Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

an den Stifter der Wittwencasse zu ****
als daß jede von Uns dem Staate einen Fündling abnehmen,
und denselben zugleich von der Jungfernpension erziehen
müste?

Ich bin
Lore ....


XXXXIX.
Keine Beförderung nach Verdiensten.
An einen Officier.

Es geht mir zwar nahe, liebster Freund! daß ihre Ver-
dienste so wenig erkannt werden; allein ihre Forderung,
daß in einem Staate einzig und allein auf wahre Verdienste
gesehen werden sollte, ist mit ihrer gütigen Erlaubniß, die
seltsamste, welche noch in einer müßigen Stunde ausgehecket
worden. Ich wenigstens würde belohnt oder unbelohnt nie
in dem Staate bleiben, worinn man es zur Regel gemacht
hätte, alle Ehre einzig und allein dem Verdienste zuzuwenden.
Belohnt würde ich nicht das Herz gehabt haben einem Freunde
unter Augen zu gehen, aus Furcht ihn zu sehr zu demüthigen;
und unbelohnt würde ich einer Art von öffentlichen Beschim-
pfung gelebt haben, weil ein jeder von mir gesagt haben
würde: Der Mann hat keine Verdienste. Glauben Sie mir
gewiß, so lange wir Menschen bleiben, ist es besser, daß un-
terweilen auch Glück und Gunst die Preise austheilen, als daß
eine menschliche Weisheit solche jedem nach seinen Verdiensten
zuwäge; es ist besser, daß Geburt und Alter als wahrer Werth
die Rangordnung in der Welt bestimme. Ja ich getraue mir
zu sagen, der Dienst würde gar nicht bestehen können, wenn

jede

an den Stifter der Wittwencaſſe zu ****
als daß jede von Uns dem Staate einen Fuͤndling abnehmen,
und denſelben zugleich von der Jungfernpenſion erziehen
muͤſte?

Ich bin
Lore ....


XXXXIX.
Keine Befoͤrderung nach Verdienſten.
An einen Officier.

Es geht mir zwar nahe, liebſter Freund! daß ihre Ver-
dienſte ſo wenig erkannt werden; allein ihre Forderung,
daß in einem Staate einzig und allein auf wahre Verdienſte
geſehen werden ſollte, iſt mit ihrer guͤtigen Erlaubniß, die
ſeltſamſte, welche noch in einer muͤßigen Stunde ausgehecket
worden. Ich wenigſtens wuͤrde belohnt oder unbelohnt nie
in dem Staate bleiben, worinn man es zur Regel gemacht
haͤtte, alle Ehre einzig und allein dem Verdienſte zuzuwenden.
Belohnt wuͤrde ich nicht das Herz gehabt haben einem Freunde
unter Augen zu gehen, aus Furcht ihn zu ſehr zu demuͤthigen;
und unbelohnt wuͤrde ich einer Art von oͤffentlichen Beſchim-
pfung gelebt haben, weil ein jeder von mir geſagt haben
wuͤrde: Der Mann hat keine Verdienſte. Glauben Sie mir
gewiß, ſo lange wir Menſchen bleiben, iſt es beſſer, daß un-
terweilen auch Gluͤck und Gunſt die Preiſe austheilen, als daß
eine menſchliche Weisheit ſolche jedem nach ſeinen Verdienſten
zuwaͤge; es iſt beſſer, daß Geburt und Alter als wahrer Werth
die Rangordnung in der Welt beſtimme. Ja ich getraue mir
zu ſagen, der Dienſt wuͤrde gar nicht beſtehen koͤnnen, wenn

