diejenigen die den Krämern unter andern Umständen Vor- züge eingeräumet haben, solche auch, nachdem es die gemeine Wohlfart erfordert, wieder mindern sollten?
Das Recht mit Thee, Koffee, Zucker, Weine und der- gleichen zu handeln könnte den eigentlichen Kanfleuten ver- bleiben. Jeder der vor dem vertrauten Ausschusse darlegte, daß er z. E. für zehntausend Thaler jährlich einheimische Lin- nen- oder Wollenwaare verschickte, könnte dabey füglich das Recht haben, mit jenen Waaren allein zu handeln. So würde die Krämerey eine Nebensache des Kaufmanns, und nur der Patriot der mit der einen Hand seine Mitbürger höbe, hätte die Befugniß sich mit der andern durch solche Waaren, welche sich nicht füglich für Handwerker schicken, zu bereichern. Die- ses wäre eine gerechte Vergeltung, und weil die Krämerey dadurch zugleich zu einem bloßen Nebenzweige gemacht wür- de: so dürfte man auch so leicht nicht fürchten, daß einer sich zu sehr darauf legen würde. Der Kaufmann, der einheimi- sche Producte im Großen verschickt, hat eine edlere Seele; er denkt größer, und hebt seinen Mitbürger um seinen vor- züglichsten Handel durch ihn zu befördern. Dieses ist eine natürliche Folge der menschlichen Denkungsart, und die Ehre ein Kaufmann zu seyn, und durch diesen Namen sich den Weg zu den höchsten bürgerlichen Würden zu bahnen, würde ihn scharfsinnig machen neue Erwerbungsmittel für seine Mitbür- ger auszusinnen, um auf diese Weise durch neue Zweige sei- nen Handel und seine Ehre zu erhalten.
Bis dahin diese guten Wünsche erfüllet seyn, muß man es als eine Glückseligkeit unserer Zeiten ansehen, daß allmählig große Krämer entstehen, deren jeder zwanzig kleinere ver- schlingt. Die kleinen Raubvögel die unsre guten Handwer- ker zuerst verzehret haben, werden solchergestalt ein Raub der
Grös-
Der nothwendige Unterſcheid
diejenigen die den Kraͤmern unter andern Umſtaͤnden Vor- zuͤge eingeraͤumet haben, ſolche auch, nachdem es die gemeine Wohlfart erfordert, wieder mindern ſollten?
Das Recht mit Thee, Koffee, Zucker, Weine und der- gleichen zu handeln koͤnnte den eigentlichen Kanfleuten ver- bleiben. Jeder der vor dem vertrauten Ausſchuſſe darlegte, daß er z. E. fuͤr zehntauſend Thaler jaͤhrlich einheimiſche Lin- nen- oder Wollenwaare verſchickte, koͤnnte dabey fuͤglich das Recht haben, mit jenen Waaren allein zu handeln. So wuͤrde die Kraͤmerey eine Nebenſache des Kaufmanns, und nur der Patriot der mit der einen Hand ſeine Mitbuͤrger hoͤbe, haͤtte die Befugniß ſich mit der andern durch ſolche Waaren, welche ſich nicht fuͤglich fuͤr Handwerker ſchicken, zu bereichern. Die- ſes waͤre eine gerechte Vergeltung, und weil die Kraͤmerey dadurch zugleich zu einem bloßen Nebenzweige gemacht wuͤr- de: ſo duͤrfte man auch ſo leicht nicht fuͤrchten, daß einer ſich zu ſehr darauf legen wuͤrde. Der Kaufmann, der einheimi- ſche Producte im Großen verſchickt, hat eine edlere Seele; er denkt groͤßer, und hebt ſeinen Mitbuͤrger um ſeinen vor- zuͤglichſten Handel durch ihn zu befoͤrdern. Dieſes iſt eine natuͤrliche Folge der menſchlichen Denkungsart, und die Ehre ein Kaufmann zu ſeyn, und durch dieſen Namen ſich den Weg zu den hoͤchſten buͤrgerlichen Wuͤrden zu bahnen, wuͤrde ihn ſcharfſinnig machen neue Erwerbungsmittel fuͤr ſeine Mitbuͤr- ger auszuſinnen, um auf dieſe Weiſe durch neue Zweige ſei- nen Handel und ſeine Ehre zu erhalten.
