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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Nichts ist schädlicher
mal: Er könnte verlieren, denn die Auslobung wäre nach un-
sern Rechte heute Brautschatz und morgen Erbschaft. Wo
will das aber hinaus? und ist es möglich, daß sich ein Mensch
auf einen Hof setzen kan, wenn er auf diese Art gezerret wird?
Wird sich also unsre ganze Verfassung nicht endlich völlig in
das verderbliche Heuerwesen auflösen?

Das hat sie schon gethan, schloß ein ander. In dem Kirch-
spiel, worinn ich wohne, sind nur noch zwey besetzte Höfe
übrig. Wenn gefahren werden muß: so fällt diesen alles zur
Last. Die übrigen Höfe sind alle ausgeheuret, und mit klei-
nen Quälern besetzt, die ihren Acker nicht bestellen sondern
nur umkratzen. Der Dünger fehlt ihnen, da sie keine rechte
Spannung halten; das Korn was sie ziehen, ist um eine
Spanne kürzer und unterscheidet sich durch sein elendes Anse-
hen unter allen. Der Abfall im Stroh und Korn ist über
ein Drittel gegen die Zeiten meiner Jugend; und ich erinnere
mich, wie wir vor zehn Jahren eine schwere Theurung hatten,
und Korn von Bremen geholet werden sollte, daß von den
Pferden der Heuerleute kein einziges eine Meile gehen konnte.
Auf diese Weise müssen die wenigen so noch gut stehen, und
worauf man zur Zeit der Noth doch greifen muß, nothwen-
dig zu Grunde gehen, sie mögen sich auch noch so lange weh-
ren. Die Obrigkeit sollte darauf halten, daß jeder Hof nach
Landsittlichen Gebrauch besetzet werden müßte; und dann auch
den Besitzer schützen, daß ihm sein Vieh und Feldgeräthe nicht
gepfändet werden könnte.

Hurry! Murry! unterbrach sie hier ein Officier. Wenn
meine Soldaten ihren Tornüster versetzet haben: so lasse ich
ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornüster wie-
der einlösen könne; und gehts denn zum Marsch, Puf so
nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das ist die ganze

Ge-

Nichts iſt ſchaͤdlicher
mal: Er koͤnnte verlieren, denn die Auslobung waͤre nach un-
ſern Rechte heute Brautſchatz und morgen Erbſchaft. Wo
will das aber hinaus? und iſt es moͤglich, daß ſich ein Menſch
auf einen Hof ſetzen kan, wenn er auf dieſe Art gezerret wird?
Wird ſich alſo unſre ganze Verfaſſung nicht endlich voͤllig in
das verderbliche Heuerweſen aufloͤſen?

Das hat ſie ſchon gethan, ſchloß ein ander. In dem Kirch-
ſpiel, worinn ich wohne, ſind nur noch zwey beſetzte Hoͤfe
uͤbrig. Wenn gefahren werden muß: ſo faͤllt dieſen alles zur
Laſt. Die uͤbrigen Hoͤfe ſind alle ausgeheuret, und mit klei-
nen Quaͤlern beſetzt, die ihren Acker nicht beſtellen ſondern
nur umkratzen. Der Duͤnger fehlt ihnen, da ſie keine rechte
Spannung halten; das Korn was ſie ziehen, iſt um eine
Spanne kuͤrzer und unterſcheidet ſich durch ſein elendes Anſe-
hen unter allen. Der Abfall im Stroh und Korn iſt uͤber
ein Drittel gegen die Zeiten meiner Jugend; und ich erinnere
mich, wie wir vor zehn Jahren eine ſchwere Theurung hatten,
und Korn von Bremen geholet werden ſollte, daß von den
Pferden der Heuerleute kein einziges eine Meile gehen konnte.
Auf dieſe Weiſe muͤſſen die wenigen ſo noch gut ſtehen, und
worauf man zur Zeit der Noth doch greifen muß, nothwen-
dig zu Grunde gehen, ſie moͤgen ſich auch noch ſo lange weh-
ren. Die Obrigkeit ſollte darauf halten, daß jeder Hof nach
Landſittlichen Gebrauch beſetzet werden muͤßte; und dann auch
den Beſitzer ſchuͤtzen, daß ihm ſein Vieh und Feldgeraͤthe nicht
gepfaͤndet werden koͤnnte.

Hurry! Murry! unterbrach ſie hier ein Officier. Wenn
meine Soldaten ihren Tornuͤſter verſetzet haben: ſo laſſe ich
ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornuͤſter wie-
der einloͤſen koͤnne; und gehts denn zum Marſch, Puf ſo
nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das iſt die ganze

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[120/0138] Nichts iſt ſchaͤdlicher mal: Er koͤnnte verlieren, denn die Auslobung waͤre nach un- ſern Rechte heute Brautſchatz und morgen Erbſchaft. Wo will das aber hinaus? und iſt es moͤglich, daß ſich ein Menſch auf einen Hof ſetzen kan, wenn er auf dieſe Art gezerret wird? Wird ſich alſo unſre ganze Verfaſſung nicht endlich voͤllig in das verderbliche Heuerweſen aufloͤſen? Das hat ſie ſchon gethan, ſchloß ein ander. In dem Kirch- ſpiel, worinn ich wohne, ſind nur noch zwey beſetzte Hoͤfe uͤbrig. Wenn gefahren werden muß: ſo faͤllt dieſen alles zur Laſt. Die uͤbrigen Hoͤfe ſind alle ausgeheuret, und mit klei- nen Quaͤlern beſetzt, die ihren Acker nicht beſtellen ſondern nur umkratzen. Der Duͤnger fehlt ihnen, da ſie keine rechte Spannung halten; das Korn was ſie ziehen, iſt um eine Spanne kuͤrzer und unterſcheidet ſich durch ſein elendes Anſe- hen unter allen. Der Abfall im Stroh und Korn iſt uͤber ein Drittel gegen die Zeiten meiner Jugend; und ich erinnere mich, wie wir vor zehn Jahren eine ſchwere Theurung hatten, und Korn von Bremen geholet werden ſollte, daß von den Pferden der Heuerleute kein einziges eine Meile gehen konnte. Auf dieſe Weiſe muͤſſen die wenigen ſo noch gut ſtehen, und worauf man zur Zeit der Noth doch greifen muß, nothwen- dig zu Grunde gehen, ſie moͤgen ſich auch noch ſo lange weh- ren. Die Obrigkeit ſollte darauf halten, daß jeder Hof nach Landſittlichen Gebrauch beſetzet werden muͤßte; und dann auch den Beſitzer ſchuͤtzen, daß ihm ſein Vieh und Feldgeraͤthe nicht gepfaͤndet werden koͤnnte. Hurry! Murry! unterbrach ſie hier ein Officier. Wenn meine Soldaten ihren Tornuͤſter verſetzet haben: ſo laſſe ich ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornuͤſter wie- der einloͤſen koͤnne; und gehts denn zum Marſch, Puf ſo nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das iſt die ganze Ge-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/138>, abgerufen am 28.11.2024.