Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die mehrsten machen sich lächerlich
um dieses zu verhindern. Niemand aber ist gern beständig
in einer Staatskleidung, und noch weniger in einer Staats-
laune. Drittens würden wir gegen einen solchen Moidor
nicht gerne unsre Scheidemünze auskramen, und also in un-
sern eigenen Augen alberne Geschöpfe bleiben. Diß ist nun
ein pro primo, pro secundo und pro tertio. Mehrere Ur-
sachen darf ein Pedant nicht haben.

Noch gefährlicher aber ist es, und dieses ist der gemeinste
Fall, wenn wir Fehler haben, und doch keinen einzigen zei-
gen wollen; wenn von der Fußsole an bis zur leeren Scheitel
alles in der feinsten Ordnung erscheinet. Da kömmt die be-
leidigte Eifersucht mit ihrem scharfen Auge, und richtet die
Seele so viel strenger, je weniger der äusserliche Bau ihr ei-
nen Fehler Preis geben will. Sie bringt Gold, welches den
Strich gehalten, unter die Capelle, und wehe dann dem ar-
men Sünder, wenn er hier die Probe nicht hält! wer gefal-
len will, muß, wohl zu verstehen, des andern Narr werden.
Er hat nur die Wahl über die Art.



LVIII.
Die mehrsten machen sich lächerlich aus
Furcht lächerlich zu werden.

-- -- -- Das habe ich meinem Junker auch gesagt.
Allein seine Tante hat ihm eingepredigt,
daß es nicht so schlimm sey, die zehn Gebote zu übertreten,
als sich lächerlich zu machen. Was meinen sie dann, sollten
unsere Sittenlehrer, die Comödianten und Poeten, der Sache
nicht zu viel thun, wenn sie sich zu sehr darauf legen die Feh-
ler lächerlich zu machen? das Gute und Böse wird leicht ver-

wech-

Die mehrſten machen ſich laͤcherlich
um dieſes zu verhindern. Niemand aber iſt gern beſtaͤndig
in einer Staatskleidung, und noch weniger in einer Staats-
laune. Drittens wuͤrden wir gegen einen ſolchen Moidor
nicht gerne unſre Scheidemuͤnze auskramen, und alſo in un-
ſern eigenen Augen alberne Geſchoͤpfe bleiben. Diß iſt nun
ein pro primo, pro ſecundo und pro tertio. Mehrere Ur-
ſachen darf ein Pedant nicht haben.

Noch gefaͤhrlicher aber iſt es, und dieſes iſt der gemeinſte
Fall, wenn wir Fehler haben, und doch keinen einzigen zei-
gen wollen; wenn von der Fußſole an bis zur leeren Scheitel
alles in der feinſten Ordnung erſcheinet. Da koͤmmt die be-
leidigte Eiferſucht mit ihrem ſcharfen Auge, und richtet die
Seele ſo viel ſtrenger, je weniger der aͤuſſerliche Bau ihr ei-
nen Fehler Preis geben will. Sie bringt Gold, welches den
Strich gehalten, unter die Capelle, und wehe dann dem ar-
men Suͤnder, wenn er hier die Probe nicht haͤlt! wer gefal-
len will, muß, wohl zu verſtehen, des andern Narr werden.
Er hat nur die Wahl uͤber die Art.



LVIII.
Die mehrſten machen ſich laͤcherlich aus
Furcht laͤcherlich zu werden.

— — — Das habe ich meinem Junker auch geſagt.
Allein ſeine Tante hat ihm eingepredigt,
daß es nicht ſo ſchlimm ſey, die zehn Gebote zu uͤbertreten,
als ſich laͤcherlich zu machen. Was meinen ſie dann, ſollten
unſere Sittenlehrer, die Comoͤdianten und Poeten, der Sache
nicht zu viel thun, wenn ſie ſich zu ſehr darauf legen die Feh-
ler laͤcherlich zu machen? das Gute und Boͤſe wird leicht ver-

