so wie sie ausgesuchte Leute zu gebrauchen wissen, war noth- wendig damit verknüpft, und man findet in verschiedenen Ueberbleib seln des Witzes aus jenen Orden, eine solche Ga- lanterie der Narrheit, daß ich nach einem einzigen anstößigen oder auch nur einigermaßen zweydeutigen Ausdruck von ge- wisser Art, vergeblich gesuchet habe. So groß war das Stu- dium oder die Cultur der Thorheit, und mit solcher Wahl wurden die guten Gecke (Foux du bon ton) zusammen gebracht.
Wie vieles würde jetzt mancher großer Herr darum geben, sich an den Abende eines mit Sorgen und Arbeit zugebrachten Tages eine solche herzliche Freude verschaffen und sein Ge- müth auf den andern Tag erheitern zu können? Was würde er darum schuldig seyn alle seine nnterthänigsten Diener, welche ihn in tiefster Erniedrigung zum Henker wünschen, nur dann und wann als Freunde, als lustige und vergnügte Brüder zu sehn, die ihm unter dem Ordenszeichen des Gecken, ihr Herz eröfnen und dasjenige sagen dürften, was in einer steifen und lahmen Stellung ihnen nie so recht gesagt werden kan? Wann man zu unsrer Zeit bey Excellenzien und Gnaden ist, weis man es selten, ob es erlaubt sey, einen Pfeil zu schiessen; und wenn man es ja einmahl wagt; so trift er selten, weil er mit furchtsamer Faust abgedruckt wird. Man bringt die Zeit bey Tische wie im Staatscabinette zu, und redet mit der Vorsicht eines Gesandten. Wie glücklich waren dagegen jene klugen Gecken, die ihren Orden aushangen, und dann in dem Cha- rakter ihrer Rolle mit allen Durchlauchtigsten und Hochgebohr- nen Brüdern eine stumpfe Lanze brechen konnten.
In den neuern Zeiten hat man kein ander Exempel von ei- nem solchen Orden, als demjenigen, welchen der verstorbene Chursürst von Cölln Joseph Clemens, wo ich nicht irre, un-
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wieder erneuern.
ſo wie ſie ausgeſuchte Leute zu gebrauchen wiſſen, war noth- wendig damit verknuͤpft, und man findet in verſchiedenen Ueberbleib ſeln des Witzes aus jenen Orden, eine ſolche Ga- lanterie der Narrheit, daß ich nach einem einzigen anſtoͤßigen oder auch nur einigermaßen zweydeutigen Ausdruck von ge- wiſſer Art, vergeblich geſuchet habe. So groß war das Stu- dium oder die Cultur der Thorheit, und mit ſolcher Wahl wurden die guten Gecke (Foux du bon ton) zuſammen gebracht.
Wie vieles wuͤrde jetzt mancher großer Herr darum geben, ſich an den Abende eines mit Sorgen und Arbeit zugebrachten Tages eine ſolche herzliche Freude verſchaffen und ſein Ge- muͤth auf den andern Tag erheitern zu koͤnnen? Was wuͤrde er darum ſchuldig ſeyn alle ſeine nnterthaͤnigſten Diener, welche ihn in tiefſter Erniedrigung zum Henker wuͤnſchen, nur dann und wann als Freunde, als luſtige und vergnuͤgte Bruͤder zu ſehn, die ihm unter dem Ordenszeichen des Gecken, ihr Herz eroͤfnen und dasjenige ſagen duͤrften, was in einer ſteifen und lahmen Stellung ihnen nie ſo recht geſagt werden kan? Wann man zu unſrer Zeit bey Excellenzien und Gnaden iſt, weis man es ſelten, ob es erlaubt ſey, einen Pfeil zu ſchieſſen; und wenn man es ja einmahl wagt; ſo trift er ſelten, weil er mit furchtſamer Fauſt abgedruckt wird. Man bringt die Zeit bey Tiſche wie im Staatscabinette zu, und redet mit der Vorſicht eines Geſandten. Wie gluͤcklich waren dagegen jene klugen Gecken, die ihren Orden aushangen, und dann in dem Cha- rakter ihrer Rolle mit allen Durchlauchtigſten und Hochgebohr- nen Bruͤdern eine ſtumpfe Lanze brechen konnten.
In den neuern Zeiten hat man kein ander Exempel von ei- nem ſolchen Orden, als demjenigen, welchen der verſtorbene Churſuͤrſt von Coͤlln Joſeph Clemens, wo ich nicht irre, un-
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ſo wie ſie ausgeſuchte Leute zu gebrauchen wiſſen, war noth-
wendig damit verknuͤpft, und man findet in verſchiedenen
Ueberbleib ſeln des Witzes aus jenen Orden, eine ſolche Ga-
lanterie der Narrheit, daß ich nach einem einzigen anſtoͤßigen
oder auch nur einigermaßen zweydeutigen Ausdruck von ge-
wiſſer Art, vergeblich geſuchet habe. So groß war das Stu-
dium oder die Cultur der Thorheit, und mit ſolcher Wahl
wurden die guten Gecke (Foux du bon ton) zuſammen
gebracht.
Wie vieles wuͤrde jetzt mancher großer Herr darum geben,
ſich an den Abende eines mit Sorgen und Arbeit zugebrachten
Tages eine ſolche herzliche Freude verſchaffen und ſein Ge-
muͤth auf den andern Tag erheitern zu koͤnnen? Was wuͤrde
er darum ſchuldig ſeyn alle ſeine nnterthaͤnigſten Diener, welche
ihn in tiefſter Erniedrigung zum Henker wuͤnſchen, nur dann
und wann als Freunde, als luſtige und vergnuͤgte Bruͤder zu
ſehn, die ihm unter dem Ordenszeichen des Gecken, ihr Herz
eroͤfnen und dasjenige ſagen duͤrften, was in einer ſteifen und
lahmen Stellung ihnen nie ſo recht geſagt werden kan? Wann
man zu unſrer Zeit bey Excellenzien und Gnaden iſt, weis man
es ſelten, ob es erlaubt ſey, einen Pfeil zu ſchieſſen; und
wenn man es ja einmahl wagt; ſo trift er ſelten, weil er mit
furchtſamer Fauſt abgedruckt wird. Man bringt die Zeit bey
Tiſche wie im Staatscabinette zu, und redet mit der Vorſicht
eines Geſandten. Wie gluͤcklich waren dagegen jene klugen
Gecken, die ihren Orden aushangen, und dann in dem Cha-
rakter ihrer Rolle mit allen Durchlauchtigſten und Hochgebohr-
nen Bruͤdern eine ſtumpfe Lanze brechen konnten.
In den neuern Zeiten hat man kein ander Exempel von ei-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/393>, abgerufen am 23.11.2024.
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