Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Nutzen einer Geschichte
alte Wege zum Erwerb wieder eröfnen, oder die Möglichkeit
neuer zeigen. Wir würden aus derselben die Abnahme ver-
schiedener Staaten deutlicher entdecken; die Einflüsse aus-
wärtiger Veränderungen gleichsam auf der That ertappen;
die Klugheit mancher Nation in ihren Friedenschlüssen deut-
licher bemerken; die großen Einsichten des handelnden Ge-
nies mit dankbarer Hochachtung erkennen, und unsre Be-
wunderung nicht blos dem Helden, sondern auch dem großem
privat Manne bezeugen können. Und wie mancher Kauf-
mann oder Künstler würde nicht um Gewinnst sondern für
seinen Ruhm arbeiten, wenn ihm dergleichen Jahrbücher die
Unsterblichkeit versicherten?

Staaten und Handwerks-Gilden haben ihre ungleichen
Perioden. Manche sterben ganz aus, oder fallen doch durch
die Zeitumstände so sehr herunter, daß man auf andre Wen-
dungen denken muß; welches die Geschichte am besten zeigen
kann.

Die Ursachen, warum einige Handwerker dem Staat
absterben, sind klar. Die Gilde der Panzerfeger mußte mit
dem Panzer fallen. Die Schwerdfeger nahmen ab, wie die
heutige Militz nach und nach vollkommener, und ihr Gewehr
auf den Hütten gemacht wurde. Die alte Verfassung, da der
Bürger noch zu Walle zog, und keine sammetne Hosen trug,
ernährte weit mehr Weißgerber als die neuere, worinn der
goldene Degen an einem seidenen Bande hängt, und der Sol-
dat von aussen versorgt wird. Eine Mode von Federmuffen
kann ein Pelzeramt sehr herunter bringen; der Geschmack an
Rohrstühlen alle Stühlmacher vertreiben; die Begierde al-
les von Mahagony-Holz zu haben, die Tischler zu Grunde
richten; die Einfuhr der Eisenwaare von den Eisenhütten,
wo alles durch Mühlen in großen gearbeitet wird, die Zahl

der

Von dem Nutzen einer Geſchichte
alte Wege zum Erwerb wieder eroͤfnen, oder die Moͤglichkeit
neuer zeigen. Wir wuͤrden aus derſelben die Abnahme ver-
ſchiedener Staaten deutlicher entdecken; die Einfluͤſſe aus-
waͤrtiger Veraͤnderungen gleichſam auf der That ertappen;
die Klugheit mancher Nation in ihren Friedenſchluͤſſen deut-
licher bemerken; die großen Einſichten des handelnden Ge-
nies mit dankbarer Hochachtung erkennen, und unſre Be-
wunderung nicht blos dem Helden, ſondern auch dem großem
privat Manne bezeugen koͤnnen. Und wie mancher Kauf-
mann oder Kuͤnſtler wuͤrde nicht um Gewinnſt ſondern fuͤr
ſeinen Ruhm arbeiten, wenn ihm dergleichen Jahrbuͤcher die
Unſterblichkeit verſicherten?

Staaten und Handwerks-Gilden haben ihre ungleichen
Perioden. Manche ſterben ganz aus, oder fallen doch durch
die Zeitumſtaͤnde ſo ſehr herunter, daß man auf andre Wen-
dungen denken muß; welches die Geſchichte am beſten zeigen
kann.

Die Urſachen, warum einige Handwerker dem Staat
abſterben, ſind klar. Die Gilde der Panzerfeger mußte mit
dem Panzer fallen. Die Schwerdfeger nahmen ab, wie die
heutige Militz nach und nach vollkommener, und ihr Gewehr
auf den Huͤtten gemacht wurde. Die alte Verfaſſung, da der
Buͤrger noch zu Walle zog, und keine ſammetne Hoſen trug,
ernaͤhrte weit mehr Weißgerber als die neuere, worinn der
goldene Degen an einem ſeidenen Bande haͤngt, und der Sol-
dat von auſſen verſorgt wird. Eine Mode von Federmuffen
kann ein Pelzeramt ſehr herunter bringen; der Geſchmack an
Rohrſtuͤhlen alle Stuͤhlmacher vertreiben; die Begierde al-
les von Mahagony-Holz zu haben, die Tiſchler zu Grunde
richten; die Einfuhr der Eiſenwaare von den Eiſenhuͤtten,
wo alles durch Muͤhlen in großen gearbeitet wird, die Zahl

