Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Gedanken andern Umständen und in andern Zeiten verordnet hatte. An-dre Religionen haben die Knechte arbeiten lassen, wenn sie den Herrn einen Feyertag machten. Allein die christliche Kirche, welche allen Menschen ohne Unterschied des Standes, ihre Wohlthaten mittheilet, und den Knecht wie den Herrn als ebenbürtige Kinder aufnimmt, gebietet Feyern für alle; und so bald sie diesen großen Endzweck hatte, so bald sie Rei- chen und Armen, Wein- und Ackerbauern, Hirten und Jä- gern eine gleiche Güte zeigen wollte; so bald sie die Einwoh- ner fruchtbarer und unfruchtbarer, schwach und stark bevölker- ter, heisser und kalter Gegenden einerley Feyern theilhaftig zu machen wünschte: so war es auch eine stillschweigende Be- dingung ihrer Weisheit und Güte, daß sie sich nach den ver- schiedenen Bedürfnissen der Zeiten, Länder und Menschen rich- ten wollte. Der Arme muß mehr arbeiten als der Reiche; ein bevölkerter Staat mehr als ein unbevölkerter, wo wenige von vielen leben; der Ackersmann mehr, als der so von der Viehzucht lebt; der mit Steuren beschwerte mehr, als der es nicht ist; in wärmern Gegenden fällt die häufigste Arbeit auf andre Tage als in kältern; der Weinbauer kan feyern, wenn der Schnitter schwitzt: In einer Reihe von glücklichen und ruhigen Zeiten können Feyertage eingeführet werden, a) die in harten und theuren Jahren schädlich sind. Einreissende Mißbräuche können zur Verminderung solcher Feyertage füh- ren, die eine reine Andacht ehedem geheiliget hatte, und ein herrschender Unglaube kan die Kirche bewegen gewisse Lehrsätze an eignen dazu bestimmten Tagen in mehrer Erbauung zu hal- ten, die nach einer glücklichen Sinnesänderung der Menschen über- a) Aus diesem Geschichtspunkt betrachtet auch schon der H.
Bernard Epist. 174. die Feyertage, wenn er schreibt: Patriae est non exilii haec frequentia gaudiorum, et numerositas festivitatum cives decet non exules Gedanken andern Umſtaͤnden und in andern Zeiten verordnet hatte. An-dre Religionen haben die Knechte arbeiten laſſen, wenn ſie den Herrn einen Feyertag machten. Allein die chriſtliche Kirche, welche allen Menſchen ohne Unterſchied des Standes, ihre Wohlthaten mittheilet, und den Knecht wie den Herrn als ebenbuͤrtige Kinder aufnimmt, gebietet Feyern fuͤr alle; und ſo bald ſie dieſen großen Endzweck hatte, ſo bald ſie Rei- chen und Armen, Wein- und Ackerbauern, Hirten und Jaͤ- gern eine gleiche Guͤte zeigen wollte; ſo bald ſie die Einwoh- ner fruchtbarer und unfruchtbarer, ſchwach und ſtark bevoͤlker- ter, heiſſer und kalter Gegenden einerley Feyern theilhaftig zu machen wuͤnſchte: ſo war es auch eine ſtillſchweigende Be- dingung ihrer Weisheit und Guͤte, daß ſie ſich nach den ver- ſchiedenen Beduͤrfniſſen der Zeiten, Laͤnder und Menſchen rich- ten wollte. Der Arme muß mehr arbeiten als der Reiche; ein bevoͤlkerter Staat mehr als ein unbevoͤlkerter, wo wenige von vielen leben; der Ackersmann mehr, als der ſo von der Viehzucht lebt; der mit Steuren beſchwerte mehr, als der es nicht iſt; in waͤrmern Gegenden faͤllt die haͤufigſte Arbeit auf andre Tage als in kaͤltern; der Weinbauer kan feyern, wenn der Schnitter ſchwitzt: In einer Reihe von gluͤcklichen und ruhigen Zeiten koͤnnen Feyertage eingefuͤhret werden, a) die in harten und theuren Jahren ſchaͤdlich ſind. Einreiſſende Mißbraͤuche koͤnnen zur Verminderung ſolcher Feyertage fuͤh- ren, die eine reine Andacht ehedem geheiliget hatte, und ein herrſchender Unglaube kan die Kirche bewegen gewiſſe Lehrſaͤtze an eignen dazu beſtimmten Tagen in mehrer Erbauung zu hal- ten, die nach einer gluͤcklichen Sinnesaͤnderung der Menſchen uͤber- a) Aus dieſem Geſchichtspunkt betrachtet auch ſchon der H.
