schon etwas zurück, und wie ich mich durch eine Heyrath erholen wollte, forderte der Verwalter auch den Brautschatz meiner Frauen zum Weinkaufe für sie. Was sollte ich thun, Henrich? Mein Gutsherr war unmündig, und der Verwal- ter von dem Richter bestellet, der die Leute schalten und wal- ten oder die Unterdrückten processen lies. Es war kein Baum auf dem Erbe, den meine Vorfahren nicht gepflanzt hatten und den ich nicht als Vater und Bruder betrachten konnte; Gebäude und Aecker waren von ihnen und auch in gutem Stande, und diese mit dem Rücken anzusehen war mir nicht möglich. Ich gab also alles hin was mir meine Braut zu- brachte, und der Procurator nahm sogar zween harte Thaler, die sie mir auf die Treue gegeben hatte, für die Schreibgebühr zu sich.
Nun dachte ich, würde ich doch arm und ruhig leben kön- nen. Allein der grausame Mensch behauptete, ich hätte bey dem Sterbfall etwas verschwiegen, und forderte mich darüber zum Eyde. Diesen wollte ich ungern ablegen, und es gieng daher zum Proceß, den ich mit allen Kosten verlohr, weil sich noch ein Fohlen, so ich in meines Vaters Hause angezogen hatte, in der Weide befand, das ich wohl gewust, aber anzu- geben vergessen hatte. Um die Kosten zu bezahlen, muste ich neue Schulden machen, und weil ich vielleicht nicht mit dem Muthe und dem Eyfer arbeitete, womit ich unter glücklichern Umständen mein Brodt gewiß erworben haben würde: so schlugen mir einige Erndten nacheinander ab; ich verlohr einige Pferde; und weil selten ein Unglück allein kömmt: so ward ich auch zuletzt von der Viehseuche heimgesucht, so daß ich endlich so wenig die Gutsherrl. Gefälle als die schul- digen Zinsen gehörig bezahlen konnte. Meine Brüder, de- nen ich ihren Antheil aus dem Erbe geben muste, drangen zu gleicher Zeit auf das ihrige. Ich ward verklagt, ver-
dammt,
Die Abmeyernng eine Erzaͤhlung.
ſchon etwas zuruͤck, und wie ich mich durch eine Heyrath erholen wollte, forderte der Verwalter auch den Brautſchatz meiner Frauen zum Weinkaufe fuͤr ſie. Was ſollte ich thun, Henrich? Mein Gutsherr war unmuͤndig, und der Verwal- ter von dem Richter beſtellet, der die Leute ſchalten und wal- ten oder die Unterdruͤckten proceſſen lies. Es war kein Baum auf dem Erbe, den meine Vorfahren nicht gepflanzt hatten und den ich nicht als Vater und Bruder betrachten konnte; Gebaͤude und Aecker waren von ihnen und auch in gutem Stande, und dieſe mit dem Ruͤcken anzuſehen war mir nicht moͤglich. Ich gab alſo alles hin was mir meine Braut zu- brachte, und der Procurator nahm ſogar zween harte Thaler, die ſie mir auf die Treue gegeben hatte, fuͤr die Schreibgebuͤhr zu ſich.
Nun dachte ich, wuͤrde ich doch arm und ruhig leben koͤn- nen. Allein der grauſame Menſch behauptete, ich haͤtte bey dem Sterbfall etwas verſchwiegen, und forderte mich daruͤber zum Eyde. Dieſen wollte ich ungern ablegen, und es gieng daher zum Proceß, den ich mit allen Koſten verlohr, weil ſich noch ein Fohlen, ſo ich in meines Vaters Hauſe angezogen hatte, in der Weide befand, das ich wohl gewuſt, aber anzu- geben vergeſſen hatte. Um die Koſten zu bezahlen, muſte ich neue Schulden machen, und weil ich vielleicht nicht mit dem Muthe und dem Eyfer arbeitete, womit ich unter gluͤcklichern Umſtaͤnden mein Brodt gewiß erworben haben wuͤrde: ſo ſchlugen mir einige Erndten nacheinander ab; ich verlohr einige Pferde; und weil ſelten ein Ungluͤck allein koͤmmt: ſo ward ich auch zuletzt von der Viehſeuche heimgeſucht, ſo daß ich endlich ſo wenig die Gutsherrl. Gefaͤlle als die ſchul- digen Zinſen gehoͤrig bezahlen konnte. Meine Bruͤder, de- nen ich ihren Antheil aus dem Erbe geben muſte, drangen zu gleicher Zeit auf das ihrige. Ich ward verklagt, ver-
dammt,
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Die Abmeyernng eine Erzaͤhlung.
ſchon etwas zuruͤck, und wie ich mich durch eine Heyrath
erholen wollte, forderte der Verwalter auch den Brautſchatz
meiner Frauen zum Weinkaufe fuͤr ſie. Was ſollte ich thun,
Henrich? Mein Gutsherr war unmuͤndig, und der Verwal-
ter von dem Richter beſtellet, der die Leute ſchalten und wal-
ten oder die Unterdruͤckten proceſſen lies. Es war kein Baum
auf dem Erbe, den meine Vorfahren nicht gepflanzt hatten
und den ich nicht als Vater und Bruder betrachten konnte;
Gebaͤude und Aecker waren von ihnen und auch in gutem
Stande, und dieſe mit dem Ruͤcken anzuſehen war mir nicht
moͤglich. Ich gab alſo alles hin was mir meine Braut zu-
brachte, und der Procurator nahm ſogar zween harte Thaler,
die ſie mir auf die Treue gegeben hatte, fuͤr die Schreibgebuͤhr
zu ſich.
Nun dachte ich, wuͤrde ich doch arm und ruhig leben koͤn-
nen. Allein der grauſame Menſch behauptete, ich haͤtte bey
dem Sterbfall etwas verſchwiegen, und forderte mich daruͤber
zum Eyde. Dieſen wollte ich ungern ablegen, und es gieng
daher zum Proceß, den ich mit allen Koſten verlohr, weil
ſich noch ein Fohlen, ſo ich in meines Vaters Hauſe angezogen
hatte, in der Weide befand, das ich wohl gewuſt, aber anzu-
geben vergeſſen hatte. Um die Koſten zu bezahlen, muſte ich
neue Schulden machen, und weil ich vielleicht nicht mit dem
Muthe und dem Eyfer arbeitete, womit ich unter gluͤcklichern
Umſtaͤnden mein Brodt gewiß erworben haben wuͤrde: ſo
ſchlugen mir einige Erndten nacheinander ab; ich verlohr
einige Pferde; und weil ſelten ein Ungluͤck allein koͤmmt:
ſo ward ich auch zuletzt von der Viehſeuche heimgeſucht, ſo
daß ich endlich ſo wenig die Gutsherrl. Gefaͤlle als die ſchul-
digen Zinſen gehoͤrig bezahlen konnte. Meine Bruͤder, de-
nen ich ihren Antheil aus dem Erbe geben muſte, drangen
zu gleicher Zeit auf das ihrige. Ich ward verklagt, ver-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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