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Nutzen einer Ge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
alte Wege zum Erwerb wieder ero&#x0364;fnen, oder die Mo&#x0364;glichkeit<lb/>
neuer zeigen. Wir wu&#x0364;rden aus der&#x017F;elben die Abnahme ver-<lb/>
&#x017F;chiedener Staaten deutlicher entdecken; die Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus-<lb/>
wa&#x0364;rtiger Vera&#x0364;nderungen gleich&#x017F;am auf der That ertappen;<lb/>
die Klugheit mancher Nation in ihren Frieden&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en deut-<lb/>
licher bemerken; die großen Ein&#x017F;ichten des handelnden Ge-<lb/>
nies mit dankbarer Hochachtung erkennen, und un&#x017F;re Be-<lb/>
wunderung nicht blos dem Helden, &#x017F;ondern auch dem großem<lb/>
privat Manne bezeugen ko&#x0364;nnen. Und wie mancher Kauf-<lb/>
mann oder Ku&#x0364;n&#x017F;tler wu&#x0364;rde nicht um Gewinn&#x017F;t &#x017F;ondern fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;einen Ruhm arbeiten, wenn ihm dergleichen Jahrbu&#x0364;cher die<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit ver&#x017F;icherten?</p><lb/>
        <p>Staaten und Handwerks-Gilden haben ihre ungleichen<lb/>
Perioden. Manche &#x017F;terben ganz aus, oder fallen doch durch<lb/>
die Zeitum&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;o &#x017F;ehr herunter, daß man auf andre Wen-<lb/>
dungen denken muß; welches die Ge&#x017F;chichte am be&#x017F;ten zeigen<lb/>
kann.</p><lb/>
        <p>Die Ur&#x017F;achen, warum einige Handwerker dem Staat<lb/>
ab&#x017F;terben, &#x017F;ind klar. Die Gilde der Panzerfeger mußte mit<lb/>
dem Panzer fallen. Die Schwerdfeger nahmen ab, wie die<lb/>
heutige Militz nach und nach vollkommener, und ihr Gewehr<lb/>
auf den Hu&#x0364;tten gemacht wurde. Die alte Verfa&#x017F;&#x017F;ung, da der<lb/>
Bu&#x0364;rger noch zu Walle zog, und keine &#x017F;ammetne Ho&#x017F;en trug,<lb/>
erna&#x0364;hrte weit mehr Weißgerber als die neuere, worinn der<lb/>
goldene Degen an einem &#x017F;eidenen Bande ha&#x0364;ngt, und der Sol-<lb/>
dat von au&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;orgt wird. Eine Mode von Federmuffen<lb/>
kann ein Pelzeramt &#x017F;ehr herunter bringen; der Ge&#x017F;chmack an<lb/>
Rohr&#x017F;tu&#x0364;hlen alle Stu&#x0364;hlmacher vertreiben; die Begierde al-<lb/>
les von Mahagony-Holz zu haben, die Ti&#x017F;chler zu Grunde<lb/>
richten; die Einfuhr der Ei&#x017F;enwaare von den Ei&#x017F;enhu&#x0364;tten,<lb/>
wo alles durch Mu&#x0364;hlen in großen gearbeitet wird, die Zahl<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0080] Von dem Nutzen einer Geſchichte alte Wege zum Erwerb wieder eroͤfnen, oder die Moͤglichkeit neuer zeigen. Wir wuͤrden aus derſelben die Abnahme ver- ſchiedener Staaten deutlicher entdecken; die Einfluͤſſe aus- waͤrtiger Veraͤnderungen gleichſam auf der That ertappen; die Klugheit mancher Nation in ihren Friedenſchluͤſſen deut- licher bemerken; die großen Einſichten des handelnden Ge- nies mit dankbarer Hochachtung erkennen, und unſre Be- wunderung nicht blos dem Helden, ſondern auch dem großem privat Manne bezeugen koͤnnen. Und wie mancher Kauf- mann oder Kuͤnſtler wuͤrde nicht um Gewinnſt ſondern fuͤr ſeinen Ruhm arbeiten, wenn ihm dergleichen Jahrbuͤcher die Unſterblichkeit verſicherten? Staaten und Handwerks-Gilden haben ihre ungleichen Perioden. Manche ſterben ganz aus, oder fallen doch durch die Zeitumſtaͤnde ſo ſehr herunter, daß man auf andre Wen- dungen denken muß; welches die Geſchichte am beſten zeigen kann. Die Urſachen, warum einige Handwerker dem Staat abſterben, ſind klar. Die Gilde der Panzerfeger mußte mit dem Panzer fallen. Die Schwerdfeger nahmen ab, wie die heutige Militz nach und nach vollkommener, und ihr Gewehr auf den Huͤtten gemacht wurde. Die alte Verfaſſung, da der Buͤrger noch zu Walle zog, und keine ſammetne Hoſen trug, ernaͤhrte weit mehr Weißgerber als die neuere, worinn der goldene Degen an einem ſeidenen Bande haͤngt, und der Sol- dat von auſſen verſorgt wird. Eine Mode von Federmuffen kann ein Pelzeramt ſehr herunter bringen; der Geſchmack an Rohrſtuͤhlen alle Stuͤhlmacher vertreiben; die Begierde al- les von Mahagony-Holz zu haben, die Tiſchler zu Grunde richten; die Einfuhr der Eiſenwaare von den Eiſenhuͤtten, wo alles durch Muͤhlen in großen gearbeitet wird, die Zahl der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/80
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/80>, abgerufen am 26.12.2024.