Puder von St. Malo. Das Mädgen schimpfte auf die Na- deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung war in Aufruhr, und meine arme Tasche war dergestalt a la grecque frisirt, daß wir die ganze Woche Wassersuppen essen mußten.
Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch nichts in Vergleichung derjenigen, welche ich auf ihr besetztes Kleid, auf eine neue berlinische Schnürbrust, auf eine petite Saloppe und andre wesentliche Kleidungsstücke hatte wenden müssen.
Ach! währender Zeit mir eine ungesehene Thräne entwischte, hatte das Mädgen die unschuldige Leichtfertigkeit, mir zu sagen: sie müßte nun auch bald eine goldene Uhr ha- ben, weil ihre Gespielinnen bereits dergleichen hätten.
O! dachte ich in meinem Sinn, möchte doch ein Lan- desgesetz vorhanden seyn, wodurch es allen Eltern verboten würde, ihren Töchtern vor dem funfzehnten Jahre Silber oder Gold, Spitzen oder Blonden, Seiden oder Agremens zu geben! oder möchten sich patriotische Eltern zu einem so heil- samen Vorsatze freywillig vereinigen! Mit welchem Vergnü- gen würde so denn manche bekümmerte Mutter auf ihre zahl- reichen Töchter herabschauen! die Ungleichheit der Stände dürfte hier den Gesetzgeber nicht aufhalten. Kinder sind noch alle gleich, und wann die Eltern mit einer solchen Ein- schränkung zufrieden wären: so würde ihre kleine Empfind- lichkeit nicht in Betrachtung kommen. Wie groß würde die Freude der Mädgen seyn, wenn sie sich nun in ihrem funf- zehnten Jahre zum erstenmal der aufmerksamen Neugierde in einem seidnen Kleide zeigen dürften! Und würde nicht diese Oekonomie mit ihrem Vergnügen, ihnen bey ihrem Eintritt
in
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uͤber den Putz der Kinder.
Puder von St. Malo. Das Maͤdgen ſchimpfte auf die Na- deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung war in Aufruhr, und meine arme Taſche war dergeſtalt a la grecque friſirt, daß wir die ganze Woche Waſſerſuppen eſſen mußten.
Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch nichts in Vergleichung derjenigen, welche ich auf ihr beſetztes Kleid, auf eine neue berliniſche Schnuͤrbruſt, auf eine petite Saloppe und andre weſentliche Kleidungsſtuͤcke hatte wenden muͤſſen.
Ach! waͤhrender Zeit mir eine ungeſehene Thraͤne entwiſchte, hatte das Maͤdgen die unſchuldige Leichtfertigkeit, mir zu ſagen: ſie muͤßte nun auch bald eine goldene Uhr ha- ben, weil ihre Geſpielinnen bereits dergleichen haͤtten.
O! dachte ich in meinem Sinn, moͤchte doch ein Lan- desgeſetz vorhanden ſeyn, wodurch es allen Eltern verboten wuͤrde, ihren Toͤchtern vor dem funfzehnten Jahre Silber oder Gold, Spitzen oder Blonden, Seiden oder Agremens zu geben! oder moͤchten ſich patriotiſche Eltern zu einem ſo heil- ſamen Vorſatze freywillig vereinigen! Mit welchem Vergnuͤ- gen wuͤrde ſo denn manche bekuͤmmerte Mutter auf ihre zahl- reichen Toͤchter herabſchauen! die Ungleichheit der Staͤnde duͤrfte hier den Geſetzgeber nicht aufhalten. Kinder ſind noch alle gleich, und wann die Eltern mit einer ſolchen Ein- ſchraͤnkung zufrieden waͤren: ſo wuͤrde ihre kleine Empfind- lichkeit nicht in Betrachtung kommen. Wie groß wuͤrde die Freude der Maͤdgen ſeyn, wenn ſie ſich nun in ihrem funf- zehnten Jahre zum erſtenmal der aufmerkſamen Neugierde in einem ſeidnen Kleide zeigen duͤrften! Und wuͤrde nicht dieſe Oekonomie mit ihrem Vergnuͤgen, ihnen bey ihrem Eintritt
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uͤber den Putz der Kinder.
Puder von St. Malo. Das Maͤdgen ſchimpfte auf die Na-
deln; die Porteurs auf das lange Zaudern, und der Laquais
auf das unendliche Laufen. Kurz, die ganze Haushaltung
war in Aufruhr, und meine arme Taſche war dergeſtalt a la
grecque friſirt, daß wir die ganze Woche Waſſerſuppen eſſen
mußten.
Und gleichwohl waren die damaligen Ausgaben noch
nichts in Vergleichung derjenigen, welche ich auf ihr beſetztes
Kleid, auf eine neue berliniſche Schnuͤrbruſt, auf eine petite
Saloppe und andre weſentliche Kleidungsſtuͤcke hatte wenden
muͤſſen.
Ach! waͤhrender Zeit mir eine ungeſehene Thraͤne
entwiſchte, hatte das Maͤdgen die unſchuldige Leichtfertigkeit,
mir zu ſagen: ſie muͤßte nun auch bald eine goldene Uhr ha-
ben, weil ihre Geſpielinnen bereits dergleichen haͤtten.
O! dachte ich in meinem Sinn, moͤchte doch ein Lan-
desgeſetz vorhanden ſeyn, wodurch es allen Eltern verboten
wuͤrde, ihren Toͤchtern vor dem funfzehnten Jahre Silber oder
Gold, Spitzen oder Blonden, Seiden oder Agremens zu
geben! oder moͤchten ſich patriotiſche Eltern zu einem ſo heil-
ſamen Vorſatze freywillig vereinigen! Mit welchem Vergnuͤ-
gen wuͤrde ſo denn manche bekuͤmmerte Mutter auf ihre zahl-
reichen Toͤchter herabſchauen! die Ungleichheit der Staͤnde
duͤrfte hier den Geſetzgeber nicht aufhalten. Kinder ſind
noch alle gleich, und wann die Eltern mit einer ſolchen Ein-
ſchraͤnkung zufrieden waͤren: ſo wuͤrde ihre kleine Empfind-
lichkeit nicht in Betrachtung kommen. Wie groß wuͤrde die
Freude der Maͤdgen ſeyn, wenn ſie ſich nun in ihrem funf-
zehnten Jahre zum erſtenmal der aufmerkſamen Neugierde
in einem ſeidnen Kleide zeigen duͤrften! Und wuͤrde nicht dieſe
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/43>, abgerufen am 27.07.2024.
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