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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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eine Osnabrückische Geschichte.
linde ein Jahr nach ihres Mannes Phantasie leben, und als-
dann dasjenige geschehen sollte, was sie Beyderseits wünschen
würden. Jeder Theil hofte in dieser Zeit den andern auf
seine Seite zu ziehen.

Der Hochzeitstag gieng frölich vorüber, und wann
gleich Arist sich an demselben in seiner schönsten Größe zeigte,
so bemerkte man doch auf der andern Seite nichts was man
Ueberfluß nennen konnte. Selindens Vater kleidete alle Arme
im Dorfe neu; nur sich selbst nicht, weil sein Rock noch völ-
lig gut war. Er gab nicht mehr als drey Speisen und ein
gutes Bier, welches im Hause gemacht war. Denn der
Wein war damals noch keine allgemeine Mode, und es hatte
sich kein Leibarzt beyfallen lassen, der Braunahrung zum Nach-
theil das Wasser gesunder zu finden. Die Braut trug ihr
Heideblümgen, und die liebenswürdige Sittsamkeit war das
durchscheinende Gewand vieler edlen und mächtigen Reitzun-
gen. Sie war weis und nett ohne Pracht. Des andern
Morgens aber erschien sie nach der Abrede in unaussprechli-
chen Kleidungen. Denn die Zeit hat die Modenamen aller
Kopfzeuge, Hüllen und Phantasien, welche zu der Zeit zum
Putz eines Frauenzimmers gehörten, längst in Vergessenheit
kommen lassen. Und wenn sie solche auch erhalten hätte: so
würde man sie doch eben so wenig verstehen, als dasjenige,
was man in der Limburger Chronick*) von gemützerten, ge-

flützer-
*) Die Worte davon lauten in fastis Limburg. S. 18. also:
Die Kleidung von den Leuten in deutschen Landen
war also gethan. Die alte Leute mit Namen, tru-
gen lange und weite Kleider, und hatten nicht Knauff,
sondern an den Armen hatten sie vier oder fünf
Knäuff. Die Ermel waren bescheidentlich weit. Die-
selben Röcke waren um die Brust oben gemützert und
geflützert, und waren vornen aufgeschlitzt bis an den
Gürtel. Die junge Männer trugen kurze Kleider,

die
D 2

eine Oſnabruͤckiſche Geſchichte.
linde ein Jahr nach ihres Mannes Phantaſie leben, und als-
dann dasjenige geſchehen ſollte, was ſie Beyderſeits wuͤnſchen
wuͤrden. Jeder Theil hofte in dieſer Zeit den andern auf
ſeine Seite zu ziehen.

Der Hochzeitstag gieng froͤlich voruͤber, und wann
gleich Ariſt ſich an demſelben in ſeiner ſchoͤnſten Groͤße zeigte,
ſo bemerkte man doch auf der andern Seite nichts was man
Ueberfluß nennen konnte. Selindens Vater kleidete alle Arme
im Dorfe neu; nur ſich ſelbſt nicht, weil ſein Rock noch voͤl-
lig gut war. Er gab nicht mehr als drey Speiſen und ein
gutes Bier, welches im Hauſe gemacht war. Denn der
Wein war damals noch keine allgemeine Mode, und es hatte
ſich kein Leibarzt beyfallen laſſen, der Braunahrung zum Nach-
theil das Waſſer geſunder zu finden. Die Braut trug ihr
Heidebluͤmgen, und die liebenswuͤrdige Sittſamkeit war das
durchſcheinende Gewand vieler edlen und maͤchtigen Reitzun-
gen. Sie war weis und nett ohne Pracht. Des andern
Morgens aber erſchien ſie nach der Abrede in unausſprechli-
chen Kleidungen. Denn die Zeit hat die Modenamen aller
Kopfzeuge, Huͤllen und Phantaſien, welche zu der Zeit zum
Putz eines Frauenzimmers gehoͤrten, laͤngſt in Vergeſſenheit
kommen laſſen. Und wenn ſie ſolche auch erhalten haͤtte: ſo
wuͤrde man ſie doch eben ſo wenig verſtehen, als dasjenige,
was man in der Limburger Chronick*) von gemuͤtzerten, ge-

fluͤtzer-
*) Die Worte davon lauten in faſtis Limburg. S. 18. alſo:
Die Kleidung von den Leuten in deutſchen Landen
war alſo gethan. Die alte Leute mit Namen, tru-
gen lange und weite Kleider, und hatten nicht Knauff,
ſondern an den Armen hatten ſie vier oder fünf
Knäuff. Die Ermel waren beſcheidentlich weit. Die-
ſelben Röcke waren um die Bruſt oben gemützert und
geflützert, und waren vornen aufgeſchlitzt bis an den
Gürtel. Die junge Männer trugen kurze Kleider,

die
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[51/0069] eine Oſnabruͤckiſche Geſchichte. linde ein Jahr nach ihres Mannes Phantaſie leben, und als- dann dasjenige geſchehen ſollte, was ſie Beyderſeits wuͤnſchen wuͤrden. Jeder Theil hofte in dieſer Zeit den andern auf ſeine Seite zu ziehen. Der Hochzeitstag gieng froͤlich voruͤber, und wann gleich Ariſt ſich an demſelben in ſeiner ſchoͤnſten Groͤße zeigte, ſo bemerkte man doch auf der andern Seite nichts was man Ueberfluß nennen konnte. Selindens Vater kleidete alle Arme im Dorfe neu; nur ſich ſelbſt nicht, weil ſein Rock noch voͤl- lig gut war. Er gab nicht mehr als drey Speiſen und ein gutes Bier, welches im Hauſe gemacht war. Denn der Wein war damals noch keine allgemeine Mode, und es hatte ſich kein Leibarzt beyfallen laſſen, der Braunahrung zum Nach- theil das Waſſer geſunder zu finden. Die Braut trug ihr Heidebluͤmgen, und die liebenswuͤrdige Sittſamkeit war das durchſcheinende Gewand vieler edlen und maͤchtigen Reitzun- gen. Sie war weis und nett ohne Pracht. Des andern Morgens aber erſchien ſie nach der Abrede in unausſprechli- chen Kleidungen. Denn die Zeit hat die Modenamen aller Kopfzeuge, Huͤllen und Phantaſien, welche zu der Zeit zum Putz eines Frauenzimmers gehoͤrten, laͤngſt in Vergeſſenheit kommen laſſen. Und wenn ſie ſolche auch erhalten haͤtte: ſo wuͤrde man ſie doch eben ſo wenig verſtehen, als dasjenige, was man in der Limburger Chronick *) von gemuͤtzerten, ge- fluͤtzer- *) Die Worte davon lauten in faſtis Limburg. S. 18. alſo: Die Kleidung von den Leuten in deutſchen Landen war alſo gethan. Die alte Leute mit Namen, tru- gen lange und weite Kleider, und hatten nicht Knauff, ſondern an den Armen hatten ſie vier oder fünf Knäuff. Die Ermel waren beſcheidentlich weit. Die- ſelben Röcke waren um die Bruſt oben gemützert und geflützert, und waren vornen aufgeſchlitzt bis an den Gürtel. Die junge Männer trugen kurze Kleider, die D 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/69>, abgerufen am 22.11.2024.