und in der Welt könnte die Ehre nicht nützlicher als auf diese Weise angelegt werden. Im Gegentheil kan man nicht un- politischer verfahren, als daß man diejenigen, welche allen einheimischen Fleiß unterdrücken, und auf nichts anders den- ken, als an ausheimischen Sachen zu gewinnen, mit jenen vermischt, und beyde in eine Classe setzt.
Die Ehre und der Rang, welchen sich die Krämer mit den Kaufleuten und über die Handwerker erworben haben, ist un- streitig die offenbarste Erschleichung, welche jemals die ge- sunde Vernunft erlitten hat. Denn es gehört gewiß sehr we- nig Kunst dazu um hundert Pfund Zucker, Kossee oder Ro- sinen in Empfang zu nehmen, und bey kleinern Theilen wie- der auszuwiegen. Die ganze Buchhaltung besteht hier in Anschreiben und Auslöschen, und die ganze Rechenkunst in der armen Regel de Tri. Hundert Leute haben sich auf dem Land[e] niedergelassen und die Krämerey ergriffen, ohne sie je- mals gelernet zu haben, und hundert Frauen sind in die Bou- tiquen gekommen, welche niemals vorher in der Handlung unterrichtet worden. Aber unter Millionen Menschen wird kein einziger auf einem so leichten Wege ein geschickter Schnei- der oder Schuster und unter hundert, die das Handwerk ge- lernet haben, findet man oft nur einen, der es in einem vor- züglichen Grade versteht. Zum Handwerke wird also offen- bar weit mehr Kunst und Geschicklichkeit erfordert, als zur Krämerey, und es ist ein wichtiger Staatsfehler, die Kunst unter jene herabzusetzen.
Ueberhaupt wäre es gar nicht nöthig eine eigne Classe von Krämern, oder eine so genannte Krämergilde zu haben. Die ganze Krämerey sollte eine Ergötzung für die Handwerker und ihre Frauen seyn. In dem mehrsten großen Handelsstädten hat der Handwerker seine Werkstätte hinten im Hause, und
gleich
zwiſchen dem Kaufmann und Kraͤmer.
und in der Welt koͤnnte die Ehre nicht nuͤtzlicher als auf dieſe Weiſe angelegt werden. Im Gegentheil kan man nicht un- politiſcher verfahren, als daß man diejenigen, welche allen einheimiſchen Fleiß unterdruͤcken, und auf nichts anders den- ken, als an ausheimiſchen Sachen zu gewinnen, mit jenen vermiſcht, und beyde in eine Claſſe ſetzt.
Die Ehre und der Rang, welchen ſich die Kraͤmer mit den Kaufleuten und uͤber die Handwerker erworben haben, iſt un- ſtreitig die offenbarſte Erſchleichung, welche jemals die ge- ſunde Vernunft erlitten hat. Denn es gehoͤrt gewiß ſehr we- nig Kunſt dazu um hundert Pfund Zucker, Koſſee oder Ro- ſinen in Empfang zu nehmen, und bey kleinern Theilen wie- der auszuwiegen. Die ganze Buchhaltung beſteht hier in Anſchreiben und Ausloͤſchen, und die ganze Rechenkunſt in der armen Regel de Tri. Hundert Leute haben ſich auf dem Land[e] niedergelaſſen und die Kraͤmerey ergriffen, ohne ſie je- mals gelernet zu haben, und hundert Frauen ſind in die Bou- tiquen gekommen, welche niemals vorher in der Handlung unterrichtet worden. Aber unter Millionen Menſchen wird kein einziger auf einem ſo leichten Wege ein geſchickter Schnei- der oder Schuſter und unter hundert, die das Handwerk ge- lernet haben, findet man oft nur einen, der es in einem vor- zuͤglichen Grade verſteht. Zum Handwerke wird alſo offen- bar weit mehr Kunſt und Geſchicklichkeit erfordert, als zur Kraͤmerey, und es iſt ein wichtiger Staatsfehler, die Kunſt unter jene herabzuſetzen.
Ueberhaupt waͤre es gar nicht noͤthig eine eigne Claſſe von Kraͤmern, oder eine ſo genannte Kraͤmergilde zu haben. Die ganze Kraͤmerey ſollte eine Ergoͤtzung fuͤr die Handwerker und ihre Frauen ſeyn. In dem mehrſten großen Handelsſtaͤdten hat der Handwerker ſeine Werkſtaͤtte hinten im Hauſe, und
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zwiſchen dem Kaufmann und Kraͤmer.
und in der Welt koͤnnte die Ehre nicht nuͤtzlicher als auf dieſe
Weiſe angelegt werden. Im Gegentheil kan man nicht un-
politiſcher verfahren, als daß man diejenigen, welche allen
einheimiſchen Fleiß unterdruͤcken, und auf nichts anders den-
ken, als an ausheimiſchen Sachen zu gewinnen, mit jenen
vermiſcht, und beyde in eine Claſſe ſetzt.
Die Ehre und der Rang, welchen ſich die Kraͤmer mit den
Kaufleuten und uͤber die Handwerker erworben haben, iſt un-
ſtreitig die offenbarſte Erſchleichung, welche jemals die ge-
ſunde Vernunft erlitten hat. Denn es gehoͤrt gewiß ſehr we-
nig Kunſt dazu um hundert Pfund Zucker, Koſſee oder Ro-
ſinen in Empfang zu nehmen, und bey kleinern Theilen wie-
der auszuwiegen. Die ganze Buchhaltung beſteht hier in
Anſchreiben und Ausloͤſchen, und die ganze Rechenkunſt in
der armen Regel de Tri. Hundert Leute haben ſich auf dem
Lande niedergelaſſen und die Kraͤmerey ergriffen, ohne ſie je-
mals gelernet zu haben, und hundert Frauen ſind in die Bou-
tiquen gekommen, welche niemals vorher in der Handlung
unterrichtet worden. Aber unter Millionen Menſchen wird
kein einziger auf einem ſo leichten Wege ein geſchickter Schnei-
der oder Schuſter und unter hundert, die das Handwerk ge-
lernet haben, findet man oft nur einen, der es in einem vor-
zuͤglichen Grade verſteht. Zum Handwerke wird alſo offen-
bar weit mehr Kunſt und Geſchicklichkeit erfordert, als zur
Kraͤmerey, und es iſt ein wichtiger Staatsfehler, die Kunſt
unter jene herabzuſetzen.
Ueberhaupt waͤre es gar nicht noͤthig eine eigne Claſſe von
Kraͤmern, oder eine ſo genannte Kraͤmergilde zu haben. Die
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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