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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Also sind die unbest. Leibeigenthumsgefälle
wie dieser von dem Manne, der ins Sterbhaus kommt,
und gleich alle Winkel durchschnauft, denken müsse? Es
giebt daher auch
10) wenige Gutsherrn, die sich dieses traurigen Rechts
der Strenge nach bedienen, und den armen Waisen die
ganze elterliche Erbschaft entziehen; wenigstens treiben
sie es ungern zu einer eidlichen Eröfnung, weil die
Versuchung zum Meineide zu stark wird, und ohne
diese Eröfnung dürfte doch der Leibeigne die vorhandene
Capitalien schwerlich anzeigen. Die mehrsten sehen auch
11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne sich selbst zu schaden,
das Erbe nicht von allem entblößen, oder auch nur für
den Sterbfall eine gar zu starke Summe auf einmal
nehmen könne, indem solchenfalls der Leibeigne selten
wieder zu Kräften kommt, ja sich wohl gar, weil jeder
Landhaushalt mit zureichender Faust geführet seyn will,
in deren Ermangelung früh zu Grunde arbeitet, und
eine muthlose Nachkommenschaft zeuget. Daher ist
12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da christliche und
billige Gutsherrn solchen fast nirgends ziehen, ein un-
nöthiges aber schädliches Schreckbild, was die Leibeig-
nen in beständiger Furcht und vom Erwerben zurück
hält. Denn die Vorstellung, daß alles was sie mit
ihrem sauren Schweisse erwerben, ihren Kindern nicht
anders als in so fern sie einen falschen Eid daran wagen
wollen, zu statten kommen werde, muß die Leute noth-
wendig niederschlagen und ihren Fleiß schwächen.

In Ansehung der Auffahrten ist es

13) so wohl der Gutsherrn als Leibeignen wahrer Vortheil,
daß die neue Einrichtung Platz greife, indem die Eigen-
thums-
Alſo ſind die unbeſt. Leibeigenthumsgefaͤlle
wie dieſer von dem Manne, der ins Sterbhaus kommt,
und gleich alle Winkel durchſchnauft, denken muͤſſe? Es
giebt daher auch
10) wenige Gutsherrn, die ſich dieſes traurigen Rechts
der Strenge nach bedienen, und den armen Waiſen die
ganze elterliche Erbſchaft entziehen; wenigſtens treiben
ſie es ungern zu einer eidlichen Eroͤfnung, weil die
Verſuchung zum Meineide zu ſtark wird, und ohne
dieſe Eroͤfnung duͤrfte doch der Leibeigne die vorhandene
Capitalien ſchwerlich anzeigen. Die mehrſten ſehen auch
11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne ſich ſelbſt zu ſchaden,
das Erbe nicht von allem entbloͤßen, oder auch nur fuͤr
den Sterbfall eine gar zu ſtarke Summe auf einmal
nehmen koͤnne, indem ſolchenfalls der Leibeigne ſelten
wieder zu Kraͤften kommt, ja ſich wohl gar, weil jeder
Landhaushalt mit zureichender Fauſt gefuͤhret ſeyn will,
in deren Ermangelung fruͤh zu Grunde arbeitet, und
eine muthloſe Nachkommenſchaft zeuget. Daher iſt
12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da chriſtliche und
billige Gutsherrn ſolchen faſt nirgends ziehen, ein un-
noͤthiges aber ſchaͤdliches Schreckbild, was die Leibeig-
nen in beſtaͤndiger Furcht und vom Erwerben zuruͤck
haͤlt. Denn die Vorſtellung, daß alles was ſie mit
ihrem ſauren Schweiſſe erwerben, ihren Kindern nicht
anders als in ſo fern ſie einen falſchen Eid daran wagen
wollen, zu ſtatten kommen werde, muß die Leute noth-
wendig niederſchlagen und ihren Fleiß ſchwaͤchen.

In Anſehung der Auffahrten iſt es

13) ſo wohl der Gutsherrn als Leibeignen wahrer Vortheil,
daß die neue Einrichtung Platz greife, indem die Eigen-
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[180/0198] Alſo ſind die unbeſt. Leibeigenthumsgefaͤlle wie dieſer von dem Manne, der ins Sterbhaus kommt, und gleich alle Winkel durchſchnauft, denken muͤſſe? Es giebt daher auch 10) wenige Gutsherrn, die ſich dieſes traurigen Rechts der Strenge nach bedienen, und den armen Waiſen die ganze elterliche Erbſchaft entziehen; wenigſtens treiben ſie es ungern zu einer eidlichen Eroͤfnung, weil die Verſuchung zum Meineide zu ſtark wird, und ohne dieſe Eroͤfnung duͤrfte doch der Leibeigne die vorhandene Capitalien ſchwerlich anzeigen. Die mehrſten ſehen auch 11) wohl ein, daß ein Gutsherr ohne ſich ſelbſt zu ſchaden, das Erbe nicht von allem entbloͤßen, oder auch nur fuͤr den Sterbfall eine gar zu ſtarke Summe auf einmal nehmen koͤnne, indem ſolchenfalls der Leibeigne ſelten wieder zu Kraͤften kommt, ja ſich wohl gar, weil jeder Landhaushalt mit zureichender Fauſt gefuͤhret ſeyn will, in deren Ermangelung fruͤh zu Grunde arbeitet, und eine muthloſe Nachkommenſchaft zeuget. Daher iſt 12) der Sterbfall nach Ritterrecht, da chriſtliche und billige Gutsherrn ſolchen faſt nirgends ziehen, ein un- noͤthiges aber ſchaͤdliches Schreckbild, was die Leibeig- nen in beſtaͤndiger Furcht und vom Erwerben zuruͤck haͤlt. Denn die Vorſtellung, daß alles was ſie mit ihrem ſauren Schweiſſe erwerben, ihren Kindern nicht anders als in ſo fern ſie einen falſchen Eid daran wagen wollen, zu ſtatten kommen werde, muß die Leute noth- wendig niederſchlagen und ihren Fleiß ſchwaͤchen. In Anſehung der Auffahrten iſt es 13) ſo wohl der Gutsherrn als Leibeignen wahrer Vortheil, daß die neue Einrichtung Platz greife, indem die Eigen- thums-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/198>, abgerufen am 24.11.2024.