Der dreyßigjährige Krieg hatte so manchen ehrlichen Mann arm gemacht, daß man in dem darauf erfolg- ten westphälischen Frieden Art. VIII. §. 5. den unglücklichen Schuldnern zum Besten einen eignen Artikel einrücken muste. Und alle Reichsstände waren hierauf bemühet, den Punkt ausfündig zu machen, worauf sich Gläubiger und Schuldner scheiden sollten.
Der Reichsabschied vom Jahr 1654 verordnete zum Besten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß ih- nen binnen drey Jahren kein Capital gelöset, der Rückstand aller während dem Kriege angelaufenen Zinsen bis auf ein Viertel erlassen, und vorerst nichts weiter als eine alte und neue Zinse jährlich zu bezahlen angemuthet werden sollte.
Es ist dieses das einzige Exempel in der Reichsgeschichte, daß man sich des höchsten und äussersten Obereigenthumsrechts auf eine so mächtige und allgemeine Weise bedienet habe. Die vorgängige Zuziehung aller Landstände, die Einwilli- gung sämtlicher Reichsstände; das Gutachten beyder höchsten Reichsgerichte; und die beyfällige Meinung der grösten Rechtsgelehrten der damaligen Zeit, sind aber auch solche feyerliche und wesentliche Umstände, daß man wohl einsehen kan, wie die Reichsstände einen für die Aufrechterhaltung des Eigenthumsrechts und der davon abhangenden National-
frey-
Vom Glaͤubiger
XXV. Vom Glaͤubiger und landſaͤßigen Schuldner.
Der dreyßigjaͤhrige Krieg hatte ſo manchen ehrlichen Mann arm gemacht, daß man in dem darauf erfolg- ten weſtphaͤliſchen Frieden Art. VIII. §. 5. den ungluͤcklichen Schuldnern zum Beſten einen eignen Artikel einruͤcken muſte. Und alle Reichsſtaͤnde waren hierauf bemuͤhet, den Punkt ausfuͤndig zu machen, worauf ſich Glaͤubiger und Schuldner ſcheiden ſollten.
Der Reichsabſchied vom Jahr 1654 verordnete zum Beſten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß ih- nen binnen drey Jahren kein Capital geloͤſet, der Ruͤckſtand aller waͤhrend dem Kriege angelaufenen Zinſen bis auf ein Viertel erlaſſen, und vorerſt nichts weiter als eine alte und neue Zinſe jaͤhrlich zu bezahlen angemuthet werden ſollte.
Es iſt dieſes das einzige Exempel in der Reichsgeſchichte, daß man ſich des hoͤchſten und aͤuſſerſten Obereigenthumsrechts auf eine ſo maͤchtige und allgemeine Weiſe bedienet habe. Die vorgaͤngige Zuziehung aller Landſtaͤnde, die Einwilli- gung ſaͤmtlicher Reichsſtaͤnde; das Gutachten beyder hoͤchſten Reichsgerichte; und die beyfaͤllige Meinung der groͤſten Rechtsgelehrten der damaligen Zeit, ſind aber auch ſolche feyerliche und weſentliche Umſtaͤnde, daß man wohl einſehen kan, wie die Reichsſtaͤnde einen fuͤr die Aufrechterhaltung des Eigenthumsrechts und der davon abhangenden National-
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Vom Glaͤubiger
XXV.
Vom Glaͤubiger und landſaͤßigen
Schuldner.
Der dreyßigjaͤhrige Krieg hatte ſo manchen ehrlichen
Mann arm gemacht, daß man in dem darauf erfolg-
ten weſtphaͤliſchen Frieden Art. VIII. §. 5. den ungluͤcklichen
Schuldnern zum Beſten einen eignen Artikel einruͤcken muſte.
Und alle Reichsſtaͤnde waren hierauf bemuͤhet, den Punkt
ausfuͤndig zu machen, worauf ſich Glaͤubiger und Schuldner
ſcheiden ſollten.
Der Reichsabſchied vom Jahr 1654 verordnete zum
Beſten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß ih-
nen binnen drey Jahren kein Capital geloͤſet, der Ruͤckſtand
aller waͤhrend dem Kriege angelaufenen Zinſen bis auf ein
Viertel erlaſſen, und vorerſt nichts weiter als eine alte und
neue Zinſe jaͤhrlich zu bezahlen angemuthet werden ſollte.
Es iſt dieſes das einzige Exempel in der Reichsgeſchichte,
daß man ſich des hoͤchſten und aͤuſſerſten Obereigenthumsrechts
auf eine ſo maͤchtige und allgemeine Weiſe bedienet habe.
Die vorgaͤngige Zuziehung aller Landſtaͤnde, die Einwilli-
gung ſaͤmtlicher Reichsſtaͤnde; das Gutachten beyder hoͤchſten
Reichsgerichte; und die beyfaͤllige Meinung der groͤſten
Rechtsgelehrten der damaligen Zeit, ſind aber auch ſolche
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/224>, abgerufen am 21.11.2024.
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