wenn wir ihn zur Puppe erniedrigen, und seinen Anzug in eben der Absicht loben womit wir unsern Schooshündgen die Ohren zerren. Sie, mein Herr, fuhr sie gegen mich fort, werden hoffentlich dem bessern Theil unsrer Nation die Ehre erweisen, und sich dadurch nicht irren lassen. Wenn sie einige besondere Thorheiten aus ihrem Vaterlande mitgebracht ha- ben: so gönnen sie uns das Vergnügen, den Contrast zu be- merken, und seyn versichert, daß wir auch unter demselben Verdienste zu erkennen wissen.
Mein junger Franzose fand dieses göttlich, und breitete überall zu meinen großen Vergnügen die komische Scene aus, welche er mit seinen Bären gespielet hatte, wodurch er mir in kurzer Zeit so viele Achtung erwarb, daß ich meines Schnei- ders gar nicht mehr nöthig hatte.
Ich erzählte bey meiner Wiederkunft diese Geschichte einen guten Bürger, welcher sich in seinem braunen Kleide immer hinter der Hausthüre stellete, so oft sein Nachbar, ein Kan- nengieser, in einem rothen Manschester auf die Gasse trat. Aber versetzte er, die Großen in der Stadt sind so, daß sie einen ehrlichen Bürgersmann nicht über die Achsel ansehen, wenn er nicht Staat macht; meine Frau schämt sich bereits mit mir in die Kirche zu gehen, und meine Mademois. Töch- ter stutzen vor mir hin, ohne mich anzusehen, da ich doch ihr würklicher Vater bin, und ihnen ihren Flitterstaat im Schweis meines Angesichts erworben habe. Was das erste betrift, erwiederte ich ihm: so bin ich gewiß, daß die Großen in der Stadt eben wie die französische Dame denken; daß sie in der Nachahmung des Kannengiesers, die spielende Copey eines vielleicht guten Originals fanden, und daß der König selbst mehr Achtung für die Verdienste eines großen Künstlers, als für das sammetene Kleid eines französischen Schneiders habe;
seine
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Original als Copey zu ſeyn.
wenn wir ihn zur Puppe erniedrigen, und ſeinen Anzug in eben der Abſicht loben womit wir unſern Schooshuͤndgen die Ohren zerren. Sie, mein Herr, fuhr ſie gegen mich fort, werden hoffentlich dem beſſern Theil unſrer Nation die Ehre erweiſen, und ſich dadurch nicht irren laſſen. Wenn ſie einige beſondere Thorheiten aus ihrem Vaterlande mitgebracht ha- ben: ſo goͤnnen ſie uns das Vergnuͤgen, den Contraſt zu be- merken, und ſeyn verſichert, daß wir auch unter demſelben Verdienſte zu erkennen wiſſen.
Mein junger Franzoſe fand dieſes goͤttlich, und breitete uͤberall zu meinen großen Vergnuͤgen die komiſche Scene aus, welche er mit ſeinen Baͤren geſpielet hatte, wodurch er mir in kurzer Zeit ſo viele Achtung erwarb, daß ich meines Schnei- ders gar nicht mehr noͤthig hatte.
Ich erzaͤhlte bey meiner Wiederkunft dieſe Geſchichte einen guten Buͤrger, welcher ſich in ſeinem braunen Kleide immer hinter der Hausthuͤre ſtellete, ſo oft ſein Nachbar, ein Kan- nengieſer, in einem rothen Manſcheſter auf die Gaſſe trat. Aber verſetzte er, die Großen in der Stadt ſind ſo, daß ſie einen ehrlichen Buͤrgersmann nicht uͤber die Achſel anſehen, wenn er nicht Staat macht; meine Frau ſchaͤmt ſich bereits mit mir in die Kirche zu gehen, und meine Mademoiſ. Toͤch- ter ſtutzen vor mir hin, ohne mich anzuſehen, da ich doch ihr wuͤrklicher Vater bin, und ihnen ihren Flitterſtaat im Schweis meines Angeſichts erworben habe. Was das erſte betrift, erwiederte ich ihm: ſo bin ich gewiß, daß die Großen in der Stadt eben wie die franzoͤſiſche Dame denken; daß ſie in der Nachahmung des Kannengieſers, die ſpielende Copey eines vielleicht guten Originals fanden, und daß der Koͤnig ſelbſt mehr Achtung fuͤr die Verdienſte eines großen Kuͤnſtlers, als fuͤr das ſammetene Kleid eines franzoͤſiſchen Schneiders habe;
ſeine
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Original als Copey zu ſeyn.
wenn wir ihn zur Puppe erniedrigen, und ſeinen Anzug in
eben der Abſicht loben womit wir unſern Schooshuͤndgen die
Ohren zerren. Sie, mein Herr, fuhr ſie gegen mich fort,
werden hoffentlich dem beſſern Theil unſrer Nation die Ehre
erweiſen, und ſich dadurch nicht irren laſſen. Wenn ſie einige
beſondere Thorheiten aus ihrem Vaterlande mitgebracht ha-
ben: ſo goͤnnen ſie uns das Vergnuͤgen, den Contraſt zu be-
merken, und ſeyn verſichert, daß wir auch unter demſelben
Verdienſte zu erkennen wiſſen.
Mein junger Franzoſe fand dieſes goͤttlich, und breitete
uͤberall zu meinen großen Vergnuͤgen die komiſche Scene aus,
welche er mit ſeinen Baͤren geſpielet hatte, wodurch er mir
in kurzer Zeit ſo viele Achtung erwarb, daß ich meines Schnei-
ders gar nicht mehr noͤthig hatte.
Ich erzaͤhlte bey meiner Wiederkunft dieſe Geſchichte einen
guten Buͤrger, welcher ſich in ſeinem braunen Kleide immer
hinter der Hausthuͤre ſtellete, ſo oft ſein Nachbar, ein Kan-
nengieſer, in einem rothen Manſcheſter auf die Gaſſe trat.
Aber verſetzte er, die Großen in der Stadt ſind ſo, daß ſie
einen ehrlichen Buͤrgersmann nicht uͤber die Achſel anſehen,
wenn er nicht Staat macht; meine Frau ſchaͤmt ſich bereits
mit mir in die Kirche zu gehen, und meine Mademoiſ. Toͤch-
ter ſtutzen vor mir hin, ohne mich anzuſehen, da ich doch ihr
wuͤrklicher Vater bin, und ihnen ihren Flitterſtaat im Schweis
meines Angeſichts erworben habe. Was das erſte betrift,
erwiederte ich ihm: ſo bin ich gewiß, daß die Großen in der
Stadt eben wie die franzoͤſiſche Dame denken; daß ſie in der
Nachahmung des Kannengieſers, die ſpielende Copey eines
vielleicht guten Originals fanden, und daß der Koͤnig ſelbſt
mehr Achtung fuͤr die Verdienſte eines großen Kuͤnſtlers, als
fuͤr das ſammetene Kleid eines franzoͤſiſchen Schneiders habe;
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/373>, abgerufen am 23.07.2024.
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