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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Der Bauerhof als eine Actie betrachtet.
in diesen giebt es keine Vollpflichtige oder Leibeigne auch keine
Soldaten als Wirthe.

Der Leibeigne war anfänglich ein Mensch ohne Actie; nach-
dem aber von der Actie nicht mehr persönlich gedienet wurde,
und die mehrsten Dienste in Geld verwandelt, oder durch Vi-
carien verrichtet werden konnten, hat der Staat nachgegeben,
doch also, daß da, wo es das Gesetze der mindesten Aufopfe-
rung erfordert, die besondern Verpflichtungen den gemeinen
nachstehen müssen. Den ersten Anlaß zu jener Nachgebung
gab vermuthlich der Dienst im Harnisch. Zwölf Actien mußten
einen Mann im Harnisch stellen; und nun konnte es die Com-
pagnie zulassen, daß der geharnischte Mann nach und nach
die eilf Actien, welche zu seiner Rüstung steureten, an sich
brachte, und nach seinem Gefallen oder nach Ritterrecht be-
setzte. Diese mußte unvermeidlich erfolgen, wenn der Dienst
im Harnisch zunftmäßig getrieben, und keiner dazu gelassen
wurde, sein Vater hätte denn auch schon einen Harnisch ge-
tragen; hiedurch blieben die eilf Actien auf ewig dem Besitzer
der zwölften verpflichtet, und die Compagnie wahrete blos
den Geharnischten, ohne sich um die eilf übrigen weiter zu
bekümmern.

Der Dienst im Harnisch hat aufgehöret, und seitdem hat
die Compagnie immer daran gearbeitet, das Recht der zwölf-
ten Actie zu schwächen, und die eilfe wieder herzustellen, jene
aber auch alles, was in ihrem Vermögen gewesen, angewandt,
um ihre einmal verjährten Rechte zu behaupten. Wie der
Ausgang endlich seyn werde, ließe sich zwar wohl berechnen,
jedoch nicht anders als mit Hülfe mehrerer Formeln. So
viel bleibt indessen gewiß, daß die zwölfte Actie bey steigen-
den, und die eilf übrigen bey sinkenden Ausgaben der Com-

pagnie,

Der Bauerhof als eine Actie betrachtet.
in dieſen giebt es keine Vollpflichtige oder Leibeigne auch keine
Soldaten als Wirthe.

Der Leibeigne war anfaͤnglich ein Menſch ohne Actie; nach-
dem aber von der Actie nicht mehr perſoͤnlich gedienet wurde,
und die mehrſten Dienſte in Geld verwandelt, oder durch Vi-
carien verrichtet werden konnten, hat der Staat nachgegeben,
doch alſo, daß da, wo es das Geſetze der mindeſten Aufopfe-
rung erfordert, die beſondern Verpflichtungen den gemeinen
nachſtehen muͤſſen. Den erſten Anlaß zu jener Nachgebung
gab vermuthlich der Dienſt im Harniſch. Zwoͤlf Actien mußten
einen Mann im Harniſch ſtellen; und nun konnte es die Com-
pagnie zulaſſen, daß der geharniſchte Mann nach und nach
die eilf Actien, welche zu ſeiner Ruͤſtung ſteureten, an ſich
brachte, und nach ſeinem Gefallen oder nach Ritterrecht be-
ſetzte. Dieſe mußte unvermeidlich erfolgen, wenn der Dienſt
im Harniſch zunftmäßig getrieben, und keiner dazu gelaſſen
wurde, ſein Vater haͤtte denn auch ſchon einen Harniſch ge-
tragen; hiedurch blieben die eilf Actien auf ewig dem Beſitzer
der zwoͤlften verpflichtet, und die Compagnie wahrete blos
den Geharniſchten, ohne ſich um die eilf uͤbrigen weiter zu
bekuͤmmern.

Der Dienſt im Harniſch hat aufgehoͤret, und ſeitdem hat
die Compagnie immer daran gearbeitet, das Recht der zwoͤlf-
ten Actie zu ſchwaͤchen, und die eilfe wieder herzuſtellen, jene
aber auch alles, was in ihrem Vermoͤgen geweſen, angewandt,
um ihre einmal verjaͤhrten Rechte zu behaupten. Wie der
Ausgang endlich ſeyn werde, ließe ſich zwar wohl berechnen,
jedoch nicht anders als mit Huͤlfe mehrerer Formeln. So
viel bleibt indeſſen gewiß, daß die zwoͤlfte Actie bey ſteigen-
den, und die eilf uͤbrigen bey ſinkenden Ausgaben der Com-

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[155/0173] Der Bauerhof als eine Actie betrachtet. in dieſen giebt es keine Vollpflichtige oder Leibeigne auch keine Soldaten als Wirthe. Der Leibeigne war anfaͤnglich ein Menſch ohne Actie; nach- dem aber von der Actie nicht mehr perſoͤnlich gedienet wurde, und die mehrſten Dienſte in Geld verwandelt, oder durch Vi- carien verrichtet werden konnten, hat der Staat nachgegeben, doch alſo, daß da, wo es das Geſetze der mindeſten Aufopfe- rung erfordert, die beſondern Verpflichtungen den gemeinen nachſtehen muͤſſen. Den erſten Anlaß zu jener Nachgebung gab vermuthlich der Dienſt im Harniſch. Zwoͤlf Actien mußten einen Mann im Harniſch ſtellen; und nun konnte es die Com- pagnie zulaſſen, daß der geharniſchte Mann nach und nach die eilf Actien, welche zu ſeiner Ruͤſtung ſteureten, an ſich brachte, und nach ſeinem Gefallen oder nach Ritterrecht be- ſetzte. Dieſe mußte unvermeidlich erfolgen, wenn der Dienſt im Harniſch zunftmäßig getrieben, und keiner dazu gelaſſen wurde, ſein Vater haͤtte denn auch ſchon einen Harniſch ge- tragen; hiedurch blieben die eilf Actien auf ewig dem Beſitzer der zwoͤlften verpflichtet, und die Compagnie wahrete blos den Geharniſchten, ohne ſich um die eilf uͤbrigen weiter zu bekuͤmmern. Der Dienſt im Harniſch hat aufgehoͤret, und ſeitdem hat die Compagnie immer daran gearbeitet, das Recht der zwoͤlf- ten Actie zu ſchwaͤchen, und die eilfe wieder herzuſtellen, jene aber auch alles, was in ihrem Vermoͤgen geweſen, angewandt, um ihre einmal verjaͤhrten Rechte zu behaupten. Wie der Ausgang endlich ſeyn werde, ließe ſich zwar wohl berechnen, jedoch nicht anders als mit Huͤlfe mehrerer Formeln. So viel bleibt indeſſen gewiß, daß die zwoͤlfte Actie bey ſteigen- den, und die eilf uͤbrigen bey ſinkenden Ausgaben der Com- pagnie,

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/173>, abgerufen am 24.11.2024.