Bernard Epiſt. 174. die Feyertage, wenn er ſchreibt: Patriae eſt non exilii haec frequentia gaudiorum, et numeroſitas feſtivitatum cives decet non exules <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0292" n="274"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gedanken</hi></fw><lb/> andern Umſtaͤnden und in andern Zeiten verordnet hatte. An-<lb/> dre Religionen haben die Knechte arbeiten laſſen, wenn ſie<lb/> den Herrn einen Feyertag machten. Allein die chriſtliche<lb/> Kirche, welche allen Menſchen ohne Unterſchied des Standes,<lb/> ihre Wohlthaten mittheilet, und den Knecht wie den Herrn<lb/> als ebenbuͤrtige Kinder aufnimmt, gebietet Feyern fuͤr alle;<lb/> und ſo bald ſie dieſen großen Endzweck hatte, ſo bald ſie Rei-<lb/> chen und Armen, Wein- und Ackerbauern, Hirten und Jaͤ-<lb/> gern eine gleiche Guͤte zeigen wollte; ſo bald ſie die Einwoh-<lb/> ner fruchtbarer und unfruchtbarer, ſchwach und ſtark bevoͤlker-<lb/> ter, heiſſer und kalter Gegenden einerley Feyern theilhaftig<lb/> zu machen wuͤnſchte: ſo war es auch eine ſtillſchweigende Be-<lb/> dingung ihrer Weisheit und Guͤte, daß ſie ſich nach den ver-<lb/> ſchiedenen Beduͤrfniſſen der Zeiten, Laͤnder und Menſchen rich-<lb/> ten wollte. Der Arme muß mehr arbeiten als der Reiche;<lb/> ein bevoͤlkerter Staat mehr als ein unbevoͤlkerter, wo wenige<lb/> von vielen leben; der Ackersmann mehr, als der ſo von der<lb/> Viehzucht lebt; der mit Steuren beſchwerte mehr, als der es<lb/> nicht iſt; in waͤrmern Gegenden faͤllt die haͤufigſte Arbeit auf<lb/> andre Tage als in kaͤltern; der Weinbauer kan feyern, wenn<lb/> der Schnitter ſchwitzt: In einer Reihe von gluͤcklichen und<lb/> ruhigen Zeiten koͤnnen Feyertage eingefuͤhret werden, <note place="foot" n="a)">Aus dieſem Geſchichtspunkt betrachtet auch ſchon der H.<lb/> Bernard <hi rendition="#aq">Epiſt.</hi> 174. die Feyertage, wenn er ſchreibt:<lb/><hi rendition="#aq">Patriae eſt non exilii haec frequentia gaudiorum,<lb/> et numeroſitas feſtivitatum cives decet non exules</hi></note> die<lb/> in harten und theuren Jahren ſchaͤdlich ſind. Einreiſſende<lb/> Mißbraͤuche koͤnnen zur Verminderung ſolcher Feyertage fuͤh-<lb/> ren, die eine reine Andacht ehedem geheiliget hatte, und ein<lb/> herrſchender Unglaube kan die Kirche bewegen gewiſſe Lehrſaͤtze<lb/> an eignen dazu beſtimmten Tagen in mehrer Erbauung zu hal-<lb/> ten, die nach einer gluͤcklichen Sinnesaͤnderung der Menſchen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">uͤber-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0292]
Gedanken
andern Umſtaͤnden und in andern Zeiten verordnet hatte. An-
dre Religionen haben die Knechte arbeiten laſſen, wenn ſie
den Herrn einen Feyertag machten. Allein die chriſtliche
Kirche, welche allen Menſchen ohne Unterſchied des Standes,
ihre Wohlthaten mittheilet, und den Knecht wie den Herrn
als ebenbuͤrtige Kinder aufnimmt, gebietet Feyern fuͤr alle;
und ſo bald ſie dieſen großen Endzweck hatte, ſo bald ſie Rei-
chen und Armen, Wein- und Ackerbauern, Hirten und Jaͤ-
gern eine gleiche Guͤte zeigen wollte; ſo bald ſie die Einwoh-
ner fruchtbarer und unfruchtbarer, ſchwach und ſtark bevoͤlker-
ter, heiſſer und kalter Gegenden einerley Feyern theilhaftig
zu machen wuͤnſchte: ſo war es auch eine ſtillſchweigende Be-
dingung ihrer Weisheit und Guͤte, daß ſie ſich nach den ver-
ſchiedenen Beduͤrfniſſen der Zeiten, Laͤnder und Menſchen rich-
ten wollte. Der Arme muß mehr arbeiten als der Reiche;
ein bevoͤlkerter Staat mehr als ein unbevoͤlkerter, wo wenige
von vielen leben; der Ackersmann mehr, als der ſo von der
Viehzucht lebt; der mit Steuren beſchwerte mehr, als der es
nicht iſt; in waͤrmern Gegenden faͤllt die haͤufigſte Arbeit auf
andre Tage als in kaͤltern; der Weinbauer kan feyern, wenn
der Schnitter ſchwitzt: In einer Reihe von gluͤcklichen und
ruhigen Zeiten koͤnnen Feyertage eingefuͤhret werden, a) die
in harten und theuren Jahren ſchaͤdlich ſind. Einreiſſende
Mißbraͤuche koͤnnen zur Verminderung ſolcher Feyertage fuͤh-
ren, die eine reine Andacht ehedem geheiliget hatte, und ein
herrſchender Unglaube kan die Kirche bewegen gewiſſe Lehrſaͤtze
an eignen dazu beſtimmten Tagen in mehrer Erbauung zu hal-
ten, die nach einer gluͤcklichen Sinnesaͤnderung der Menſchen
uͤber-
a) Aus dieſem Geſchichtspunkt betrachtet auch ſchon der H.
Bernard Epiſt. 174. die Feyertage, wenn er ſchreibt:
Patriae eſt non exilii haec frequentia gaudiorum,
et numeroſitas feſtivitatum cives decet non exules
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