denken, in anhaltenden Vorstellungen und treuer Liebe im hohen Stil ihre Feyerabende zugebracht hätten. Allein man mag ihnen ihr Trinken, ihre Verschwörungen und ihre Aben- theuer noch so hoch anrechnen: so bleibt es doch noch immer ein Räthsel, wie sie ohne Kartenspiel, ohne die jetzt so sehr zur Mode gewordene Lectüre, ohne Schauspiel und ohne Zei- tungen, die eine Zeit wie die andre so vergnügt hinbringen können?
Die Antwort welche man insgemein hierauf höret, daß sie sich mehr mit dem Haushalt abgegeben hätten, auch erfind- samer an schlauen Streichen, kühner in satyrischen Bildern, kräftiger im Scherzen, reicher an kurzweiligen Erzählungen, und überhaupt gesunder und hungriger zur Freude gewesen wären, löset den Knoten nicht; die Arbeit reicht nicht immer zu; das Vademecum wird erschöpft; die Laune schläft ein, wie meine Leser vom Handwerke, welche eine Gesellschaft da- mit zu unterhalten versuchen, selbst gestehen werden; und dreyhundert fünf und sechzig Tage, worunter hundert Feyer- tage waren, welche unsre Vorfahren bey ihrer mehrern Arbeit mit muntern Scherzen und lachenden Freuden ohne Karten- spiel, ohne Lectüre, ohne Zeitungen und ohne Schauspiele zugebracht haben, zeigen einen solchen ungeheuren Raum von Zeit, daß obige Mittel, so blos genommen, nicht hingereicht haben können, solchen auf eine angenehme Art auszufüllen. Und dann ist wiederum noch die Frage, woher unsre Vorfah- ren so gesund, so hungrig, so aufgelegt zur Freude gewesen, und worin die große Kunst bestanden, mit deren Hülfe sie die Langeweile aus ihren Gesellschaften verbannet haben? Die Geschichte, welche die Handlungen eines Jahrhunderts in eine halbstündige Erzählung zusammen drängt, und die ganze Welt als immer geschäftig darstellet, täuscht den Kenner hier nicht; die heroischen Tugenden waren so wenig wie die tändelnden
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wieder erneuern.
denken, in anhaltenden Vorſtellungen und treuer Liebe im hohen Stil ihre Feyerabende zugebracht haͤtten. Allein man mag ihnen ihr Trinken, ihre Verſchwoͤrungen und ihre Aben- theuer noch ſo hoch anrechnen: ſo bleibt es doch noch immer ein Raͤthſel, wie ſie ohne Kartenſpiel, ohne die jetzt ſo ſehr zur Mode gewordene Lectuͤre, ohne Schauſpiel und ohne Zei- tungen, die eine Zeit wie die andre ſo vergnuͤgt hinbringen koͤnnen?
Die Antwort welche man insgemein hierauf hoͤret, daß ſie ſich mehr mit dem Haushalt abgegeben haͤtten, auch erfind- ſamer an ſchlauen Streichen, kuͤhner in ſatyriſchen Bildern, kraͤftiger im Scherzen, reicher an kurzweiligen Erzaͤhlungen, und uͤberhaupt geſunder und hungriger zur Freude geweſen waͤren, loͤſet den Knoten nicht; die Arbeit reicht nicht immer zu; das Vademecum wird erſchoͤpft; die Laune ſchlaͤft ein, wie meine Leſer vom Handwerke, welche eine Geſellſchaft da- mit zu unterhalten verſuchen, ſelbſt geſtehen werden; und dreyhundert fuͤnf und ſechzig Tage, worunter hundert Feyer- tage waren, welche unſre Vorfahren bey ihrer mehrern Arbeit mit muntern Scherzen und lachenden Freuden ohne Karten- ſpiel, ohne Lectuͤre, ohne Zeitungen und ohne Schauſpiele zugebracht haben, zeigen einen ſolchen ungeheuren Raum von Zeit, daß obige Mittel, ſo blos genommen, nicht hingereicht haben koͤnnen, ſolchen auf eine angenehme Art auszufuͤllen. Und dann iſt wiederum noch die Frage, woher unſre Vorfah- ren ſo geſund, ſo hungrig, ſo aufgelegt zur Freude geweſen, und worin die große Kunſt beſtanden, mit deren Huͤlfe ſie die Langeweile aus ihren Geſellſchaften verbannet haben? Die Geſchichte, welche die Handlungen eines Jahrhunderts in eine halbſtuͤndige Erzaͤhlung zuſammen draͤngt, und die ganze Welt als immer geſchaͤftig darſtellet, taͤuſcht den Kenner hier nicht; die heroiſchen Tugenden waren ſo wenig wie die taͤndelnden
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denken, in anhaltenden Vorſtellungen und treuer Liebe im
hohen Stil ihre Feyerabende zugebracht haͤtten. Allein man
mag ihnen ihr Trinken, ihre Verſchwoͤrungen und ihre Aben-
theuer noch ſo hoch anrechnen: ſo bleibt es doch noch immer
ein Raͤthſel, wie ſie ohne Kartenſpiel, ohne die jetzt ſo ſehr
zur Mode gewordene Lectuͤre, ohne Schauſpiel und ohne Zei-
tungen, die eine Zeit wie die andre ſo vergnuͤgt hinbringen
koͤnnen?
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ſich mehr mit dem Haushalt abgegeben haͤtten, auch erfind-
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und uͤberhaupt geſunder und hungriger zur Freude geweſen
waͤren, loͤſet den Knoten nicht; die Arbeit reicht nicht immer
zu; das Vademecum wird erſchoͤpft; die Laune ſchlaͤft ein,
wie meine Leſer vom Handwerke, welche eine Geſellſchaft da-
mit zu unterhalten verſuchen, ſelbſt geſtehen werden; und
dreyhundert fuͤnf und ſechzig Tage, worunter hundert Feyer-
tage waren, welche unſre Vorfahren bey ihrer mehrern Arbeit
mit muntern Scherzen und lachenden Freuden ohne Karten-
ſpiel, ohne Lectuͤre, ohne Zeitungen und ohne Schauſpiele
zugebracht haben, zeigen einen ſolchen ungeheuren Raum von
Zeit, daß obige Mittel, ſo blos genommen, nicht hingereicht
haben koͤnnen, ſolchen auf eine angenehme Art auszufuͤllen.
Und dann iſt wiederum noch die Frage, woher unſre Vorfah-
ren ſo geſund, ſo hungrig, ſo aufgelegt zur Freude geweſen,
und worin die große Kunſt beſtanden, mit deren Huͤlfe ſie die
Langeweile aus ihren Geſellſchaften verbannet haben? Die
Geſchichte, welche die Handlungen eines Jahrhunderts in eine
halbſtuͤndige Erzaͤhlung zuſammen draͤngt, und die ganze Welt
als immer geſchaͤftig darſtellet, taͤuſcht den Kenner hier nicht;
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/391>, abgerufen am 27.11.2024.
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