Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Das Pro und Contra der Wochenmärkte. die Gott werden läßt, zur Stadt laufen, und keine andreSeligkeit kennen, als dort die Zeit zu verlaufen. Die Haus- haltung entbehret ihren Fleiß, das Gesinde mit den Kindern ihre Aufsicht, und das Haus ist leer von allem was eine recht- schaffene Hausmutter für sich haben muß. Den Morgen verplaudern sie unter Wegens oder auf dem Markte, und den Nachmittag sitzen sie in den Schlupfwinkeln vor den Stadt- thoren und lernen Koffee, Thee, Muscatwein und der Him- mel weis wie viel mehr süße Näschereyen kosten. Ein Theil des gelöseten Geldes ist schon für Bändgen und Blümgen in der Stadt versplittert, und hier wird ein guter Theil des Ueberrestes vernaschet, der Mann aber des Abends mit Lügen, wie schlecht der Preis gewesen, und wie man die Waare halb umsonst habe hingeben müssen, berichtet. Von kleinen Be- trügereyen gehn sie bald zu größern über, und zuletzt entziehn sie der Haushaltung alles was nur verkäuflich ist, um ihre Eitelkeit und Gewohnheit zu befriedigen. Dasjenige Mäd- gen, das zu Hause keine Anführung hat, läuft mit, so bald es laufen kan, und gleicht bald einer schlechten Currentmünze, die einmahl glänzt dann roth wird, und zuletzt für den schlech- ten innern Werth verschmolzen wird. Sie läuft von Haus zu Haus, von Hand zu Hand, verkauft und wird verkauft, und verliert ihre Unschuld ohne derselben froh zu werden. Die mitschuldige Mutter unterrichtet sie in der Frechheit, und diese Brut ist es, welche dem Staate einst Mütter und Wirthinnen liefern soll. Vielleicht sind unter Hunderten fünfe, die so viel Früchte zu Markte bringen, daß es die Reise und der Zeit verlohnt; die Menge der übrigen aber, welche Butter, Eyer, Milch, Obst, Kienholz und dergl. bringt, hat für alle seine Mühe und Versäumniß täglich nicht zween Groschen reinen Gewinnstes; und um diesen Preis sollten sich die Landleute auf zwey Meilen, der bürgerlichen Bequem- lich- B b 2
Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte. die Gott werden laͤßt, zur Stadt laufen, und keine andreSeligkeit kennen, als dort die Zeit zu verlaufen. Die Haus- haltung entbehret ihren Fleiß, das Geſinde mit den Kindern ihre Aufſicht, und das Haus iſt leer von allem was eine recht- ſchaffene Hausmutter fuͤr ſich haben muß. Den Morgen verplaudern ſie unter Wegens oder auf dem Markte, und den Nachmittag ſitzen ſie in den Schlupfwinkeln vor den Stadt- thoren und lernen Koffee, Thee, Muscatwein und der Him- mel weis wie viel mehr ſuͤße Naͤſchereyen koſten. Ein Theil des geloͤſeten Geldes iſt ſchon fuͤr Baͤndgen und Bluͤmgen in der Stadt verſplittert, und hier wird ein guter Theil des Ueberreſtes vernaſchet, der Mann aber des Abends mit Luͤgen, wie ſchlecht der Preis geweſen, und wie man die Waare halb umſonſt habe hingeben muͤſſen, berichtet. Von kleinen Be- truͤgereyen gehn ſie bald zu groͤßern uͤber, und zuletzt entziehn ſie der Haushaltung alles was nur verkaͤuflich iſt, um ihre Eitelkeit und Gewohnheit zu befriedigen. Dasjenige Maͤd- gen, das zu Hauſe keine Anfuͤhrung hat, laͤuft mit, ſo bald es laufen kan, und gleicht bald einer ſchlechten Currentmuͤnze, die einmahl glaͤnzt dann roth wird, und zuletzt fuͤr den ſchlech- ten innern Werth verſchmolzen wird. Sie laͤuft von Haus zu Haus, von Hand zu Hand, verkauft und wird verkauft, und verliert ihre Unſchuld ohne derſelben froh zu werden. Die mitſchuldige Mutter unterrichtet ſie in der Frechheit, und dieſe Brut iſt es, welche dem Staate einſt Muͤtter und Wirthinnen liefern ſoll. Vielleicht ſind unter Hunderten fuͤnfe, die ſo viel Fruͤchte zu Markte bringen, daß es die Reiſe und der Zeit verlohnt; die Menge der uͤbrigen aber, welche Butter, Eyer, Milch, Obſt, Kienholz und dergl. bringt, hat fuͤr alle ſeine Muͤhe und Verſaͤumniß taͤglich nicht zween Groſchen reinen Gewinnſtes; und um dieſen Preis ſollten ſich die Landleute auf zwey Meilen, der buͤrgerlichen Bequem- lich- B b 2
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Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte.
die Gott werden laͤßt, zur Stadt laufen, und keine andre
Seligkeit kennen, als dort die Zeit zu verlaufen. Die Haus-
haltung entbehret ihren Fleiß, das Geſinde mit den Kindern
ihre Aufſicht, und das Haus iſt leer von allem was eine recht-
ſchaffene Hausmutter fuͤr ſich haben muß. Den Morgen
verplaudern ſie unter Wegens oder auf dem Markte, und den
Nachmittag ſitzen ſie in den Schlupfwinkeln vor den Stadt-
thoren und lernen Koffee, Thee, Muscatwein und der Him-
mel weis wie viel mehr ſuͤße Naͤſchereyen koſten. Ein Theil
des geloͤſeten Geldes iſt ſchon fuͤr Baͤndgen und Bluͤmgen in
der Stadt verſplittert, und hier wird ein guter Theil des
Ueberreſtes vernaſchet, der Mann aber des Abends mit Luͤgen,
wie ſchlecht der Preis geweſen, und wie man die Waare halb
umſonſt habe hingeben muͤſſen, berichtet. Von kleinen Be-
truͤgereyen gehn ſie bald zu groͤßern uͤber, und zuletzt entziehn
ſie der Haushaltung alles was nur verkaͤuflich iſt, um ihre
Eitelkeit und Gewohnheit zu befriedigen. Dasjenige Maͤd-
gen, das zu Hauſe keine Anfuͤhrung hat, laͤuft mit, ſo bald
es laufen kan, und gleicht bald einer ſchlechten Currentmuͤnze,
die einmahl glaͤnzt dann roth wird, und zuletzt fuͤr den ſchlech-
ten innern Werth verſchmolzen wird. Sie laͤuft von Haus
zu Haus, von Hand zu Hand, verkauft und wird verkauft,
und verliert ihre Unſchuld ohne derſelben froh zu werden.
Die mitſchuldige Mutter unterrichtet ſie in der Frechheit,
und dieſe Brut iſt es, welche dem Staate einſt Muͤtter und
Wirthinnen liefern ſoll. Vielleicht ſind unter Hunderten
fuͤnfe, die ſo viel Fruͤchte zu Markte bringen, daß es die Reiſe
und der Zeit verlohnt; die Menge der uͤbrigen aber, welche
Butter, Eyer, Milch, Obſt, Kienholz und dergl. bringt,
hat fuͤr alle ſeine Muͤhe und Verſaͤumniß taͤglich nicht zween
Groſchen reinen Gewinnſtes; und um dieſen Preis ſollten ſich
die Landleute auf zwey Meilen, der buͤrgerlichen Bequem-
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