sie als König, oder Fürst, als Priester oder Krieger im ge- meinen Dienst behindert wurden, selbst das Ufer zu machen, mit Recht forderte, daß die unverhinderten für sie in die Stelle treten sollten; eben wie die Eingesessene eines Gränzbannes fordern, daß die zu Hause bleibende für sie den Acker bestellen und ihnen ihr Korn einfahren sollen, wenn der dritte Mann von ihnen für das Jahr zu Felde liegen muß. Leute von die- ser Denkungsart würden sich wundern, wenn man sagen wollte, dieser und jeder Acker, ob er gleich durch eine gemeine unverhinderte Hand gebauet wird, solle einer Realfreyheit ge- nießen, oder dieser und jener Acker soll einer ewigen Freyheit genießen, sein Besitzer werde durch eine gemeine Noth ver- hindert oder nicht.
Außerdem würden sie auch noch sehr viele Unbequemlichkei- ten bey der Realfreyheit finden, und vielleicht mit Eyfer aus- rufen: Wie der Staat will die Freyheit dem Grunde und Bo- den angedeyen ein weitläuftiges Buch darüber halten, und darinn nach der Fußmaaße beschreiben lassen, was frey oder schatzbar sey, der geringste Mann, der einige Fuß lang und breit freyen Landes zur Wohnung erhalten, soll darauf sitzen und sich auf ewig den gesellschaftlichen Lasten entziehen kön- nen? Er soll des gemeinen Schutzes, der öffentlichen Sicher- heit, und aller Vortheile genießen; alle gemeine Erwerbungs- mittel sollen ihm offen stehen, die Straßen sollen ihm ge- pflastert, und die Zölle, die Wachen, ja alle Steuren zur ge- meinen Vertheydigung sollen ihm erlassen seyn, weil er das Glück gehabt hat, ein Plätzgen, welchen man sich als frey ge- denkt, zu erhalten? Was wird das für eine Mühe kosten, alle diese Plätze, die kein redendes Abzeichen von der Natur erhalten haben, zu wahren? sie beständig unter allerhand Formen und Gestalten von andern Gründen zu unterscheiden, und die ganze Geschichte eines Ackerhofes, der solchergestalt
aus
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
ſie als Koͤnig, oder Fuͤrſt, als Prieſter oder Krieger im ge- meinen Dienſt behindert wurden, ſelbſt das Ufer zu machen, mit Recht forderte, daß die unverhinderten fuͤr ſie in die Stelle treten ſollten; eben wie die Eingeſeſſene eines Graͤnzbannes fordern, daß die zu Hauſe bleibende fuͤr ſie den Acker beſtellen und ihnen ihr Korn einfahren ſollen, wenn der dritte Mann von ihnen fuͤr das Jahr zu Felde liegen muß. Leute von die- ſer Denkungsart wuͤrden ſich wundern, wenn man ſagen wollte, dieſer und jeder Acker, ob er gleich durch eine gemeine unverhinderte Hand gebauet wird, ſolle einer Realfreyheit ge- nießen, oder dieſer und jener Acker ſoll einer ewigen Freyheit genießen, ſein Beſitzer werde durch eine gemeine Noth ver- hindert oder nicht.
Außerdem wuͤrden ſie auch noch ſehr viele Unbequemlichkei- ten bey der Realfreyheit finden, und vielleicht mit Eyfer aus- rufen: Wie der Staat will die Freyheit dem Grunde und Bo- den angedeyen ein weitlaͤuftiges Buch daruͤber halten, und darinn nach der Fußmaaße beſchreiben laſſen, was frey oder ſchatzbar ſey, der geringſte Mann, der einige Fuß lang und breit freyen Landes zur Wohnung erhalten, ſoll darauf ſitzen und ſich auf ewig den geſellſchaftlichen Laſten entziehen koͤn- nen? Er ſoll des gemeinen Schutzes, der oͤffentlichen Sicher- heit, und aller Vortheile genießen; alle gemeine Erwerbungs- mittel ſollen ihm offen ſtehen, die Straßen ſollen ihm ge- pflaſtert, und die Zoͤlle, die Wachen, ja alle Steuren zur ge- meinen Vertheydigung ſollen ihm erlaſſen ſeyn, weil er das Gluͤck gehabt hat, ein Plaͤtzgen, welchen man ſich als frey ge- denkt, zu erhalten? Was wird das fuͤr eine Muͤhe koſten, alle dieſe Plaͤtze, die kein redendes Abzeichen von der Natur erhalten haben, zu wahren? ſie beſtaͤndig unter allerhand Formen und Geſtalten von andern Gruͤnden zu unterſcheiden, und die ganze Geſchichte eines Ackerhofes, der ſolchergeſtalt
aus
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Von der Real- und Perſonalfreyheit.
ſie als Koͤnig, oder Fuͤrſt, als Prieſter oder Krieger im ge-
meinen Dienſt behindert wurden, ſelbſt das Ufer zu machen,
mit Recht forderte, daß die unverhinderten fuͤr ſie in die Stelle
treten ſollten; eben wie die Eingeſeſſene eines Graͤnzbannes
fordern, daß die zu Hauſe bleibende fuͤr ſie den Acker beſtellen
und ihnen ihr Korn einfahren ſollen, wenn der dritte Mann
von ihnen fuͤr das Jahr zu Felde liegen muß. Leute von die-
ſer Denkungsart wuͤrden ſich wundern, wenn man ſagen
wollte, dieſer und jeder Acker, ob er gleich durch eine gemeine
unverhinderte Hand gebauet wird, ſolle einer Realfreyheit ge-
nießen, oder dieſer und jener Acker ſoll einer ewigen Freyheit
genießen, ſein Beſitzer werde durch eine gemeine Noth ver-
hindert oder nicht.
Außerdem wuͤrden ſie auch noch ſehr viele Unbequemlichkei-
ten bey der Realfreyheit finden, und vielleicht mit Eyfer aus-
rufen: Wie der Staat will die Freyheit dem Grunde und Bo-
den angedeyen ein weitlaͤuftiges Buch daruͤber halten, und
darinn nach der Fußmaaße beſchreiben laſſen, was frey oder
ſchatzbar ſey, der geringſte Mann, der einige Fuß lang und
breit freyen Landes zur Wohnung erhalten, ſoll darauf ſitzen
und ſich auf ewig den geſellſchaftlichen Laſten entziehen koͤn-
nen? Er ſoll des gemeinen Schutzes, der oͤffentlichen Sicher-
heit, und aller Vortheile genießen; alle gemeine Erwerbungs-
mittel ſollen ihm offen ſtehen, die Straßen ſollen ihm ge-
pflaſtert, und die Zoͤlle, die Wachen, ja alle Steuren zur ge-
meinen Vertheydigung ſollen ihm erlaſſen ſeyn, weil er das
Gluͤck gehabt hat, ein Plaͤtzgen, welchen man ſich als frey ge-
denkt, zu erhalten? Was wird das fuͤr eine Muͤhe koſten,
alle dieſe Plaͤtze, die kein redendes Abzeichen von der Natur
erhalten haben, zu wahren? ſie beſtaͤndig unter allerhand
Formen und Geſtalten von andern Gruͤnden zu unterſcheiden,
und die ganze Geſchichte eines Ackerhofes, der ſolchergeſtalt
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/354>, abgerufen am 23.07.2024.
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