jede
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="315"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an den Stifter der Wittwenca&#x017F;&#x017F;e zu ****</hi></fw><lb/>
als daß jede von Uns dem Staate einen Fu&#x0364;ndling abnehmen,<lb/>
und den&#x017F;elben zugleich von der Jungfernpen&#x017F;ion erziehen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te?</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#et">Ich bin<lb/><hi rendition="#fr">Lore</hi> ....</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXXIX.</hi><lb/>
Keine Befo&#x0364;rderung nach Verdien&#x017F;ten.<lb/>
An einen Officier.</hi> </head><lb/>
        <p>Es geht mir zwar nahe, lieb&#x017F;ter Freund! daß ihre Ver-<lb/>
dien&#x017F;te &#x017F;o wenig erkannt werden; allein ihre Forderung,<lb/>
daß in einem Staate einzig und allein auf wahre Verdien&#x017F;te<lb/>
ge&#x017F;ehen werden &#x017F;ollte, i&#x017F;t mit ihrer gu&#x0364;tigen Erlaubniß, die<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;te, welche noch in einer mu&#x0364;ßigen Stunde ausgehecket<lb/>
worden. Ich wenig&#x017F;tens wu&#x0364;rde belohnt oder unbelohnt nie<lb/>
in dem Staate bleiben, worinn man es zur Regel gemacht<lb/>
ha&#x0364;tte, alle Ehre einzig und allein dem Verdien&#x017F;te zuzuwenden.<lb/>
Belohnt wu&#x0364;rde ich nicht das Herz gehabt haben einem Freunde<lb/>
unter Augen zu gehen, aus Furcht ihn zu &#x017F;ehr zu demu&#x0364;thigen;<lb/>
und unbelohnt wu&#x0364;rde ich einer Art von o&#x0364;ffentlichen Be&#x017F;chim-<lb/>
pfung gelebt haben, weil ein jeder von mir ge&#x017F;agt haben<lb/>
wu&#x0364;rde: Der Mann hat keine Verdien&#x017F;te. Glauben Sie mir<lb/>
gewiß, &#x017F;o lange wir Men&#x017F;chen bleiben, i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, daß un-<lb/>
terweilen auch Glu&#x0364;ck und Gun&#x017F;t die Prei&#x017F;e austheilen, als daß<lb/>
eine men&#x017F;chliche Weisheit &#x017F;olche jedem nach &#x017F;einen Verdien&#x017F;ten<lb/>
zuwa&#x0364;ge; es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er, daß Geburt und Alter als wahrer Werth<lb/>
die Rangordnung in der Welt be&#x017F;timme. Ja ich getraue mir<lb/>
zu &#x017F;agen, der Dien&#x017F;t wu&#x0364;rde gar nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jede</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0333] an den Stifter der Wittwencaſſe zu **** als daß jede von Uns dem Staate einen Fuͤndling abnehmen, und denſelben zugleich von der Jungfernpenſion erziehen muͤſte? Ich bin Lore .... XXXXIX. Keine Befoͤrderung nach Verdienſten. An einen Officier. Es geht mir zwar nahe, liebſter Freund! daß ihre Ver- dienſte ſo wenig erkannt werden; allein ihre Forderung, daß in einem Staate einzig und allein auf wahre Verdienſte geſehen werden ſollte, iſt mit ihrer guͤtigen Erlaubniß, die ſeltſamſte, welche noch in einer muͤßigen Stunde ausgehecket worden. Ich wenigſtens wuͤrde belohnt oder unbelohnt nie in dem Staate bleiben, worinn man es zur Regel gemacht haͤtte, alle Ehre einzig und allein dem Verdienſte zuzuwenden. Belohnt wuͤrde ich nicht das Herz gehabt haben einem Freunde unter Augen zu gehen, aus Furcht ihn zu ſehr zu demuͤthigen; und unbelohnt wuͤrde ich einer Art von oͤffentlichen Beſchim- pfung gelebt haben, weil ein jeder von mir geſagt haben wuͤrde: Der Mann hat keine Verdienſte. Glauben Sie mir gewiß, ſo lange wir Menſchen bleiben, iſt es beſſer, daß un- terweilen auch Gluͤck und Gunſt die Preiſe austheilen, als daß eine menſchliche Weisheit ſolche jedem nach ſeinen Verdienſten zuwaͤge; es iſt beſſer, daß Geburt und Alter als wahrer Werth die Rangordnung in der Welt beſtimme. Ja ich getraue mir zu ſagen, der Dienſt wuͤrde gar nicht beſtehen koͤnnen, wenn jede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/333
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/333>, abgerufen am 24.11.2024.