Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
als die überh. Aush. der Bauerhöfe.

Der Sterbfall leidet durch die vorgeschlagene Einrichtung
nicht, denn Gebäude und Besserungen gehören eigentlich
nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben müste auch
dem Gutsherrn heimfallen, und dieser jedesmal zum Anerben
sagen können: alles was dein Vater erworben und hinterlas-
sen, gehöret mir, folglich hast du an nichts Erbrecht. Da
er aber dieses nicht sagen kan: so sieht man gleich, daß die
Ursache, warum die Gebäude und Besserungen dennoch
würklich zum Sterbfall gerechnet werden, keine andre, als
die Verdunkelung des alten Gehörs sey. Wäre dieses nicht
verdunkelt worden: so könnte der Gutsherr, weil er alle
freye Erben und alle Gläubiger damit zurück weisen könnte,
Bau und Besserung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und
nachdem man den Begrif vom Gehör verlohren, muß er es
nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er sich nicht allerley
Ansprüchen blos stellen soll; Ansprüche die einzig und allein
dem nächsten Erben im Gehör zukommen, man mag der al-
ten oder neuen Rechtsgelehrsamkeit folgen.

Das aber bleibt allemal wahr, daß es schwerer halten
werde, solche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zu-
länglichen Hofgewehr aufziehen und den Freystamm bezahlen
können, als kleine Heuerleute, die unbesonnen auf den größ-
ten Hof ziehen, und sich darauf so quälen wie sie können.
Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen
sehen, betrachten.

In dem Kirchspiele worinn ich wohne, sind zwanzig Höfe,
so unter Hofrecht stehen, zu kaufen, und der Hofesherr hat
seine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat sie schon
dreymal ausgeboten, und es findet sich kein Käufer der sich
ins Hofrecht begeben will. Was soll nun geschehen? Das

weis
J 4
als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe.

Der Sterbfall leidet durch die vorgeſchlagene Einrichtung
nicht, denn Gebaͤude und Beſſerungen gehoͤren eigentlich
nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben muͤſte auch
dem Gutsherrn heimfallen, und dieſer jedesmal zum Anerben
ſagen koͤnnen: alles was dein Vater erworben und hinterlaſ-
ſen, gehoͤret mir, folglich haſt du an nichts Erbrecht. Da
er aber dieſes nicht ſagen kan: ſo ſieht man gleich, daß die
Urſache, warum die Gebaͤude und Beſſerungen dennoch
wuͤrklich zum Sterbfall gerechnet werden, keine andre, als
die Verdunkelung des alten Gehörs ſey. Waͤre dieſes nicht
verdunkelt worden: ſo koͤnnte der Gutsherr, weil er alle
freye Erben und alle Glaͤubiger damit zuruͤck weiſen koͤnnte,
Bau und Beſſerung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und
nachdem man den Begrif vom Gehör verlohren, muß er es
nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er ſich nicht allerley
Anſpruͤchen blos ſtellen ſoll; Anſpruͤche die einzig und allein
dem naͤchſten Erben im Gehör zukommen, man mag der al-
ten oder neuen Rechtsgelehrſamkeit folgen.

Das aber bleibt allemal wahr, daß es ſchwerer halten
werde, ſolche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zu-
laͤnglichen Hofgewehr aufziehen und den Freyſtamm bezahlen
koͤnnen, als kleine Heuerleute, die unbeſonnen auf den groͤß-
ten Hof ziehen, und ſich darauf ſo quaͤlen wie ſie koͤnnen.
Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen
ſehen, betrachten.

In dem Kirchſpiele worinn ich wohne, ſind zwanzig Hoͤfe,
ſo unter Hofrecht ſtehen, zu kaufen, und der Hofesherr hat
ſeine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat ſie ſchon
dreymal ausgeboten, und es findet ſich kein Kaͤufer der ſich
ins Hofrecht begeben will. Was ſoll nun geſchehen? Das

