Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Pro und Contra der Wochenmärkte.
tenbau vorzüglich heben, dem Landmanne sein tägliches baares
Geld und dem Bürger die glückliche Bequemlichkeit verschaf-
fen, sein Handwerk ungestört fortsetzen zu können; sie mögen
endlich die glücklichste Art des Zwischenhandels unter dem
Landmanne und Bürger seyn; ich will dieses alles von ganzen
Herzen einräumen: auch Ihre hohe Begeisterung, womit
Sie mir die auf ihrem Wochenmarkte hervorstrahlenden Me-
lonen, die im stillen Vertrauen auf ihr Verdienst und auf den
Beyfall der Kenner, minder glänzenden Pfirschen, die voll-
gewachsenen und mit ihren goldnen Kernen spielenden Trau-
ben, die fleischigten und noch unberührten Pflaumen, die
reifen und sich freywillig öfnenden Feigen und andre Reizun-
gen geschildert haben, soll bey mir nicht verlohren seyn; ich
will Ihnen mit der lebhaftesten und dankbarsten Empfindung
zugestehn, daß die Figuren auf ihrem so fleißig ausgearbeite-
ten Küchenstücke, ein duftendes Kolorit, ein markigtes Fleisch,
einen schwellenden Umriß und die glücklichste Anordnung
haben; die Hand des Griechischen Mädgens, welches die
Erstigkeiten seines Gartens aus seinem schönen geflochtenen
Körbgen darbietet, soll so schön seyn, wie sie Guido Reni
immermehr hätte mahlen können, und die hochgeschürzte
Bäurin, welche ihre Krautköpfe im Hintergrunde feil hietet,
dem flandrischen Raphael Ehre machen können ....

Aber .... nun was für ein Aber? werden Sie vielleicht
fragen -- aber dabey keine Satyre auf uns arme Landstäd-
ter, welche diesen großen und gerechten Vorzug der Haupt-
städte entbehren müssen; oder ich fahre auf in meiner erhöhe-
ten Empfindung und mahle Ihnen mit eben so setter Farbe,
obgleich mit einem härtern Pinsel ein Stück daneben, was
Sie auf eine nicht so sanfte Art rühren soll. Mit Schrecken
sehe ich es an, wie die Weiber ihrer guten Landleute alle Tage

die

Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte.
tenbau vorzuͤglich heben, dem Landmanne ſein taͤgliches baares
Geld und dem Buͤrger die gluͤckliche Bequemlichkeit verſchaf-
fen, ſein Handwerk ungeſtoͤrt fortſetzen zu koͤnnen; ſie moͤgen
endlich die gluͤcklichſte Art des Zwiſchenhandels unter dem
Landmanne und Buͤrger ſeyn; ich will dieſes alles von ganzen
Herzen einraͤumen: auch Ihre hohe Begeiſterung, womit
Sie mir die auf ihrem Wochenmarkte hervorſtrahlenden Me-
lonen, die im ſtillen Vertrauen auf ihr Verdienſt und auf den
Beyfall der Kenner, minder glaͤnzenden Pfirſchen, die voll-
gewachſenen und mit ihren goldnen Kernen ſpielenden Trau-
ben, die fleiſchigten und noch unberuͤhrten Pflaumen, die
reifen und ſich freywillig oͤfnenden Feigen und andre Reizun-
gen geſchildert haben, ſoll bey mir nicht verlohren ſeyn; ich
will Ihnen mit der lebhafteſten und dankbarſten Empfindung
zugeſtehn, daß die Figuren auf ihrem ſo fleißig ausgearbeite-
ten Kuͤchenſtuͤcke, ein duftendes Kolorit, ein markigtes Fleiſch,
einen ſchwellenden Umriß und die gluͤcklichſte Anordnung
haben; die Hand des Griechiſchen Maͤdgens, welches die
Erſtigkeiten ſeines Gartens aus ſeinem ſchoͤnen geflochtenen
Koͤrbgen darbietet, ſoll ſo ſchoͤn ſeyn, wie ſie Guido Reni
immermehr haͤtte mahlen koͤnnen, und die hochgeſchuͤrzte
Baͤurin, welche ihre Krautkoͤpfe im Hintergrunde feil hietet,
dem flandriſchen Raphael Ehre machen koͤnnen ....

