die Noth die hier nach Brodte gehet, wohl anders rathen laſſen? Giebt es aber Laͤnder in unſerm allgemeinen Vaterlande, denn ich halte es meinen Patriotiſmus viel zu entehrend, als mit unſerm Autor die Unterthanen des ganzen Deutſchlandes das Brodt guten theils an den Heerſtraßen erbetteln zu laſſen; giebt es, ſage ich, ſolche Laͤnder, deren Einwohner ihre er- baueten Fruͤchte verfahren und ſonſtige Gewerbe vermittelſt der Heerſtraßen treiben; ſo erniedrige ich ſolche nicht zum Bet- telſtab. Ich preiſe ſie vielmehr gluͤcklich, wenn gruͤndlich er- bauete Wege ihnen jetzt den Vortheil einer geringern An- ſpannung, weniger Zeit zur Reiſe, weniger Abnutzung des Geſchirrs, die Bequemlichkeit in jeder Jahrszeit zu reiſen, und die Befreyung der Furcht ja Lebensgefahr auf denen Heerſtraßen darbieten, auf welchen ſie ſonſt die Flickarbeit zittern machte. Und wenn, wie ich ſo wenig als meine hieſi- gen Freunde auf unſern Reiſen innerhalb Deutſchland bemerket zu D d 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/441>, abgerufen am 25.11.2024.