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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Es ist allezeit sicherer
ren, wenn ich nichts dawider hätte. Alsdenn will ich heute
überall herum gehen, und meinen Freunden bekannt machen,
daß ich ihnen morgen ein ganz neues Original aus Deutsch-
land zeigen würde, desgleichen seit Erschaffung der Welt noch
nicht in Paris gewesen wäre; ich will eine Beschreibung da-
bey machen .... Und hier machte er würklich eine, wor-
inn ich bis auf die Tatzen und das Fell eine ziemliche Aufrich-
tigkeit fand. Was sollte ich thun? Mein Freund gieng mit
einen Sansadieu und jusqu'a revoir davon, und überließ mich
meinen Betrachtungen. Die ersten waren nicht die ruhig-
sten. Endlich aber faßte ich das Herz, mir selbst getreu zu
bleiben, und mich so zu zeigen, wie ich glaubte, daß ich mich
zeigen müßte. Und auch einmal war ich über meinen Schnei-
der, meinen Frieseur, und meinen Miethlaquais erhaben.
Mein Freund freuete sich des andern Tages, mich in vollkom-
mener Bärengestalt zu finden, und ich, der Bär, und er,
der Bärenleiter fuhren glücklich in die Gesellschaft. Ich
merkte gleich ein vorwitziges Aufsehen; nahm aber doch den
Ton der Gesellschaft an, und erzählete ihnen meine Geschichte
mit der aufrichtigsten Einfalt, welche der Wahrheit bisweilen so
vielen Nachdruck geben kan. Und was meynen Sie, daß darauf
erfolgte? Ein Frauenzimmer, welches ich aus Erkenntlichkeit
billig als das schönste in der ganzen Gesellschaft rühmen muß,
nahm das Wort mit einigen Eifer und sagte: Es ist doch kein
abgeschmackter Ding in der Welt, als ein junger Pariser.
Er hat die Vernunft einzusehen, daß er selbst das lächerlichste
Original sey, und will doch daß Fremde sich nach ihm bilden
sollen. Er ist stolz genug zu glauben, daß seine Narrheit un-
nachahmlich sey, allein um das boshafte Vergnügen zu haben,
sich gegen einige Copeyen halten zu können, beredet er andre
zur Nachahmung, welche, wenn sie seine Vorzüge erreichen
könnten, ihn rasend machen würden. Er glaubt zu gefallen,

wenn

Es iſt allezeit ſicherer
ren, wenn ich nichts dawider haͤtte. Alsdenn will ich heute
uͤberall herum gehen, und meinen Freunden bekannt machen,
daß ich ihnen morgen ein ganz neues Original aus Deutſch-
land zeigen wuͤrde, desgleichen ſeit Erſchaffung der Welt noch
nicht in Paris geweſen waͤre; ich will eine Beſchreibung da-
bey machen .... Und hier machte er wuͤrklich eine, wor-
inn ich bis auf die Tatzen und das Fell eine ziemliche Aufrich-
tigkeit fand. Was ſollte ich thun? Mein Freund gieng mit
einen Sansadieu und jusqu’a revoir davon, und uͤberließ mich
meinen Betrachtungen. Die erſten waren nicht die ruhig-
ſten. Endlich aber faßte ich das Herz, mir ſelbſt getreu zu
bleiben, und mich ſo zu zeigen, wie ich glaubte, daß ich mich
zeigen muͤßte. Und auch einmal war ich uͤber meinen Schnei-
der, meinen Frieſeur, und meinen Miethlaquais erhaben.
Mein Freund freuete ſich des andern Tages, mich in vollkom-
mener Baͤrengeſtalt zu finden, und ich, der Baͤr, und er,
der Baͤrenleiter fuhren gluͤcklich in die Geſellſchaft. Ich
merkte gleich ein vorwitziges Aufſehen; nahm aber doch den
Ton der Geſellſchaft an, und erzaͤhlete ihnen meine Geſchichte
mit der aufrichtigſten Einfalt, welche der Wahrheit bisweilen ſo
vielen Nachdruck geben kan. Und was meynen Sie, daß darauf
erfolgte? Ein Frauenzimmer, welches ich aus Erkenntlichkeit
billig als das ſchoͤnſte in der ganzen Geſellſchaft ruͤhmen muß,
nahm das Wort mit einigen Eifer und ſagte: Es iſt doch kein
abgeſchmackter Ding in der Welt, als ein junger Pariſer.
Er hat die Vernunft einzuſehen, daß er ſelbſt das laͤcherlichſte
Original ſey, und will doch daß Fremde ſich nach ihm bilden
ſollen. Er iſt ſtolz genug zu glauben, daß ſeine Narrheit un-
nachahmlich ſey, allein um das boshafte Vergnuͤgen zu haben,
ſich gegen einige Copeyen halten zu koͤnnen, beredet er andre
zur Nachahmung, welche, wenn ſie ſeine Vorzuͤge erreichen
koͤnnten, ihn raſend machen wuͤrden. Er glaubt zu gefallen,

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[354/0372] Es iſt allezeit ſicherer ren, wenn ich nichts dawider haͤtte. Alsdenn will ich heute uͤberall herum gehen, und meinen Freunden bekannt machen, daß ich ihnen morgen ein ganz neues Original aus Deutſch- land zeigen wuͤrde, desgleichen ſeit Erſchaffung der Welt noch nicht in Paris geweſen waͤre; ich will eine Beſchreibung da- bey machen .... Und hier machte er wuͤrklich eine, wor- inn ich bis auf die Tatzen und das Fell eine ziemliche Aufrich- tigkeit fand. Was ſollte ich thun? Mein Freund gieng mit einen Sansadieu und jusqu’a revoir davon, und uͤberließ mich meinen Betrachtungen. Die erſten waren nicht die ruhig- ſten. Endlich aber faßte ich das Herz, mir ſelbſt getreu zu bleiben, und mich ſo zu zeigen, wie ich glaubte, daß ich mich zeigen muͤßte. Und auch einmal war ich uͤber meinen Schnei- der, meinen Frieſeur, und meinen Miethlaquais erhaben. Mein Freund freuete ſich des andern Tages, mich in vollkom- mener Baͤrengeſtalt zu finden, und ich, der Baͤr, und er, der Baͤrenleiter fuhren gluͤcklich in die Geſellſchaft. Ich merkte gleich ein vorwitziges Aufſehen; nahm aber doch den Ton der Geſellſchaft an, und erzaͤhlete ihnen meine Geſchichte mit der aufrichtigſten Einfalt, welche der Wahrheit bisweilen ſo vielen Nachdruck geben kan. Und was meynen Sie, daß darauf erfolgte? Ein Frauenzimmer, welches ich aus Erkenntlichkeit billig als das ſchoͤnſte in der ganzen Geſellſchaft ruͤhmen muß, nahm das Wort mit einigen Eifer und ſagte: Es iſt doch kein abgeſchmackter Ding in der Welt, als ein junger Pariſer. Er hat die Vernunft einzuſehen, daß er ſelbſt das laͤcherlichſte Original ſey, und will doch daß Fremde ſich nach ihm bilden ſollen. Er iſt ſtolz genug zu glauben, daß ſeine Narrheit un- nachahmlich ſey, allein um das boshafte Vergnuͤgen zu haben, ſich gegen einige Copeyen halten zu koͤnnen, beredet er andre zur Nachahmung, welche, wenn ſie ſeine Vorzuͤge erreichen koͤnnten, ihn raſend machen wuͤrden. Er glaubt zu gefallen, wenn

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/372>, abgerufen am 24.11.2024.