wech-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0376" n="358"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die mehr&#x017F;ten machen &#x017F;ich la&#x0364;cherlich</hi></fw><lb/>
um die&#x017F;es zu verhindern. Niemand aber i&#x017F;t gern be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
in einer Staatskleidung, und noch weniger in einer Staats-<lb/>
laune. Drittens wu&#x0364;rden wir gegen einen &#x017F;olchen Moidor<lb/>
nicht gerne un&#x017F;re Scheidemu&#x0364;nze auskramen, und al&#x017F;o in un-<lb/>
&#x017F;ern eigenen Augen alberne Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe bleiben. Diß i&#x017F;t nun<lb/>
ein <hi rendition="#aq">pro primo, pro &#x017F;ecundo</hi> und <hi rendition="#aq">pro tertio.</hi> Mehrere Ur-<lb/>
&#x017F;achen darf ein Pedant nicht haben.</p><lb/>
        <p>Noch gefa&#x0364;hrlicher aber i&#x017F;t es, und die&#x017F;es i&#x017F;t der gemein&#x017F;te<lb/>
Fall, wenn wir Fehler haben, und doch keinen einzigen zei-<lb/>
gen wollen; wenn von der Fuß&#x017F;ole an bis zur leeren Scheitel<lb/>
alles in der fein&#x017F;ten Ordnung er&#x017F;cheinet. Da ko&#x0364;mmt die be-<lb/>
leidigte Eifer&#x017F;ucht mit ihrem &#x017F;charfen Auge, und richtet die<lb/>
Seele &#x017F;o viel &#x017F;trenger, je weniger der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Bau ihr ei-<lb/>
nen Fehler Preis geben will. Sie bringt Gold, welches den<lb/>
Strich gehalten, unter die Capelle, und wehe dann dem ar-<lb/>
men Su&#x0364;nder, wenn er hier die Probe nicht ha&#x0364;lt! wer gefal-<lb/>
len will, muß, wohl zu ver&#x017F;tehen, des andern Narr werden.<lb/>
Er hat nur die Wahl u&#x0364;ber die Art.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LVIII.</hi><lb/>
Die mehr&#x017F;ten machen &#x017F;ich la&#x0364;cherlich aus<lb/>
Furcht la&#x0364;cherlich zu werden.</hi> </head><lb/>
        <p>&#x2014; &#x2014; &#x2014; Das habe ich meinem Junker auch ge&#x017F;agt.<lb/>
Allein &#x017F;eine Tante hat ihm eingepredigt,<lb/>
daß es nicht &#x017F;o &#x017F;chlimm &#x017F;ey, die zehn Gebote zu u&#x0364;bertreten,<lb/>
als &#x017F;ich la&#x0364;cherlich zu machen. Was meinen &#x017F;ie dann, &#x017F;ollten<lb/>
un&#x017F;ere Sittenlehrer, die Como&#x0364;dianten und Poeten, der Sache<lb/>
nicht zu viel thun, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich zu &#x017F;ehr darauf legen die Feh-<lb/>
ler la&#x0364;cherlich zu machen? das Gute und Bo&#x0364;&#x017F;e wird leicht ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wech-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0376] Die mehrſten machen ſich laͤcherlich um dieſes zu verhindern. Niemand aber iſt gern beſtaͤndig in einer Staatskleidung, und noch weniger in einer Staats- laune. Drittens wuͤrden wir gegen einen ſolchen Moidor nicht gerne unſre Scheidemuͤnze auskramen, und alſo in un- ſern eigenen Augen alberne Geſchoͤpfe bleiben. Diß iſt nun ein pro primo, pro ſecundo und pro tertio. Mehrere Ur- ſachen darf ein Pedant nicht haben. Noch gefaͤhrlicher aber iſt es, und dieſes iſt der gemeinſte Fall, wenn wir Fehler haben, und doch keinen einzigen zei- gen wollen; wenn von der Fußſole an bis zur leeren Scheitel alles in der feinſten Ordnung erſcheinet. Da koͤmmt die be- leidigte Eiferſucht mit ihrem ſcharfen Auge, und richtet die Seele ſo viel ſtrenger, je weniger der aͤuſſerliche Bau ihr ei- nen Fehler Preis geben will. Sie bringt Gold, welches den Strich gehalten, unter die Capelle, und wehe dann dem ar- men Suͤnder, wenn er hier die Probe nicht haͤlt! wer gefal- len will, muß, wohl zu verſtehen, des andern Narr werden. Er hat nur die Wahl uͤber die Art. LVIII. Die mehrſten machen ſich laͤcherlich aus Furcht laͤcherlich zu werden. — — — Das habe ich meinem Junker auch geſagt. Allein ſeine Tante hat ihm eingepredigt, daß es nicht ſo ſchlimm ſey, die zehn Gebote zu uͤbertreten, als ſich laͤcherlich zu machen. Was meinen ſie dann, ſollten unſere Sittenlehrer, die Comoͤdianten und Poeten, der Sache nicht zu viel thun, wenn ſie ſich zu ſehr darauf legen die Feh- ler laͤcherlich zu machen? das Gute und Boͤſe wird leicht ver- wech-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/376
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/376>, abgerufen am 21.11.2024.