Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Der nothwendige Unterscheid gleich beym Eintritt glänzt die Wohlaussehende Frau in ihremKramladen. Mit dieser Einrichtung sind unzählige Vortheile verknüpft. Die Frau des Schneiders handelt mit Mützen, Saloppen und andern dergleichen Waaren, die der Mann entweder selbst machen, oder doch eben so leicht als ein Krä- mer anschaffen kan. Der Mann bekömmt, wenn letzters ge- schieht, alle neue Moden in die Hände, er ändert darnach seine eigene Arbeit, bessert an den empfangenen, lernt nach- ahmen, nutzet alle Kleinigkeiten und bedient sich aller Vor- theile seines Amts. Auf gleiche Weise verfahren alle andre Handwerker. Ihre Frauen handeln mit solchen Waaren, wor- unter der Mann immer noch etwas von seiner eignen Arbeit mit verkaufen, oder woran er durch ändern, bessern oder zu- setzen etwas gewinnen kan. Alles was an den Waaren zer- brochen oder verdorben ist, verstehet er durch seine Kunst zu ersetzen; er bedarf keiner fremden Hand wie der Krämer, und versteht die gute Erhaltung und Bewahrung der in sein Handwerk schlagenden Waaren besser als wie dieser, der oft nicht weiß ob eine Waare sich in trockener oder feuchter Luft, in Holz oder Glas, auf dem Boden oder im Keller am besten erhalten will. Der Handwerker, der bey dieser Gelegenheit die fremden Preise kennen lernt, und findet, daß sie geringer sind als er sie in seiner eignen Arbeit geben kan, sinnet den Kunstgriffen nach die der Fremde gebraucht; entdeckt das ver- fälschte oder unvollkommene mit einem halben Auge, und er- findet durch seine kunstmäßige Einsicht so gleich einen Vortheil, wodurch er den Fremden wieder überholet. Und wer kan ein größerer Kenner von Waaren seyn, als ge-
Der nothwendige Unterſcheid gleich beym Eintritt glaͤnzt die Wohlausſehende Frau in ihremKramladen. Mit dieſer Einrichtung ſind unzaͤhlige Vortheile verknuͤpft. Die Frau des Schneiders handelt mit Muͤtzen, Saloppen und andern dergleichen Waaren, die der Mann entweder ſelbſt machen, oder doch eben ſo leicht als ein Kraͤ- mer anſchaffen kan. Der Mann bekoͤmmt, wenn letzters ge- ſchieht, alle neue Moden in die Haͤnde, er aͤndert darnach ſeine eigene Arbeit, beſſert an den empfangenen, lernt nach- ahmen, nutzet alle Kleinigkeiten und bedient ſich aller Vor- theile ſeines Amts. Auf gleiche Weiſe verfahren alle andre Handwerker. Ihre Frauen handeln mit ſolchen Waaren, wor- unter der Mann immer noch etwas von ſeiner eignen Arbeit mit verkaufen, oder woran er durch aͤndern, beſſern oder zu- ſetzen etwas gewinnen kan. Alles was an den Waaren zer- brochen oder verdorben iſt, verſtehet er durch ſeine Kunſt zu erſetzen; er bedarf keiner fremden Hand wie der Kraͤmer, und verſteht die gute Erhaltung und Bewahrung der in ſein Handwerk ſchlagenden Waaren beſſer als wie dieſer, der oft nicht weiß ob eine Waare ſich in trockener oder feuchter Luft, in Holz oder Glas, auf dem Boden oder im Keller am beſten erhalten will. Der Handwerker, der bey dieſer Gelegenheit die fremden Preiſe kennen lernt, und findet, daß ſie geringer ſind als er ſie in ſeiner eignen Arbeit geben kan, ſinnet den Kunſtgriffen nach die der Fremde gebraucht; entdeckt das ver- faͤlſchte oder unvollkommene mit einem halben Auge, und er- findet durch ſeine kunſtmaͤßige Einſicht ſo gleich einen Vortheil, wodurch er den Fremden wieder uͤberholet. Und wer kan ein groͤßerer Kenner von Waaren ſeyn, als ge-
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Der nothwendige Unterſcheid
gleich beym Eintritt glaͤnzt die Wohlausſehende Frau in ihrem
Kramladen. Mit dieſer Einrichtung ſind unzaͤhlige Vortheile
verknuͤpft. Die Frau des Schneiders handelt mit Muͤtzen,
Saloppen und andern dergleichen Waaren, die der Mann
entweder ſelbſt machen, oder doch eben ſo leicht als ein Kraͤ-
mer anſchaffen kan. Der Mann bekoͤmmt, wenn letzters ge-
ſchieht, alle neue Moden in die Haͤnde, er aͤndert darnach
ſeine eigene Arbeit, beſſert an den empfangenen, lernt nach-
ahmen, nutzet alle Kleinigkeiten und bedient ſich aller Vor-
theile ſeines Amts. Auf gleiche Weiſe verfahren alle andre
Handwerker. Ihre Frauen handeln mit ſolchen Waaren, wor-
unter der Mann immer noch etwas von ſeiner eignen Arbeit
mit verkaufen, oder woran er durch aͤndern, beſſern oder zu-
ſetzen etwas gewinnen kan. Alles was an den Waaren zer-
brochen oder verdorben iſt, verſtehet er durch ſeine Kunſt zu
erſetzen; er bedarf keiner fremden Hand wie der Kraͤmer,
und verſteht die gute Erhaltung und Bewahrung der in ſein
Handwerk ſchlagenden Waaren beſſer als wie dieſer, der oft
nicht weiß ob eine Waare ſich in trockener oder feuchter Luft,
in Holz oder Glas, auf dem Boden oder im Keller am beſten
erhalten will. Der Handwerker, der bey dieſer Gelegenheit
die fremden Preiſe kennen lernt, und findet, daß ſie geringer
ſind als er ſie in ſeiner eignen Arbeit geben kan, ſinnet den
Kunſtgriffen nach die der Fremde gebraucht; entdeckt das ver-
faͤlſchte oder unvollkommene mit einem halben Auge, und er-
findet durch ſeine kunſtmaͤßige Einſicht ſo gleich einen Vortheil,
wodurch er den Fremden wieder uͤberholet.
Und wer kan ein groͤßerer Kenner von Waaren ſeyn, als
der Handwerker der ſolche taͤglich ſelbſt verfertiget? wer kennt
die Farben beſſer als ein Faͤrber oder Mahler? wer Rauch-
und Lederwerk, wer Wolle und Filz, wer Metall und Eiſen-
waaren beſſer als diejenigen ſo darinn arbeiten? und wer kan
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