ordentlichen Laufe der Zufälle, von der einen Jahreszeit bis zur andern dauren sollte. Sie rechneten auf Hitze und Frost, als die wohlfeilsten Mittel zur Wegebesserung, und richteten ihre Frachten wohl gar so ein, daß sie solche nicht anders als in der besten Jahreszeit zu- und abführeten. Bey dieser Rechnung fülleten sie die ausgefahrnen Stellen mit dem näch- sten dem besten Sande, auch wohl mit Wasen, Stroh und Quecken, und wenn er von neuem ausgespühlt oder ausge- fahren wurde: so wiederholten sie in der Geschwindigkeit ihre vorige Besserung, und reichten im ganzen Jahre mit der Ar- beit von wenig Tagen zu dem nothwendigsten hin.
Wir neuern hingegen, wir wollen nicht anders als für die Ewigkeit schreiben und arbeiten; wir wollen griechische und römische Werke auf den Dörfern, und prächtige Landstraßen in solchen Gegenden haben, wo sie den damit beschwerten Anwoh- nern nicht weiter dienen. Als um ihr Brodt darauf zu betteln. Wir verachten die Curen der alten Aerzte die immer nur der Natur zu Hülfe kamen, und glauben die heroischen Mittel seyn in jedem Falle die besten. Freylich sind sie die besten, wo Ge- fahr auf dem Verzuge haftet, und wagen nöthig ist; freylich ist ein Pallast besser als eine Strohhütte; aber doch wenn er auf einem Baurenhofe steht, und von demselben in Dach und Fach erhalten werden muß, mag er auch leicht für ein ewiges Denk- mahl der Unbesonnenheit gelten. Und eben das läßt sich von jenen großen Heerstraßen denken, welche durch abgelegne und mit dem Zolle in kein Verhältniß zu bringende Gegen- den angelegt werden. Die Sommer- und Winterhülfe, welche jeder Weg umsonst hat, sollte nicht ganz außer Be- tracht fallen. Wer den Sommer einheitzt, verbraucht mehr Holz, als wer sich blos für Kälte schützt, und derjenige, der Wege macht, welche so wenig von der Hitze als vom Froste ihre natürliche Hülse nehmen, sondern durch ihre eigne An-
lage
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als neu zu machen.
ordentlichen Laufe der Zufaͤlle, von der einen Jahreszeit bis zur andern dauren ſollte. Sie rechneten auf Hitze und Froſt, als die wohlfeilſten Mittel zur Wegebeſſerung, und richteten ihre Frachten wohl gar ſo ein, daß ſie ſolche nicht anders als in der beſten Jahreszeit zu- und abfuͤhreten. Bey dieſer Rechnung fuͤlleten ſie die ausgefahrnen Stellen mit dem naͤch- ſten dem beſten Sande, auch wohl mit Waſen, Stroh und Quecken, und wenn er von neuem ausgeſpuͤhlt oder ausge- fahren wurde: ſo wiederholten ſie in der Geſchwindigkeit ihre vorige Beſſerung, und reichten im ganzen Jahre mit der Ar- beit von wenig Tagen zu dem nothwendigſten hin.
Wir neuern hingegen, wir wollen nicht anders als fuͤr die Ewigkeit ſchreiben und arbeiten; wir wollen griechiſche und roͤmiſche Werke auf den Doͤrfern, und praͤchtige Landſtraßen in ſolchen Gegenden haben, wo ſie den damit beſchwerten Anwoh- nern nicht weiter dienen. Als um ihr Brodt darauf zu betteln. Wir verachten die Curen der alten Aerzte die immer nur der Natur zu Huͤlfe kamen, und glauben die heroiſchen Mittel ſeyn in jedem Falle die beſten. Freylich ſind ſie die beſten, wo Ge- fahr auf dem Verzuge haftet, und wagen noͤthig iſt; freylich iſt ein Pallaſt beſſer als eine Strohhuͤtte; aber doch wenn er auf einem Baurenhofe ſteht, und von demſelben in Dach und Fach erhalten werden muß, mag er auch leicht fuͤr ein ewiges Denk- mahl der Unbeſonnenheit gelten. Und eben das laͤßt ſich von jenen großen Heerſtraßen denken, welche durch abgelegne und mit dem Zolle in kein Verhaͤltniß zu bringende Gegen- den angelegt werden. Die Sommer- und Winterhuͤlfe, welche jeder Weg umſonſt hat, ſollte nicht ganz außer Be- tracht fallen. Wer den Sommer einheitzt, verbraucht mehr Holz, als wer ſich blos fuͤr Kaͤlte ſchuͤtzt, und derjenige, der Wege macht, welche ſo wenig von der Hitze als vom Froſte ihre natuͤrliche Huͤlſe nehmen, ſondern durch ihre eigne An-
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als neu zu machen.
ordentlichen Laufe der Zufaͤlle, von der einen Jahreszeit bis
zur andern dauren ſollte. Sie rechneten auf Hitze und Froſt,
als die wohlfeilſten Mittel zur Wegebeſſerung, und richteten
ihre Frachten wohl gar ſo ein, daß ſie ſolche nicht anders als
in der beſten Jahreszeit zu- und abfuͤhreten. Bey dieſer
Rechnung fuͤlleten ſie die ausgefahrnen Stellen mit dem naͤch-
ſten dem beſten Sande, auch wohl mit Waſen, Stroh und
Quecken, und wenn er von neuem ausgeſpuͤhlt oder ausge-
fahren wurde: ſo wiederholten ſie in der Geſchwindigkeit ihre
vorige Beſſerung, und reichten im ganzen Jahre mit der Ar-
beit von wenig Tagen zu dem nothwendigſten hin.
Wir neuern hingegen, wir wollen nicht anders als fuͤr die
Ewigkeit ſchreiben und arbeiten; wir wollen griechiſche und
roͤmiſche Werke auf den Doͤrfern, und praͤchtige Landſtraßen
in ſolchen Gegenden haben, wo ſie den damit beſchwerten Anwoh-
nern nicht weiter dienen. Als um ihr Brodt darauf zu betteln.
Wir verachten die Curen der alten Aerzte die immer nur der
Natur zu Huͤlfe kamen, und glauben die heroiſchen Mittel ſeyn
in jedem Falle die beſten. Freylich ſind ſie die beſten, wo Ge-
fahr auf dem Verzuge haftet, und wagen noͤthig iſt; freylich
iſt ein Pallaſt beſſer als eine Strohhuͤtte; aber doch wenn er
auf einem Baurenhofe ſteht, und von demſelben in Dach und Fach
erhalten werden muß, mag er auch leicht fuͤr ein ewiges Denk-
mahl der Unbeſonnenheit gelten. Und eben das laͤßt ſich von
jenen großen Heerſtraßen denken, welche durch abgelegne
und mit dem Zolle in kein Verhaͤltniß zu bringende Gegen-
den angelegt werden. Die Sommer- und Winterhuͤlfe,
welche jeder Weg umſonſt hat, ſollte nicht ganz außer Be-
tracht fallen. Wer den Sommer einheitzt, verbraucht mehr
Holz, als wer ſich blos fuͤr Kaͤlte ſchuͤtzt, und derjenige, der
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/437>, abgerufen am 16.02.2025.
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