Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Zweytes Schreiben gewesen, daher er auch auf dem Gute beydes gebrauet undgebacken hätte; außerdem hätte der Herr noch einen Enken, oder wie man jetzt spricht, einen Vorreuter, gehalten, der das Schmieden gelernt, und zu seinem Departement alle außerordentliche Affairen gehabt hätte. Die Haushälterin, wenn sie ihre Hände gewaschen und eine reine Schürze vor- gemacht hätte, wäre zugleich würkliche Cammerjungfer und Köchin, und in ihren Nebenstunden, Altflickerin, Schnei- derin, Kellnerin, Hofmeisterin, Stallmeisterin und Ver- traute gewesen. Und wenn die Herrschaft diesen Bedienten den Dienst aufgesagt: so hätte ein jeder zur Noth gewust, wie er sich seinen Unterhalt verschaffen sollte. Auf diese Weise wäre der ganze Staat zugleich wahre Bedürfnisse, und beym Abschiede so wenig Herr als Bediente jemals in Verlegenheit gewesen. Was würde man aber, ob ich gleich noch lange so groß aber
Zweytes Schreiben geweſen, daher er auch auf dem Gute beydes gebrauet undgebacken haͤtte; außerdem haͤtte der Herr noch einen Enken, oder wie man jetzt ſpricht, einen Vorreuter, gehalten, der das Schmieden gelernt, und zu ſeinem Departement alle außerordentliche Affairen gehabt haͤtte. Die Haushaͤlterin, wenn ſie ihre Haͤnde gewaſchen und eine reine Schuͤrze vor- gemacht haͤtte, waͤre zugleich wuͤrkliche Cammerjungfer und Koͤchin, und in ihren Nebenſtunden, Altflickerin, Schnei- derin, Kellnerin, Hofmeiſterin, Stallmeiſterin und Ver- traute geweſen. Und wenn die Herrſchaft dieſen Bedienten den Dienſt aufgeſagt: ſo haͤtte ein jeder zur Noth gewuſt, wie er ſich ſeinen Unterhalt verſchaffen ſollte. Auf dieſe Weiſe waͤre der ganze Staat zugleich wahre Beduͤrfniſſe, und beym Abſchiede ſo wenig Herr als Bediente jemals in Verlegenheit geweſen. Was wuͤrde man aber, ob ich gleich noch lange ſo groß aber
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Zweytes Schreiben
geweſen, daher er auch auf dem Gute beydes gebrauet und
gebacken haͤtte; außerdem haͤtte der Herr noch einen Enken,
oder wie man jetzt ſpricht, einen Vorreuter, gehalten, der
das Schmieden gelernt, und zu ſeinem Departement alle
außerordentliche Affairen gehabt haͤtte. Die Haushaͤlterin,
wenn ſie ihre Haͤnde gewaſchen und eine reine Schuͤrze vor-
gemacht haͤtte, waͤre zugleich wuͤrkliche Cammerjungfer und
Koͤchin, und in ihren Nebenſtunden, Altflickerin, Schnei-
derin, Kellnerin, Hofmeiſterin, Stallmeiſterin und Ver-
traute geweſen. Und wenn die Herrſchaft dieſen Bedienten
den Dienſt aufgeſagt: ſo haͤtte ein jeder zur Noth gewuſt, wie
er ſich ſeinen Unterhalt verſchaffen ſollte. Auf dieſe Weiſe
waͤre der ganze Staat zugleich wahre Beduͤrfniſſe, und beym
Abſchiede ſo wenig Herr als Bediente jemals in Verlegenheit
geweſen.
Was wuͤrde man aber, ob ich gleich noch lange ſo groß
nicht bin, als meines Großvatern geſtrenger Herr Patron,
von mir denken, wenn ich meine kuͤnftige Frau nur einiger
maaßen zu einem gleichen Haushalt gewoͤhnen wollte? Wie
wuͤrde ſie ſchreyen, wenn ich ihr im Nothfalle anmuthen
wollte, ſich von der Kuͤchenmagd ſchnuͤren zu laſſen? Rouſſeau
naͤhrt ſich vom Kraͤuterſammlen, weil er allen Menſchen ange-
rathen hat ein Handwerk zu lernen, und ſich ſolchergeſtalt
auf einem eignen guͤldnen Boden zu ſetzen; ich aber wuͤrde
gewiß die Kraͤuter mit einander freſſen muͤſſen, wenn ich nur
behaupten wollte, daß keiner zum Bedienten angenommen
werden ſollte, der nicht zugleich ein Handwerk verſtuͤnde!
oder es wuͤrde mir taͤglich einen Zuber voll wohlriechendes
Waſſer koſten, wenn ich meine kuͤnftige Frau ſolche Cammer-
bediente nur auf zehn Schritt ertragen ſollte. Fy cela
ſent .... wuͤrde ſie mir taͤglich zurufen. Was kan mich
aber
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