Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Von der Real- und Personalfreyheit. aus einem Theil geistlichen, einem Theil adlichen, einem Theilfreyen, und einem Theil steuerbaren Ackers erwachsen kan, für die Nachwelt zu erhalten? der Mann der vom Ackerbau oder vom Handwerke leben muß, soll mit einem adlichen Grunde Jagd und Fischerey erhalten können? die obern Gerichte sollen sich mit seinen kleinen Rechtshändeln beschäftigen, und ihn bey jedem Bruchfalle durch einen besondern Fiscal auffordern lassen? Nein, dieses ist unerhört. Für den Edelmann redet überall sein Stand; dieser läßt sich nicht verdunkeln; und den Hof den er bewohnt, den befreyet er. Findet er einen bessern und angenehmern: so wählt er ihn, und verläßt den andern, der dafür wieder zurück fällt. Hier braucht es keiner Kon- trolle, keiner Geschichte; die Sache redet, und so lange man den Stand eines Mannes kennet, kennet man seine Freyheit; und wo sich jener aus dem Gesichte verlieret, da muß keine Verjährung für diese Statt finden. Zuerst ist freylich die Zahl der Dienstleute, welche einen freyen Sitz im Lande gehabt, gering gewesen. Hat aber die Bedürfniß des Staats ihre Vermehrung erfordert; so muß man auch die Folgen davon dulden. Sie haben ihre Vorrechte nicht umsonst erlangt, son- dern Gut und Blut dafür gewagt, und so müssen sie derselben auch billig so gut wie andre genießen. Befürchtet man aber, daß ihre Anzahl für den gegenwärtigen politischen Zustand zu groß werde: so kan man sie bestimmen. Es hat ohnedem nicht jeder fremder Edelmann sondern nur der einheimische; und unter diesen nicht jeder Sohn, sondern jeder würklicher Dienstmann das Recht den Hof, welchen er bewohnt, zu be- freyen. Hat der Staat vierzig Hauptleute nöthig; so sind das vierzig freye Sitze, und braucht er achtzig: so sind auch diese nicht zu viel. Den kayserlichen Befreyungen, welche die wahre Ursache des Hasses sind, den man gegen die Per- sonalfreyheiten gefasset hat, kan man auf andre Art, als durch die Mösers patr. Phantas. II. Th. Y
Von der Real- und Perſonalfreyheit. aus einem Theil geiſtlichen, einem Theil adlichen, einem Theilfreyen, und einem Theil ſteuerbaren Ackers erwachſen kan, fuͤr die Nachwelt zu erhalten? der Mann der vom Ackerbau oder vom Handwerke leben muß, ſoll mit einem adlichen Grunde Jagd und Fiſcherey erhalten koͤnnen? die obern Gerichte ſollen ſich mit ſeinen kleinen Rechtshaͤndeln beſchaͤftigen, und ihn bey jedem Bruchfalle durch einen beſondern Fiſcal auffordern laſſen? Nein, dieſes iſt unerhoͤrt. Fuͤr den Edelmann redet uͤberall ſein Stand; dieſer laͤßt ſich nicht verdunkeln; und den Hof den er bewohnt, den befreyet er. Findet er einen beſſern und angenehmern: ſo waͤhlt er ihn, und verlaͤßt den andern, der dafuͤr wieder zuruͤck faͤllt. Hier braucht es keiner Kon- trolle, keiner Geſchichte; die Sache redet, und ſo lange man den Stand eines Mannes kennet, kennet man ſeine Freyheit; und wo ſich jener aus dem Geſichte verlieret, da muß keine Verjaͤhrung fuͤr dieſe Statt finden. Zuerſt iſt freylich die Zahl der Dienſtleute, welche einen freyen Sitz im Lande gehabt, gering geweſen. Hat aber die Beduͤrfniß des Staats ihre Vermehrung erfordert; ſo muß man auch die Folgen davon dulden. Sie haben ihre Vorrechte nicht umſonſt erlangt, ſon- dern Gut und Blut dafuͤr gewagt, und ſo muͤſſen ſie derſelben auch billig ſo gut wie andre genießen. Befuͤrchtet man aber, daß ihre Anzahl fuͤr den gegenwaͤrtigen politiſchen Zuſtand zu groß werde: ſo kan man ſie beſtimmen. Es hat ohnedem nicht jeder fremder Edelmann ſondern nur der einheimiſche; und unter dieſen nicht jeder Sohn, ſondern jeder wuͤrklicher Dienſtmann das Recht den Hof, welchen er bewohnt, zu be- freyen. Hat der Staat vierzig Hauptleute noͤthig; ſo ſind das vierzig freye Sitze, und braucht er achtzig: ſo ſind auch dieſe nicht zu viel. Den kayſerlichen Befreyungen, welche die wahre Urſache des Haſſes ſind, den man gegen die Per- ſonalfreyheiten gefaſſet hat, kan man auf andre Art, als durch die Möſers patr. Phantaſ. II. Th. Y