Aber .... nun was fuͤr ein Aber? werden Sie vielleicht
fragen — aber dabey keine Satyre auf uns arme Landſtaͤd-
ter, welche dieſen großen und gerechten Vorzug der Haupt-
ſtaͤdte entbehren muͤſſen; oder ich fahre auf in meiner erhoͤhe-
ten Empfindung und mahle Ihnen mit eben ſo ſetter Farbe,
obgleich mit einem haͤrtern Pinſel ein Stuͤck daneben, was
Sie auf eine nicht ſo ſanfte Art ruͤhren ſoll. Mit Schrecken
ſehe ich es an, wie die Weiber ihrer guten Landleute alle Tage

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0404" n="386"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">Pro</hi> und <hi rendition="#aq">Contra</hi> der Wochenma&#x0364;rkte.</hi></fw><lb/>
tenbau vorzu&#x0364;glich heben, dem Landmanne &#x017F;ein ta&#x0364;gliches baares<lb/>
Geld und dem Bu&#x0364;rger die glu&#x0364;ckliche Bequemlichkeit ver&#x017F;chaf-<lb/>
fen, &#x017F;ein Handwerk unge&#x017F;to&#x0364;rt fort&#x017F;etzen zu ko&#x0364;nnen; &#x017F;ie mo&#x0364;gen<lb/>
endlich die glu&#x0364;cklich&#x017F;te Art des Zwi&#x017F;chenhandels unter dem<lb/>
Landmanne und Bu&#x0364;rger &#x017F;eyn; ich will die&#x017F;es alles von ganzen<lb/>
Herzen einra&#x0364;umen: auch Ihre hohe Begei&#x017F;terung, womit<lb/>
Sie mir die auf ihrem Wochenmarkte hervor&#x017F;trahlenden Me-<lb/>
lonen, die im &#x017F;tillen Vertrauen auf ihr Verdien&#x017F;t und auf den<lb/>
Beyfall der Kenner, minder gla&#x0364;nzenden Pfir&#x017F;chen, die voll-<lb/>
gewach&#x017F;enen und mit ihren goldnen Kernen &#x017F;pielenden Trau-<lb/>
ben, die flei&#x017F;chigten und noch unberu&#x0364;hrten Pflaumen, die<lb/>
reifen und &#x017F;ich freywillig o&#x0364;fnenden Feigen und andre Reizun-<lb/>
gen ge&#x017F;childert haben, &#x017F;oll bey mir nicht verlohren &#x017F;eyn; ich<lb/>
will Ihnen mit der lebhafte&#x017F;ten und dankbar&#x017F;ten Empfindung<lb/>
zuge&#x017F;tehn, daß die Figuren auf ihrem &#x017F;o fleißig ausgearbeite-<lb/>
ten Ku&#x0364;chen&#x017F;tu&#x0364;cke, ein duftendes Kolorit, ein markigtes Flei&#x017F;ch,<lb/>
einen &#x017F;chwellenden Umriß und die glu&#x0364;cklich&#x017F;te Anordnung<lb/>
haben; die Hand des Griechi&#x017F;chen Ma&#x0364;dgens, welches die<lb/>
Er&#x017F;tigkeiten &#x017F;eines Gartens aus &#x017F;einem &#x017F;cho&#x0364;nen geflochtenen<lb/>
Ko&#x0364;rbgen darbietet, &#x017F;oll &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;eyn, wie &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Guido Reni</hi><lb/>
immermehr ha&#x0364;tte mahlen ko&#x0364;nnen, und die hochge&#x017F;chu&#x0364;rzte<lb/>
Ba&#x0364;urin, welche ihre Krautko&#x0364;pfe im Hintergrunde feil hietet,<lb/>
dem flandri&#x017F;chen Raphael Ehre machen ko&#x0364;nnen ....</p><lb/>
        <p>Aber .... nun was fu&#x0364;r ein <hi rendition="#fr">Aber?</hi> werden Sie vielleicht<lb/>
