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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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solten ein Handwerk lernen.

Die Alten hatten zwey Wege dem Eigensinn und der
Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieses war ein
jährlicher freyer Markt und die Freymeisterey. Das Große,
das überlegte, das feine und das nützliche, was in diesem ihren
Plan steckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und
beschämt alle Wendungen der Neuern. Durch tausend Frey-
meister, welche in Hamburg auf einer ihnen angewiesenen
Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und
zunftmäßige Handwerker werden durch sie in der Billigkeit
erhalten. Allein hundert Krämer, welche mit Ehren und
Vorzügen dafür belohnet werden, daß sie fremde Fabriken
zum Schaden der einheimischen Handwerker empor bringen,
alles Geld aus dem Lande schicken, und Kinder und Thoren
täglich in neue Versuchungen führen, hätten unsre Vorfah-
ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt dünkte ihnen genug zu seyn
den Fremden auch etwas zuzuwenden, und sowol die zünftige
als freye Meisterschaft in Schranken zu halten.

Und was soll man von der geringen Art Krämer sagen?
Sollte es wohl der Mühe werth seyn ihnen Zunftrecht zu
vergönnen? Sie müssen, sagen sie, sechs Jahre diese Hand-
lung mühsam lernen, und sich lange quälen, ehe sie zu der
nöthigen Wissenschaft gelangen. Allein diese Lehrjahre sind
eigentlich bey der Kaufmannschaft und nicht bey der Kräme-
rey ursprünglich hergebracht. Und was ist es nöthig dem
jungen Burschen dasjenige mühsam lernen zu lassen, was jede
Krämerin, wenn sie einen Monat in der Buden gewesen, ins-
gemein besser als der ausgelernte Eheherr weis? Ich sage
wohlbedächtlich insgemein, denn es giebt auch große Krämer,
welche eben so viel Einsicht, Erfahrung und Handlungswis-
senschaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen
privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem
großen Haufen spreche. Von jenem sage ich nur, daß er die

öffent-
Mösers patr. Phantas. I. Th. C
ſolten ein Handwerk lernen.

Die Alten hatten zwey Wege dem Eigenſinn und der
Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieſes war ein
jaͤhrlicher freyer Markt und die Freymeiſterey. Das Große,
das uͤberlegte, das feine und das nuͤtzliche, was in dieſem ihren
Plan ſteckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und
beſchaͤmt alle Wendungen der Neuern. Durch tauſend Frey-
meiſter, welche in Hamburg auf einer ihnen angewieſenen
Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und
zunftmaͤßige Handwerker werden durch ſie in der Billigkeit
erhalten. Allein hundert Kraͤmer, welche mit Ehren und
Vorzuͤgen dafuͤr belohnet werden, daß ſie fremde Fabriken
zum Schaden der einheimiſchen Handwerker empor bringen,
alles Geld aus dem Lande ſchicken, und Kinder und Thoren
taͤglich in neue Verſuchungen fuͤhren, haͤtten unſre Vorfah-
ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt duͤnkte ihnen genug zu ſeyn
den Fremden auch etwas zuzuwenden, und ſowol die zuͤnftige
als freye Meiſterſchaft in Schranken zu halten.

Und was ſoll man von der geringen Art Kraͤmer ſagen?
Sollte es wohl der Muͤhe werth ſeyn ihnen Zunftrecht zu
vergoͤnnen? Sie muͤſſen, ſagen ſie, ſechs Jahre dieſe Hand-
lung muͤhſam lernen, und ſich lange quaͤlen, ehe ſie zu der
noͤthigen Wiſſenſchaft gelangen. Allein dieſe Lehrjahre ſind
eigentlich bey der Kaufmannſchaft und nicht bey der Kraͤme-
rey urſpruͤnglich hergebracht. Und was iſt es noͤthig dem
jungen Burſchen dasjenige muͤhſam lernen zu laſſen, was jede
Kraͤmerin, wenn ſie einen Monat in der Buden geweſen, ins-
gemein beſſer als der ausgelernte Eheherr weis? Ich ſage
wohlbedaͤchtlich insgemein, denn es giebt auch große Kraͤmer,
welche eben ſo viel Einſicht, Erfahrung und Handlungswiſ-
ſenſchaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen
privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem
großen Haufen ſpreche. Von jenem ſage ich nur, daß er die

oͤffent-
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. C
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[33/0051] ſolten ein Handwerk lernen. Die Alten hatten zwey Wege dem Eigenſinn und der Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieſes war ein jaͤhrlicher freyer Markt und die Freymeiſterey. Das Große, das uͤberlegte, das feine und das nuͤtzliche, was in dieſem ihren Plan ſteckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und beſchaͤmt alle Wendungen der Neuern. Durch tauſend Frey- meiſter, welche in Hamburg auf einer ihnen angewieſenen Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und zunftmaͤßige Handwerker werden durch ſie in der Billigkeit erhalten. Allein hundert Kraͤmer, welche mit Ehren und Vorzuͤgen dafuͤr belohnet werden, daß ſie fremde Fabriken zum Schaden der einheimiſchen Handwerker empor bringen, alles Geld aus dem Lande ſchicken, und Kinder und Thoren taͤglich in neue Verſuchungen fuͤhren, haͤtten unſre Vorfah- ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt duͤnkte ihnen genug zu ſeyn den Fremden auch etwas zuzuwenden, und ſowol die zuͤnftige als freye Meiſterſchaft in Schranken zu halten. Und was ſoll man von der geringen Art Kraͤmer ſagen? Sollte es wohl der Muͤhe werth ſeyn ihnen Zunftrecht zu vergoͤnnen? Sie muͤſſen, ſagen ſie, ſechs Jahre dieſe Hand- lung muͤhſam lernen, und ſich lange quaͤlen, ehe ſie zu der noͤthigen Wiſſenſchaft gelangen. Allein dieſe Lehrjahre ſind eigentlich bey der Kaufmannſchaft und nicht bey der Kraͤme- rey urſpruͤnglich hergebracht. Und was iſt es noͤthig dem jungen Burſchen dasjenige muͤhſam lernen zu laſſen, was jede Kraͤmerin, wenn ſie einen Monat in der Buden geweſen, ins- gemein beſſer als der ausgelernte Eheherr weis? Ich ſage wohlbedaͤchtlich insgemein, denn es giebt auch große Kraͤmer, welche eben ſo viel Einſicht, Erfahrung und Handlungswiſ- ſenſchaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem großen Haufen ſpreche. Von jenem ſage ich nur, daß er die oͤffent- Möſers patr. Phantaſ. I. Th. C

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/51>, abgerufen am 22.11.2024.