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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Der Bauerhof als eine Actie betrachtet.
kommen mit aller ihrer Gelehrsamkeit in diesem Stücke nur
selten zu genauen und bestimmten Folgerungen. So bald
nimmt man aber nur erst an, daß der Knecht ein Mensch
im Staate ohne Actie
sey: so zeigt sich die Knechtschaft in ei-
nem ganz neuem Lichte; man sieht gleich warum der Knecht
so wenig die Vortheile als die Lasten eines Bürgers habe;
warum er so wenig zur Landesvertheydigung diene, als zu
Ehren gelangen könne, ob er gleich alle christlichen und mora-
lischen Tugenden im höchsten Grad besitzt; man erkennet, daß
die Knechtschaft eben so wenig gegen die Religion sey, als es
gegen die Religion ist, kein Mitglied der ostindischen Com-
pagnie zu seyn; man schließt, daß das Bürgerrecht so wenig
als das Kirchenrecht die Befugnisse der Menschheit aufhebe;
daß der Knecht ohne einen besonderen Vertrag nichts weiter
zu fordern habe, als was man ihm nach dem Rechte der
Menschheit, und in den spätern Zeiten, nach der christlichen
Liebe schuldig ist; und daß die große Linie, welche den Bür-
ger von dem Menschen, oder den Actionisten von demjenigen
der keine Actie im Staate besitzt, trennet, zu einer vollständi-
gen und brauchbaren Theorie unumgänglich nothwendig
sey.

Zu unsern Zeiten haben wir schon eine Dämmerung in der
Rechtsgelehrsamkeit, welche uns bald einen bessern Tag ver-
kündiget. Man fängt nemlich an, das Sachenrecht eher als
das Personenrecht vorzutragen. Allein es ist noch zur Zeit
blos ein dunkeles Gefühl der Wahrheit. Denn noch keiner hat
die Sache unter dem Begriffe der Actie vorgestellet; ich
muß mich hier wieder durch ein Beyspiel erklären. Ein
Mann der z. E. tausend Thaler besitzt, und davon die Hälfte
zu einer Compagniehandlung einschießt, besitzt nur fünfhun-
dert Thaler als Actie, und die übrigen fünfhundert Thaler

sind

Der Bauerhof als eine Actie betrachtet.
kommen mit aller ihrer Gelehrſamkeit in dieſem Stuͤcke nur
ſelten zu genauen und beſtimmten Folgerungen. So bald
nimmt man aber nur erſt an, daß der Knecht ein Menſch
im Staate ohne Actie
ſey: ſo zeigt ſich die Knechtſchaft in ei-
nem ganz neuem Lichte; man ſieht gleich warum der Knecht
ſo wenig die Vortheile als die Laſten eines Buͤrgers habe;
warum er ſo wenig zur Landesvertheydigung diene, als zu
Ehren gelangen koͤnne, ob er gleich alle chriſtlichen und mora-
liſchen Tugenden im hoͤchſten Grad beſitzt; man erkennet, daß
die Knechtſchaft eben ſo wenig gegen die Religion ſey, als es
gegen die Religion iſt, kein Mitglied der oſtindiſchen Com-
pagnie zu ſeyn; man ſchließt, daß das Buͤrgerrecht ſo wenig
als das Kirchenrecht die Befugniſſe der Menſchheit aufhebe;
daß der Knecht ohne einen beſonderen Vertrag nichts weiter
zu fordern habe, als was man ihm nach dem Rechte der
Menſchheit, und in den ſpaͤtern Zeiten, nach der chriſtlichen
Liebe ſchuldig iſt; und daß die große Linie, welche den Buͤr-
ger von dem Menſchen, oder den Actioniſten von demjenigen
der keine Actie im Staate beſitzt, trennet, zu einer vollſtaͤndi-
gen und brauchbaren Theorie unumgaͤnglich nothwendig
ſey.

Zu unſern Zeiten haben wir ſchon eine Daͤmmerung in der
Rechtsgelehrſamkeit, welche uns bald einen beſſern Tag ver-
kuͤndiget. Man faͤngt nemlich an, das Sachenrecht eher als
das Perſonenrecht vorzutragen. Allein es iſt noch zur Zeit
blos ein dunkeles Gefuͤhl der Wahrheit. Denn noch keiner hat
die Sache unter dem Begriffe der Actie vorgeſtellet; ich
muß mich hier wieder durch ein Beyſpiel erklaͤren. Ein
Mann der z. E. tauſend Thaler beſitzt, und davon die Haͤlfte
zu einer Compagniehandlung einſchießt, beſitzt nur fuͤnfhun-
dert Thaler als Actie, und die uͤbrigen fuͤnfhundert Thaler

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[139/0157] Der Bauerhof als eine Actie betrachtet. kommen mit aller ihrer Gelehrſamkeit in dieſem Stuͤcke nur ſelten zu genauen und beſtimmten Folgerungen. So bald nimmt man aber nur erſt an, daß der Knecht ein Menſch im Staate ohne Actie ſey: ſo zeigt ſich die Knechtſchaft in ei- nem ganz neuem Lichte; man ſieht gleich warum der Knecht ſo wenig die Vortheile als die Laſten eines Buͤrgers habe; warum er ſo wenig zur Landesvertheydigung diene, als zu Ehren gelangen koͤnne, ob er gleich alle chriſtlichen und mora- liſchen Tugenden im hoͤchſten Grad beſitzt; man erkennet, daß die Knechtſchaft eben ſo wenig gegen die Religion ſey, als es gegen die Religion iſt, kein Mitglied der oſtindiſchen Com- pagnie zu ſeyn; man ſchließt, daß das Buͤrgerrecht ſo wenig als das Kirchenrecht die Befugniſſe der Menſchheit aufhebe; daß der Knecht ohne einen beſonderen Vertrag nichts weiter zu fordern habe, als was man ihm nach dem Rechte der Menſchheit, und in den ſpaͤtern Zeiten, nach der chriſtlichen Liebe ſchuldig iſt; und daß die große Linie, welche den Buͤr- ger von dem Menſchen, oder den Actioniſten von demjenigen der keine Actie im Staate beſitzt, trennet, zu einer vollſtaͤndi- gen und brauchbaren Theorie unumgaͤnglich nothwendig ſey. Zu unſern Zeiten haben wir ſchon eine Daͤmmerung in der Rechtsgelehrſamkeit, welche uns bald einen beſſern Tag ver- kuͤndiget. Man faͤngt nemlich an, das Sachenrecht eher als das Perſonenrecht vorzutragen. Allein es iſt noch zur Zeit blos ein dunkeles Gefuͤhl der Wahrheit. Denn noch keiner hat die Sache unter dem Begriffe der Actie vorgeſtellet; ich muß mich hier wieder durch ein Beyſpiel erklaͤren. Ein Mann der z. E. tauſend Thaler beſitzt, und davon die Haͤlfte zu einer Compagniehandlung einſchießt, beſitzt nur fuͤnfhun- dert Thaler als Actie, und die uͤbrigen fuͤnfhundert Thaler ſind

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/157>, abgerufen am 24.11.2024.