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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Keine Beförderung nach Verdiensten.
zogen wird. Was würde es dann nicht seyn, wenn das Avan-
cement nach Verdiensten gienge, wann auf einmal der Gene-
raladjutant, der einem alten General jetzt zum Rathgeber zu-
gegeben wird, diesem und allen übrigen vorgesetzet würde?
Würden hier nicht alle diejenigen öffentlich gescholten und
außer Stand gesetzt werden länger zu dienen, wenn das Ver-
dienst alles entschiede?

Zwar hat ein großer König unsrer Zeiten ein Mittel er-
funden auch in diesen Fällen die Gemüther zu beruhigen. Er
geht oft die Ordnung des Dienstalters vorbey, zieht einen ge-
schicktern dem ältern vor; und befördert nach einiger Zeit ei-
nen vorbeygegangenen auf eine so schmeichelhafte Art, daß je-
der übergangene allezeit im Zweifel erhalten wird, ob der
König ihn nur zu einer bessern Beförderung gesparet, oder
aber aus Mangel von Verdiensten zurückgesetzet habe. Allein
dieses Mittel wird allezeit als außerordentlich betrachtet wer-
den müssen; es gehört blos für den Herrn, den Einsicht und
Erfahrung zu dessen Gebrauch privilegiren. In jeder an-
dern Hand würde es das gefährlichste für die Ruhe der Men-
schen, und der helle Weg zur äußersten Sclaverey seyn.

Sie wenden mir ein, bey großen Verdiensten finde sich
auch allezeit Bescheidenheit und Mäßigung, und mit Hülfe
dieser Tugenden, würde der glückliche sich mit dem unglück-
lichen leicht versöhnen, und die Empfindungen des Hasses und
Neides ersticken, welche sich zum Nachtheil des Dienstes in
der Brust aller zurückgesetzten erzeugen könnte. Allein so
bald Verdienste öffentlich erkannt und belohnet sind, wird ei-
nem die Bescheidenheit und Mäßigung nur für Politik an-
gerechnet und man kan davon keine Würkung hoffen. Ja ich
mögte sagen, die Bescheidenheit vermehre oft nur die Krän-
kung des unbelohnten, weil dieser nicht selten wünscht, an dem

glück-

Keine Befoͤrderung nach Verdienſten.
zogen wird. Was wuͤrde es dann nicht ſeyn, wenn das Avan-
cement nach Verdienſten gienge, wann auf einmal der Gene-
raladjutant, der einem alten General jetzt zum Rathgeber zu-
gegeben wird, dieſem und allen uͤbrigen vorgeſetzet wuͤrde?
Wuͤrden hier nicht alle diejenigen oͤffentlich geſcholten und
außer Stand geſetzt werden laͤnger zu dienen, wenn das Ver-
dienſt alles entſchiede?

Zwar hat ein großer Koͤnig unſrer Zeiten ein Mittel er-
funden auch in dieſen Faͤllen die Gemuͤther zu beruhigen. Er
geht oft die Ordnung des Dienſtalters vorbey, zieht einen ge-
ſchicktern dem aͤltern vor; und befoͤrdert nach einiger Zeit ei-
nen vorbeygegangenen auf eine ſo ſchmeichelhafte Art, daß je-
der uͤbergangene allezeit im Zweifel erhalten wird, ob der
Koͤnig ihn nur zu einer beſſern Befoͤrderung geſparet, oder
aber aus Mangel von Verdienſten zuruͤckgeſetzet habe. Allein
dieſes Mittel wird allezeit als außerordentlich betrachtet wer-
den muͤſſen; es gehoͤrt blos fuͤr den Herrn, den Einſicht und
Erfahrung zu deſſen Gebrauch privilegiren. In jeder an-
dern Hand wuͤrde es das gefaͤhrlichſte fuͤr die Ruhe der Men-
ſchen, und der helle Weg zur aͤußerſten Sclaverey ſeyn.

Sie wenden mir ein, bey großen Verdienſten finde ſich
auch allezeit Beſcheidenheit und Maͤßigung, und mit Huͤlfe
dieſer Tugenden, wuͤrde der gluͤckliche ſich mit dem ungluͤck-
lichen leicht verſoͤhnen, und die Empfindungen des Haſſes und
Neides erſticken, welche ſich zum Nachtheil des Dienſtes in
der Bruſt aller zuruͤckgeſetzten erzeugen koͤnnte. Allein ſo
bald Verdienſte oͤffentlich erkannt und belohnet ſind, wird ei-
nem die Beſcheidenheit und Maͤßigung nur fuͤr Politik an-
gerechnet und man kan davon keine Wuͤrkung hoffen. Ja ich
moͤgte ſagen, die Beſcheidenheit vermehre oft nur die Kraͤn-
kung des unbelohnten, weil dieſer nicht ſelten wuͤnſcht, an dem

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[318/0336] Keine Befoͤrderung nach Verdienſten. zogen wird. Was wuͤrde es dann nicht ſeyn, wenn das Avan- cement nach Verdienſten gienge, wann auf einmal der Gene- raladjutant, der einem alten General jetzt zum Rathgeber zu- gegeben wird, dieſem und allen uͤbrigen vorgeſetzet wuͤrde? Wuͤrden hier nicht alle diejenigen oͤffentlich geſcholten und außer Stand geſetzt werden laͤnger zu dienen, wenn das Ver- dienſt alles entſchiede? Zwar hat ein großer Koͤnig unſrer Zeiten ein Mittel er- funden auch in dieſen Faͤllen die Gemuͤther zu beruhigen. Er geht oft die Ordnung des Dienſtalters vorbey, zieht einen ge- ſchicktern dem aͤltern vor; und befoͤrdert nach einiger Zeit ei- nen vorbeygegangenen auf eine ſo ſchmeichelhafte Art, daß je- der uͤbergangene allezeit im Zweifel erhalten wird, ob der Koͤnig ihn nur zu einer beſſern Befoͤrderung geſparet, oder aber aus Mangel von Verdienſten zuruͤckgeſetzet habe. Allein dieſes Mittel wird allezeit als außerordentlich betrachtet wer- den muͤſſen; es gehoͤrt blos fuͤr den Herrn, den Einſicht und Erfahrung zu deſſen Gebrauch privilegiren. In jeder an- dern Hand wuͤrde es das gefaͤhrlichſte fuͤr die Ruhe der Men- ſchen, und der helle Weg zur aͤußerſten Sclaverey ſeyn. Sie wenden mir ein, bey großen Verdienſten finde ſich auch allezeit Beſcheidenheit und Maͤßigung, und mit Huͤlfe dieſer Tugenden, wuͤrde der gluͤckliche ſich mit dem ungluͤck- lichen leicht verſoͤhnen, und die Empfindungen des Haſſes und Neides erſticken, welche ſich zum Nachtheil des Dienſtes in der Bruſt aller zuruͤckgeſetzten erzeugen koͤnnte. Allein ſo bald Verdienſte oͤffentlich erkannt und belohnet ſind, wird ei- nem die Beſcheidenheit und Maͤßigung nur fuͤr Politik an- gerechnet und man kan davon keine Wuͤrkung hoffen. Ja ich moͤgte ſagen, die Beſcheidenheit vermehre oft nur die Kraͤn- kung des unbelohnten, weil dieſer nicht ſelten wuͤnſcht, an dem gluͤck-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/336>, abgerufen am 27.11.2024.