weis
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0153" n="135"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">als die u&#x0364;berh. Aush. der Bauerho&#x0364;fe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Der Sterbfall leidet durch die vorge&#x017F;chlagene Einrichtung<lb/>
nicht, denn Geba&#x0364;ude und Be&#x017F;&#x017F;erungen geho&#x0364;ren eigentlich<lb/>
nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben mu&#x0364;&#x017F;te auch<lb/>
dem Gutsherrn heimfallen, und die&#x017F;er jedesmal zum Anerben<lb/>
&#x017F;agen ko&#x0364;nnen: alles was dein Vater erworben und hinterla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, geho&#x0364;ret mir, folglich ha&#x017F;t du an nichts Erbrecht. Da<lb/>
er aber die&#x017F;es nicht &#x017F;agen kan: &#x017F;o &#x017F;ieht man gleich, daß die<lb/>
Ur&#x017F;ache, warum die Geba&#x0364;ude und Be&#x017F;&#x017F;erungen dennoch<lb/>
wu&#x0364;rklich zum Sterbfall gerechnet werden, keine andre, als<lb/><hi rendition="#fr">die Verdunkelung des alten Gehörs</hi> &#x017F;ey. Wa&#x0364;re die&#x017F;es nicht<lb/>
verdunkelt worden: &#x017F;o ko&#x0364;nnte der Gutsherr, weil er alle<lb/><hi rendition="#fr">freye</hi> Erben und alle Gla&#x0364;ubiger damit zuru&#x0364;ck wei&#x017F;en ko&#x0364;nnte,<lb/>
Bau und Be&#x017F;&#x017F;erung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und<lb/>
nachdem man den Begrif vom <hi rendition="#fr">Gehör</hi> verlohren, muß er es<lb/>
nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er &#x017F;ich nicht allerley<lb/>
An&#x017F;pru&#x0364;chen blos &#x017F;tellen &#x017F;oll; An&#x017F;pru&#x0364;che die einzig und allein<lb/>
dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Erben im <hi rendition="#fr">Gehör</hi> zukommen, man mag der al-<lb/>
ten oder neuen Rechtsgelehr&#x017F;amkeit folgen.</p><lb/>
        <p>Das aber bleibt allemal wahr, daß es &#x017F;chwerer halten<lb/>
werde, &#x017F;olche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zu-<lb/>
la&#x0364;nglichen Hofgewehr aufziehen und den Frey&#x017F;tamm bezahlen<lb/>
ko&#x0364;nnen, als kleine Heuerleute, die unbe&#x017F;onnen auf den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Hof ziehen, und &#x017F;ich darauf &#x017F;o qua&#x0364;len wie &#x017F;ie ko&#x0364;nnen.<lb/>
Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen<lb/>
&#x017F;ehen, betrachten.</p><lb/>
        <p>In dem Kirch&#x017F;piele worinn ich wohne, &#x017F;ind zwanzig Ho&#x0364;fe,<lb/>
&#x017F;o unter Hofrecht &#x017F;tehen, zu kaufen, und der Hofesherr hat<lb/>
&#x017F;eine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
dreymal ausgeboten, und es findet &#x017F;ich kein Ka&#x0364;ufer der &#x017F;ich<lb/>
ins Hofrecht begeben will. Was &#x017F;oll nun ge&#x017F;chehen? Das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">weis</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0153] als die uͤberh. Aush. der Bauerhoͤfe. Der Sterbfall leidet durch die vorgeſchlagene Einrichtung nicht, denn Gebaͤude und Beſſerungen gehoͤren eigentlich nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben muͤſte auch dem Gutsherrn heimfallen, und dieſer jedesmal zum Anerben ſagen koͤnnen: alles was dein Vater erworben und hinterlaſ- ſen, gehoͤret mir, folglich haſt du an nichts Erbrecht. Da er aber dieſes nicht ſagen kan: ſo ſieht man gleich, daß die Urſache, warum die Gebaͤude und Beſſerungen dennoch wuͤrklich zum Sterbfall gerechnet werden, keine andre, als die Verdunkelung des alten Gehörs ſey. Waͤre dieſes nicht verdunkelt worden: ſo koͤnnte der Gutsherr, weil er alle freye Erben und alle Glaͤubiger damit zuruͤck weiſen koͤnnte, Bau und Beſſerung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und nachdem man den Begrif vom Gehör verlohren, muß er es nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er ſich nicht allerley Anſpruͤchen blos ſtellen ſoll; Anſpruͤche die einzig und allein dem naͤchſten Erben im Gehör zukommen, man mag der al- ten oder neuen Rechtsgelehrſamkeit folgen. Das aber bleibt allemal wahr, daß es ſchwerer halten werde, ſolche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zu- laͤnglichen Hofgewehr aufziehen und den Freyſtamm bezahlen koͤnnen, als kleine Heuerleute, die unbeſonnen auf den groͤß- ten Hof ziehen, und ſich darauf ſo quaͤlen wie ſie koͤnnen. Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen ſehen, betrachten. In dem Kirchſpiele worinn ich wohne, ſind zwanzig Hoͤfe, ſo unter Hofrecht ſtehen, zu kaufen, und der Hofesherr hat ſeine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat ſie ſchon dreymal ausgeboten, und es findet ſich kein Kaͤufer der ſich ins Hofrecht begeben will. Was ſoll nun geſchehen? Das weis J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/153
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/153>, abgerufen am 22.11.2024.