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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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mit Steuren zu belegen oder nicht?
setzen kan, ohne einen Holzdieb auf seinen Gründen zu hegen.
Hat dieses seine Richtigkeit, und ist die Steuer der alten
Gründe nach einem billigen Verhältniß angesetzt: so ist es
ganz außer Zweifel, daß die Genossen einer solchen Gemein-
heit für die Nutzung derselben längst mit gesteuert haben, und
folglich in ihrem Ansatze um deswillen nicht erhöhet werden
können, daß sie dasjenige was sie bisher offen genutzet, künftig
beschlossen genießen sollen.

Will man dagegen einwenden, jene tartarische Steppen,
welche so lange ungetheilt gelegen, und nicht zum zehnten Theil
genutzet worden, würden durch die Cultur eine ganz neue
Quelle von Reichthümern, und müßten also billig, wo nicht
nach dem Fuße der alten, doch wenigstens auf eine andre leid-
liche Art zum Ansatz gebracht werden; so ist doch

Erstlich dagegen billig zu bedenken, daß die Urbarmachung
des Grundes, so wie die Anlegung weitläuftiger Graben,
Zäune und Hecken, womit der neue Marktheil eingefasset
werden muß, sehr vieles koste, und insgemein den Besitzer
dergestalt erschöpfe, daß er seine alten Gründe darüber ver-
nachläßigen müsse. Wollte man nun auch zehn oder zwanzig
Freyjahre dafür absetzen: so ist es doch
Zweytens eine überaus starke Voraussetzung, daß alle die-
jenigen, welche ihren Theil der Gemeinheit solchergestalt in
den Zaun bringen müssen, selbigen in einem gleichen Zeitlauf
zur völligen Nutzung bringen sollen. Mancher Wirth ist alt,
und man kan von ihm nicht fordern, daß er mit dem jungen
gleichen Muth und gleichen Eyfer zeigen solle. Ein andrer
ist verschuldet und außer Stande, sich dasjenige Spannwerk
und eine solche Viehzucht anzuschaffen als zu einem solchen
großen Anbau erfordert wird. Und überhaupt scheinet die
Vollkommenheit des Werks erst dem Enkel oder wohl gar dem
Ur-
Mösers patr. Phantas. II. Th. X

mit Steuren zu belegen oder nicht?
ſetzen kan, ohne einen Holzdieb auf ſeinen Gruͤnden zu hegen.
Hat dieſes ſeine Richtigkeit, und iſt die Steuer der alten
Gruͤnde nach einem billigen Verhaͤltniß angeſetzt: ſo iſt es
ganz außer Zweifel, daß die Genoſſen einer ſolchen Gemein-
heit fuͤr die Nutzung derſelben laͤngſt mit geſteuert haben, und
folglich in ihrem Anſatze um deswillen nicht erhoͤhet werden
koͤnnen, daß ſie dasjenige was ſie bisher offen genutzet, kuͤnftig
beſchloſſen genießen ſollen.

Will man dagegen einwenden, jene tartariſche Steppen,
welche ſo lange ungetheilt gelegen, und nicht zum zehnten Theil
genutzet worden, wuͤrden durch die Cultur eine ganz neue
Quelle von Reichthuͤmern, und muͤßten alſo billig, wo nicht
nach dem Fuße der alten, doch wenigſtens auf eine andre leid-
liche Art zum Anſatz gebracht werden; ſo iſt doch

Erſtlich dagegen billig zu bedenken, daß die Urbarmachung
des Grundes, ſo wie die Anlegung weitlaͤuftiger Graben,
Zaͤune und Hecken, womit der neue Marktheil eingefaſſet
werden muß, ſehr vieles koſte, und insgemein den Beſitzer
dergeſtalt erſchoͤpfe, daß er ſeine alten Gruͤnde daruͤber ver-
nachlaͤßigen muͤſſe. Wollte man nun auch zehn oder zwanzig
Freyjahre dafuͤr abſetzen: ſo iſt es doch
Zweytens eine uͤberaus ſtarke Vorausſetzung, daß alle die-
jenigen, welche ihren Theil der Gemeinheit ſolchergeſtalt in
den Zaun bringen muͤſſen, ſelbigen in einem gleichen Zeitlauf
zur voͤlligen Nutzung bringen ſollen. Mancher Wirth iſt alt,
und man kan von ihm nicht fordern, daß er mit dem jungen
gleichen Muth und gleichen Eyfer zeigen ſolle. Ein andrer
iſt verſchuldet und außer Stande, ſich dasjenige Spannwerk
und eine ſolche Viehzucht anzuſchaffen als zu einem ſolchen
großen Anbau erfordert wird. Und uͤberhaupt ſcheinet die
Vollkommenheit des Werks erſt dem Enkel oder wohl gar dem
Ur-
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. X
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[321/0339] mit Steuren zu belegen oder nicht? ſetzen kan, ohne einen Holzdieb auf ſeinen Gruͤnden zu hegen. Hat dieſes ſeine Richtigkeit, und iſt die Steuer der alten Gruͤnde nach einem billigen Verhaͤltniß angeſetzt: ſo iſt es ganz außer Zweifel, daß die Genoſſen einer ſolchen Gemein- heit fuͤr die Nutzung derſelben laͤngſt mit geſteuert haben, und folglich in ihrem Anſatze um deswillen nicht erhoͤhet werden koͤnnen, daß ſie dasjenige was ſie bisher offen genutzet, kuͤnftig beſchloſſen genießen ſollen. Will man dagegen einwenden, jene tartariſche Steppen, welche ſo lange ungetheilt gelegen, und nicht zum zehnten Theil genutzet worden, wuͤrden durch die Cultur eine ganz neue Quelle von Reichthuͤmern, und muͤßten alſo billig, wo nicht nach dem Fuße der alten, doch wenigſtens auf eine andre leid- liche Art zum Anſatz gebracht werden; ſo iſt doch Erſtlich dagegen billig zu bedenken, daß die Urbarmachung des Grundes, ſo wie die Anlegung weitlaͤuftiger Graben, Zaͤune und Hecken, womit der neue Marktheil eingefaſſet werden muß, ſehr vieles koſte, und insgemein den Beſitzer dergeſtalt erſchoͤpfe, daß er ſeine alten Gruͤnde daruͤber ver- nachlaͤßigen muͤſſe. Wollte man nun auch zehn oder zwanzig Freyjahre dafuͤr abſetzen: ſo iſt es doch Zweytens eine uͤberaus ſtarke Vorausſetzung, daß alle die- jenigen, welche ihren Theil der Gemeinheit ſolchergeſtalt in den Zaun bringen muͤſſen, ſelbigen in einem gleichen Zeitlauf zur voͤlligen Nutzung bringen ſollen. Mancher Wirth iſt alt, und man kan von ihm nicht fordern, daß er mit dem jungen gleichen Muth und gleichen Eyfer zeigen ſolle. Ein andrer iſt verſchuldet und außer Stande, ſich dasjenige Spannwerk und eine ſolche Viehzucht anzuſchaffen als zu einem ſolchen großen Anbau erfordert wird. Und uͤberhaupt ſcheinet die Vollkommenheit des Werks erſt dem Enkel oder wohl gar dem Ur- Möſers patr. Phantaſ. II. Th. X

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/339>, abgerufen am 24.11.2024.