Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn der Linnenhandel sich bessern soll.
der Ostsee eingekaufet, nachher aber gar kein Schiff mit Lein-
saat in einen deutschen Hafen weiter mehr zugelassen, indem
dadurch die Verkäufer in der Ostsee von weitern Speculiren
zurückgebracht werden würden. Allein andrer Schwierigkeiten,
welche jeder Kornhändler einsehen kann, nicht zu gedenken;
so können die ersten Frühjahrsfahrer vor den 6 May nicht
zurück seyn, und folglich sehr viele Gegenden, wo früh gesäet
wird, zu keinem Saamen gelangen. Der Unterschied in der
Saatzeit, und der öftere Mangel des Saamens in der Ostsee
im Herbste, machen also zwey Farthen nothwendig, und daher
entsteht es, daß diejenigen, so hier im Stifte den 22. 23 und
24 May säen, ihren Saamen oftmals für 6 und 7 Thaler
in Bremen kaufen, wann die hiesigen Landkrämer, welche
ihren Vorrath gegen den April für die Frühsaat gemacht, und
also von der Herbstfahrt gekaufet haben, 13 bis 16 Thaler
nehmen müssen. Oder aber der Preiß des im Herbst einge-
holten Saamens läuft bereits in Bremen nach dem Verhält-
nisse herunter, als die Nachrichten aus der Ostsee melden,
daß die Frühjahrsfahrer einen wohlfeilen Markt finden werden.
Im vorigen Monat fiel daher jede Tonne schon um 18 Mgr.

Dies sind die Folgen der Unsicherheit im großen Han-
del mit Leinsaat! und der kleine hat wiederum seine Tücke,
wenn der Krämer den Saamen a) ein Jahr borgt, b) vor
Mißwachs einsteht, und c) dasjenige, was ihm liegen bleibt,
zu seinem Schaden behalten muß. Diese drey Gefahren ver-
wirren manchen Krämer, besonders wenn er erst ein Unglück
erlebt hat, den Kopf, und er nimmt um sicher zu gehen den
größten Vortheil.

Es hält schwer den Folgen dieser ganz natürlich wirken-
den Ursachen in den hiesigen Landen vorzubauen; und be-
sonders die Versuchung zu schwächen, worinn sich der große
Kaufmann befindet, nicht den besten und theuersten Saamen

ein-
D 5

wenn der Linnenhandel ſich beſſern ſoll.
der Oſtſee eingekaufet, nachher aber gar kein Schiff mit Lein-
ſaat in einen deutſchen Hafen weiter mehr zugelaſſen, indem
dadurch die Verkaͤufer in der Oſtſee von weitern Speculiren
zuruͤckgebracht werden wuͤrden. Allein andrer Schwierigkeiten,
welche jeder Kornhaͤndler einſehen kann, nicht zu gedenken;
ſo koͤnnen die erſten Fruͤhjahrsfahrer vor den 6 May nicht
zuruͤck ſeyn, und folglich ſehr viele Gegenden, wo fruͤh geſaͤet
wird, zu keinem Saamen gelangen. Der Unterſchied in der
Saatzeit, und der oͤftere Mangel des Saamens in der Oſtſee
im Herbſte, machen alſo zwey Farthen nothwendig, und daher
entſteht es, daß diejenigen, ſo hier im Stifte den 22. 23 und
24 May ſaͤen, ihren Saamen oftmals fuͤr 6 und 7 Thaler
in Bremen kaufen, wann die hieſigen Landkraͤmer, welche
ihren Vorrath gegen den April fuͤr die Fruͤhſaat gemacht, und
alſo von der Herbſtfahrt gekaufet haben, 13 bis 16 Thaler
nehmen muͤſſen. Oder aber der Preiß des im Herbſt einge-
holten Saamens laͤuft bereits in Bremen nach dem Verhaͤlt-
niſſe herunter, als die Nachrichten aus der Oſtſee melden,
daß die Fruͤhjahrsfahrer einen wohlfeilen Markt finden werden.
Im vorigen Monat fiel daher jede Tonne ſchon um 18 Mgr.

Dies ſind die Folgen der Unſicherheit im großen Han-
del mit Leinſaat! und der kleine hat wiederum ſeine Tuͤcke,
wenn der Kraͤmer den Saamen a) ein Jahr borgt, b) vor
Mißwachs einſteht, und c) dasjenige, was ihm liegen bleibt,
zu ſeinem Schaden behalten muß. Dieſe drey Gefahren ver-
wirren manchen Kraͤmer, beſonders wenn er erſt ein Ungluͤck
erlebt hat, den Kopf, und er nimmt um ſicher zu gehen den
groͤßten Vortheil.

Es haͤlt ſchwer den Folgen dieſer ganz natuͤrlich wirken-
den Urſachen in den hieſigen Landen vorzubauen; und be-
ſonders die Verſuchung zu ſchwaͤchen, worinn ſich der große
Kaufmann befindet, nicht den beſten und theuerſten Saamen