Bis dahin dieſe guten Wuͤnſche erfuͤllet ſeyn, muß man es als eine Gluͤckſeligkeit unſerer Zeiten anſehen, daß allmaͤhlig große Kraͤmer entſtehen, deren jeder zwanzig kleinere ver- ſchlingt. Die kleinen Raubvoͤgel die unſre guten Handwer- ker zuerſt verzehret haben, werden ſolchergeſtalt ein Raub der
Groͤſ-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0324"n="306"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der nothwendige Unterſcheid</hi></fw><lb/>
diejenigen die den Kraͤmern unter andern Umſtaͤnden Vor-<lb/>
zuͤge eingeraͤumet haben, ſolche auch, nachdem es die gemeine<lb/>
Wohlfart erfordert, wieder mindern ſollten?</p><lb/><p>Das Recht mit Thee, Koffee, Zucker, Weine und der-<lb/>
gleichen zu handeln koͤnnte den eigentlichen Kanfleuten ver-<lb/>
bleiben. Jeder der vor dem vertrauten Ausſchuſſe darlegte,<lb/>
daß er z. E. fuͤr zehntauſend Thaler jaͤhrlich einheimiſche Lin-<lb/>
nen- oder Wollenwaare verſchickte, koͤnnte dabey fuͤglich das<lb/>
Recht haben, mit jenen Waaren allein zu handeln. So wuͤrde<lb/>
die Kraͤmerey eine Nebenſache des Kaufmanns, und nur der<lb/>
Patriot der mit der einen Hand ſeine Mitbuͤrger hoͤbe, haͤtte<lb/>
die Befugniß ſich mit der andern durch ſolche Waaren, welche<lb/>ſich nicht fuͤglich fuͤr Handwerker ſchicken, zu bereichern. Die-<lb/>ſes waͤre eine gerechte Vergeltung, und weil die Kraͤmerey<lb/>
dadurch zugleich zu einem bloßen Nebenzweige gemacht wuͤr-<lb/>
de: ſo duͤrfte man auch ſo leicht nicht fuͤrchten, daß einer ſich<lb/>
zu ſehr darauf legen wuͤrde. Der Kaufmann, der einheimi-<lb/>ſche Producte im Großen verſchickt, hat eine edlere Seele;<lb/>
er denkt groͤßer, und hebt ſeinen Mitbuͤrger um ſeinen vor-<lb/>
zuͤglichſten Handel durch ihn zu befoͤrdern. Dieſes iſt eine<lb/>
natuͤrliche Folge der menſchlichen Denkungsart, und die Ehre<lb/>
ein Kaufmann zu ſeyn, und durch dieſen Namen ſich den Weg<lb/>
zu den hoͤchſten buͤrgerlichen Wuͤrden zu bahnen, wuͤrde ihn<lb/>ſcharfſinnig machen neue Erwerbungsmittel fuͤr ſeine Mitbuͤr-<lb/>
ger auszuſinnen, um auf dieſe Weiſe durch neue Zweige ſei-<lb/>
nen Handel und ſeine Ehre zu erhalten.</p><lb/><p>Bis dahin dieſe guten Wuͤnſche erfuͤllet ſeyn, muß man es<lb/>
als eine Gluͤckſeligkeit unſerer Zeiten anſehen, daß allmaͤhlig<lb/>
große Kraͤmer entſtehen, deren jeder zwanzig kleinere ver-<lb/>ſchlingt. Die kleinen Raubvoͤgel die unſre guten Handwer-<lb/>
ker zuerſt verzehret haben, werden ſolchergeſtalt ein Raub der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Groͤſ-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[306/0324]
Der nothwendige Unterſcheid
diejenigen die den Kraͤmern unter andern Umſtaͤnden Vor-
zuͤge eingeraͤumet haben, ſolche auch, nachdem es die gemeine
Wohlfart erfordert, wieder mindern ſollten?
Das Recht mit Thee, Koffee, Zucker, Weine und der-
gleichen zu handeln koͤnnte den eigentlichen Kanfleuten ver-
bleiben. Jeder der vor dem vertrauten Ausſchuſſe darlegte,
daß er z. E. fuͤr zehntauſend Thaler jaͤhrlich einheimiſche Lin-
nen- oder Wollenwaare verſchickte, koͤnnte dabey fuͤglich das
Recht haben, mit jenen Waaren allein zu handeln. So wuͤrde
die Kraͤmerey eine Nebenſache des Kaufmanns, und nur der
Patriot der mit der einen Hand ſeine Mitbuͤrger hoͤbe, haͤtte
die Befugniß ſich mit der andern durch ſolche Waaren, welche
ſich nicht fuͤglich fuͤr Handwerker ſchicken, zu bereichern. Die-
ſes waͤre eine gerechte Vergeltung, und weil die Kraͤmerey
dadurch zugleich zu einem bloßen Nebenzweige gemacht wuͤr-
de: ſo duͤrfte man auch ſo leicht nicht fuͤrchten, daß einer ſich
zu ſehr darauf legen wuͤrde. Der Kaufmann, der einheimi-
ſche Producte im Großen verſchickt, hat eine edlere Seele;
er denkt groͤßer, und hebt ſeinen Mitbuͤrger um ſeinen vor-
zuͤglichſten Handel durch ihn zu befoͤrdern. Dieſes iſt eine
natuͤrliche Folge der menſchlichen Denkungsart, und die Ehre
ein Kaufmann zu ſeyn, und durch dieſen Namen ſich den Weg
zu den hoͤchſten buͤrgerlichen Wuͤrden zu bahnen, wuͤrde ihn
ſcharfſinnig machen neue Erwerbungsmittel fuͤr ſeine Mitbuͤr-
ger auszuſinnen, um auf dieſe Weiſe durch neue Zweige ſei-
nen Handel und ſeine Ehre zu erhalten.
Bis dahin dieſe guten Wuͤnſche erfuͤllet ſeyn, muß man es
als eine Gluͤckſeligkeit unſerer Zeiten anſehen, daß allmaͤhlig
große Kraͤmer entſtehen, deren jeder zwanzig kleinere ver-
ſchlingt. Die kleinen Raubvoͤgel die unſre guten Handwer-
ker zuerſt verzehret haben, werden ſolchergeſtalt ein Raub der
Groͤſ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/324>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.