fragen &#x2014; aber dabey keine Satyre auf uns arme Land&#x017F;ta&#x0364;d-<lb/>
ter, welche die&#x017F;en großen und gerechten Vorzug der Haupt-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;dte entbehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; oder ich fahre auf in meiner erho&#x0364;he-<lb/>
ten Empfindung und mahle Ihnen mit eben &#x017F;o &#x017F;etter Farbe,<lb/>
obgleich mit einem ha&#x0364;rtern Pin&#x017F;el ein Stu&#x0364;ck daneben, was<lb/>
Sie auf eine nicht &#x017F;o &#x017F;anfte Art ru&#x0364;hren &#x017F;oll. Mit Schrecken<lb/>
&#x017F;ehe ich es an, wie die Weiber ihrer guten Landleute alle Tage<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0404] Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte. tenbau vorzuͤglich heben, dem Landmanne ſein taͤgliches baares Geld und dem Buͤrger die gluͤckliche Bequemlichkeit verſchaf- fen, ſein Handwerk ungeſtoͤrt fortſetzen zu koͤnnen; ſie moͤgen endlich die gluͤcklichſte Art des Zwiſchenhandels unter dem Landmanne und Buͤrger ſeyn; ich will dieſes alles von ganzen Herzen einraͤumen: auch Ihre hohe Begeiſterung, womit Sie mir die auf ihrem Wochenmarkte hervorſtrahlenden Me- lonen, die im ſtillen Vertrauen auf ihr Verdienſt und auf den Beyfall der Kenner, minder glaͤnzenden Pfirſchen, die voll- gewachſenen und mit ihren goldnen Kernen ſpielenden Trau- ben, die fleiſchigten und noch unberuͤhrten Pflaumen, die reifen und ſich freywillig oͤfnenden Feigen und andre Reizun- gen geſchildert haben, ſoll bey mir nicht verlohren ſeyn; ich will Ihnen mit der lebhafteſten und dankbarſten Empfindung zugeſtehn, daß die Figuren auf ihrem ſo fleißig ausgearbeite- ten Kuͤchenſtuͤcke, ein duftendes Kolorit, ein markigtes Fleiſch, einen ſchwellenden Umriß und die gluͤcklichſte Anordnung haben; die Hand des Griechiſchen Maͤdgens, welches die Erſtigkeiten ſeines Gartens aus ſeinem ſchoͤnen geflochtenen Koͤrbgen darbietet, ſoll ſo ſchoͤn ſeyn, wie ſie Guido Reni immermehr haͤtte mahlen koͤnnen, und die hochgeſchuͤrzte Baͤurin, welche ihre Krautkoͤpfe im Hintergrunde feil hietet, dem flandriſchen Raphael Ehre machen koͤnnen .... Aber .... nun was fuͤr ein Aber? werden Sie vielleicht fragen — aber dabey keine Satyre auf uns arme Landſtaͤd- ter, welche dieſen großen und gerechten Vorzug der Haupt- ſtaͤdte entbehren muͤſſen; oder ich fahre auf in meiner erhoͤhe- ten Empfindung und mahle Ihnen mit eben ſo ſetter Farbe, obgleich mit einem haͤrtern Pinſel ein Stuͤck daneben, was Sie auf eine nicht ſo ſanfte Art ruͤhren ſoll. Mit Schrecken ſehe ich es an, wie die Weiber ihrer guten Landleute alle Tage die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/404
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/404>, abgerufen am 22.11.2024.