ein-
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="57"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">wenn der Linnenhandel &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;oll.</hi></fw><lb/>
der O&#x017F;t&#x017F;ee eingekaufet, nachher aber gar kein Schiff mit Lein-<lb/>
&#x017F;aat in einen deut&#x017F;chen Hafen weiter mehr zugela&#x017F;&#x017F;en, indem<lb/>
dadurch die Verka&#x0364;ufer in der O&#x017F;t&#x017F;ee von weitern Speculiren<lb/>
zuru&#x0364;ckgebracht werden wu&#x0364;rden. Allein andrer Schwierigkeiten,<lb/>
welche jeder Kornha&#x0364;ndler ein&#x017F;ehen kann, nicht zu gedenken;<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen die er&#x017F;ten Fru&#x0364;hjahrsfahrer vor den 6 May nicht<lb/>
zuru&#x0364;ck &#x017F;eyn, und folglich &#x017F;ehr viele Gegenden, wo fru&#x0364;h ge&#x017F;a&#x0364;et<lb/>
wird, zu keinem Saamen gelangen. Der Unter&#x017F;chied in der<lb/>
Saatzeit, und der o&#x0364;ftere Mangel des Saamens in der O&#x017F;t&#x017F;ee<lb/>
im Herb&#x017F;te, machen al&#x017F;o zwey Farthen nothwendig, und daher<lb/>
ent&#x017F;teht es, daß diejenigen, &#x017F;o hier im Stifte den 22. 23 und<lb/>
24 May &#x017F;a&#x0364;en, ihren Saamen oftmals fu&#x0364;r 6 und 7 Thaler<lb/>
in Bremen kaufen, wann die hie&#x017F;igen Landkra&#x0364;mer, welche<lb/>
ihren Vorrath gegen den April fu&#x0364;r die Fru&#x0364;h&#x017F;aat gemacht, und<lb/>
al&#x017F;o von der Herb&#x017F;tfahrt gekaufet haben, 13 bis 16 Thaler<lb/>
nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Oder aber der Preiß des im Herb&#x017F;t einge-<lb/>
holten Saamens la&#x0364;uft bereits in Bremen nach dem Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e herunter, als die Nachrichten aus der O&#x017F;t&#x017F;ee melden,<lb/>
daß die Fru&#x0364;hjahrsfahrer einen wohlfeilen Markt finden werden.<lb/>
Im vorigen Monat fiel daher jede Tonne &#x017F;chon um 18 Mgr.</p><lb/>
        <p>Dies &#x017F;ind die Folgen der Un&#x017F;icherheit im großen Han-<lb/>
del mit Lein&#x017F;aat! und der kleine hat wiederum &#x017F;eine Tu&#x0364;cke,<lb/>
wenn der Kra&#x0364;mer den Saamen a) ein Jahr borgt, b) vor<lb/>
Mißwachs ein&#x017F;teht, und c) dasjenige, was ihm liegen bleibt,<lb/>
zu &#x017F;einem Schaden behalten muß. Die&#x017F;e drey Gefahren ver-<lb/>
wirren manchen Kra&#x0364;mer, be&#x017F;onders wenn er er&#x017F;t ein Unglu&#x0364;ck<lb/>
erlebt hat, den Kopf, und er nimmt um &#x017F;icher zu gehen den<lb/>
gro&#x0364;ßten Vortheil.</p><lb/>
        <p>Es ha&#x0364;lt &#x017F;chwer den Folgen die&#x017F;er ganz natu&#x0364;rlich wirken-<lb/>
den Ur&#x017F;achen in den hie&#x017F;igen Landen vorzubauen; und be-<lb/>
&#x017F;onders die Ver&#x017F;uchung zu &#x017F;chwa&#x0364;chen, worinn &#x017F;ich der große<lb/>
Kaufmann befindet, nicht den be&#x017F;ten und theuer&#x017F;ten Saamen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0075] wenn der Linnenhandel ſich beſſern ſoll. der Oſtſee eingekaufet, nachher aber gar kein Schiff mit Lein- ſaat in einen deutſchen Hafen weiter mehr zugelaſſen, indem dadurch die Verkaͤufer in der Oſtſee von weitern Speculiren zuruͤckgebracht werden wuͤrden. Allein andrer Schwierigkeiten, welche jeder Kornhaͤndler einſehen kann, nicht zu gedenken; ſo koͤnnen die erſten Fruͤhjahrsfahrer vor den 6 May nicht zuruͤck ſeyn, und folglich ſehr viele Gegenden, wo fruͤh geſaͤet wird, zu keinem Saamen gelangen. Der Unterſchied in der Saatzeit, und der oͤftere Mangel des Saamens in der Oſtſee im Herbſte, machen alſo zwey Farthen nothwendig, und daher entſteht es, daß diejenigen, ſo hier im Stifte den 22. 23 und 24 May ſaͤen, ihren Saamen oftmals fuͤr 6 und 7 Thaler in Bremen kaufen, wann die hieſigen Landkraͤmer, welche ihren Vorrath gegen den April fuͤr die Fruͤhſaat gemacht, und alſo von der Herbſtfahrt gekaufet haben, 13 bis 16 Thaler nehmen muͤſſen. Oder aber der Preiß des im Herbſt einge- holten Saamens laͤuft bereits in Bremen nach dem Verhaͤlt- niſſe herunter, als die Nachrichten aus der Oſtſee melden, daß die Fruͤhjahrsfahrer einen wohlfeilen Markt finden werden. Im vorigen Monat fiel daher jede Tonne ſchon um 18 Mgr. Dies ſind die Folgen der Unſicherheit im großen Han- del mit Leinſaat! und der kleine hat wiederum ſeine Tuͤcke, wenn der Kraͤmer den Saamen a) ein Jahr borgt, b) vor Mißwachs einſteht, und c) dasjenige, was ihm liegen bleibt, zu ſeinem Schaden behalten muß. Dieſe drey Gefahren ver- wirren manchen Kraͤmer, beſonders wenn er erſt ein Ungluͤck erlebt hat, den Kopf, und er nimmt um ſicher zu gehen den groͤßten Vortheil. Es haͤlt ſchwer den Folgen dieſer ganz natuͤrlich wirken- den Urſachen in den hieſigen Landen vorzubauen; und be- ſonders die Verſuchung zu ſchwaͤchen, worinn ſich der große Kaufmann befindet, nicht den beſten und theuerſten Saamen ein- D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/75
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/75>, abgerufen am 22.11.2024.