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0355" n="337"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Real- und Perſonalfreyheit.</hi></fw><lb/> aus einem Theil geiſtlichen, einem Theil adlichen, einem Theil<lb/> freyen, und einem Theil ſteuerbaren Ackers erwachſen kan,<lb/> fuͤr die Nachwelt zu erhalten? der Mann der vom Ackerbau<lb/> oder vom Handwerke leben muß, ſoll mit einem adlichen Grunde<lb/> Jagd und Fiſcherey erhalten koͤnnen? die obern Gerichte ſollen<lb/> ſich mit ſeinen kleinen Rechtshaͤndeln beſchaͤftigen, und ihn<lb/> bey jedem Bruchfalle durch einen beſondern Fiſcal auffordern<lb/> laſſen? Nein, dieſes iſt unerhoͤrt. Fuͤr den Edelmann redet<lb/> uͤberall ſein Stand; dieſer laͤßt ſich nicht verdunkeln; und den<lb/> Hof den er bewohnt, den befreyet er. Findet er einen beſſern<lb/> und angenehmern: ſo waͤhlt er ihn, und verlaͤßt den andern,<lb/> der dafuͤr wieder zuruͤck faͤllt. Hier braucht es keiner Kon-<lb/> trolle, keiner Geſchichte; die Sache redet, und ſo lange man<lb/> den Stand eines Mannes kennet, kennet man ſeine Freyheit;<lb/> und wo ſich jener aus dem Geſichte verlieret, da muß keine<lb/> Verjaͤhrung fuͤr dieſe Statt finden. Zuerſt iſt freylich die Zahl<lb/> der Dienſtleute, welche einen freyen Sitz im Lande gehabt,<lb/> gering geweſen. Hat aber die Beduͤrfniß des Staats ihre<lb/> Vermehrung erfordert; ſo muß man auch die Folgen davon<lb/> dulden. Sie haben ihre Vorrechte nicht umſonſt erlangt, ſon-<lb/> dern Gut und Blut dafuͤr gewagt, und ſo muͤſſen ſie derſelben<lb/> auch billig ſo gut wie andre genießen. Befuͤrchtet man aber,<lb/> daß ihre Anzahl fuͤr den gegenwaͤrtigen politiſchen Zuſtand zu<lb/> groß werde: ſo kan man ſie beſtimmen. Es hat ohnedem<lb/> nicht jeder fremder Edelmann ſondern nur der einheimiſche;<lb/> und unter dieſen nicht jeder Sohn, ſondern jeder wuͤrklicher<lb/> Dienſtmann das Recht den Hof, welchen er bewohnt, zu be-<lb/> freyen. Hat der Staat vierzig Hauptleute noͤthig; ſo ſind<lb/> das vierzig freye Sitze, und braucht er achtzig: ſo ſind auch<lb/> dieſe nicht zu viel. Den kayſerlichen Befreyungen, welche<lb/> die wahre Urſache des Haſſes ſind, den man gegen die Per-<lb/> ſonalfreyheiten gefaſſet hat, kan man auf andre Art, als durch<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Möſers patr. Phantaſ.</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> Y</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [337/0355]
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
aus einem Theil geiſtlichen, einem Theil adlichen, einem Theil
freyen, und einem Theil ſteuerbaren Ackers erwachſen kan,
fuͤr die Nachwelt zu erhalten? der Mann der vom Ackerbau
oder vom Handwerke leben muß, ſoll mit einem adlichen Grunde
Jagd und Fiſcherey erhalten koͤnnen? die obern Gerichte ſollen
ſich mit ſeinen kleinen Rechtshaͤndeln beſchaͤftigen, und ihn
bey jedem Bruchfalle durch einen beſondern Fiſcal auffordern
laſſen? Nein, dieſes iſt unerhoͤrt. Fuͤr den Edelmann redet
uͤberall ſein Stand; dieſer laͤßt ſich nicht verdunkeln; und den
Hof den er bewohnt, den befreyet er. Findet er einen beſſern
und angenehmern: ſo waͤhlt er ihn, und verlaͤßt den andern,
der dafuͤr wieder zuruͤck faͤllt. Hier braucht es keiner Kon-
trolle, keiner Geſchichte; die Sache redet, und ſo lange man
den Stand eines Mannes kennet, kennet man ſeine Freyheit;
und wo ſich jener aus dem Geſichte verlieret, da muß keine
Verjaͤhrung fuͤr dieſe Statt finden. Zuerſt iſt freylich die Zahl
der Dienſtleute, welche einen freyen Sitz im Lande gehabt,
gering geweſen. Hat aber die Beduͤrfniß des Staats ihre
Vermehrung erfordert; ſo muß man auch die Folgen davon
dulden. Sie haben ihre Vorrechte nicht umſonſt erlangt, ſon-
dern Gut und Blut dafuͤr gewagt, und ſo muͤſſen ſie derſelben
auch billig ſo gut wie andre genießen. Befuͤrchtet man aber,
daß ihre Anzahl fuͤr den gegenwaͤrtigen politiſchen Zuſtand zu
groß werde: ſo kan man ſie beſtimmen. Es hat ohnedem
nicht jeder fremder Edelmann ſondern nur der einheimiſche;
und unter dieſen nicht jeder Sohn, ſondern jeder wuͤrklicher
Dienſtmann das Recht den Hof, welchen er bewohnt, zu be-
freyen. Hat der Staat vierzig Hauptleute noͤthig; ſo ſind
das vierzig freye Sitze, und braucht er achtzig: ſo ſind auch
dieſe nicht zu viel. Den kayſerlichen Befreyungen, welche
die wahre Urſache des Haſſes ſind, den man gegen die Per-
ſonalfreyheiten gefaſſet hat, kan man auf andre Art, als durch
die
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. Y
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |