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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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zu einer westphälischen Biographie.
blos verdienten Männern ex decreto reipublicae dergleichen
Ehre wiederfahren solte. Doch dies im Vorübergehen.

Deutschland macht kein recht vereinigtes Ganze aus,
wie andre Reiche. Es hat keine Hauptstadt wie Frankreich
und England, und folglich stehen diejenigen Personen, welche
dem Staate und gemeinen Wesen dienen, oder auch sonst in
stiller Größe leben, nicht auf der Höhe und in dem Lichte,
worinn sie sich in jenen Reichen befinden. Wir können uns
also nie schmeicheln, solche Biographen zu erhalten, wie unsre
Nachbaren haben. Wir können höchstens Helden und Ge-
lehrte (und dergleichen Muster brauchen wir so gar viel nicht)
aber nie den Mann, der dem Staate im Cabinet und auf
dem Rathhause dienet, zu einem Terray c) oder Beckford
machen. Der Minister eines Bischofen oder Reichsgrafen
mag seinem kleinen Staate noch so große Dienste leisten und
zehntausend Unterthanen glücklich machen; sein Ruhm wird
mit ihm bald in die Grube sinken, wenn er auf einen solchen
Biographen warten soll, wie die Engländer und Franzosen
haben. Daher ist es nöthig auf eine einheimische Anstalt zu
denken, wofern wir nicht den Nutzen, welchen die Ehre
nach dem Tode,
dieser große obgleich unerklärliche Bewegungs-
grund, dem gemeinen Wesen ohne viele Kosten verschafft, ganz
verlieren wollen.

Unser Stift ist zu klein, um allein etwas zu unterneh-
men. Allein Westphalen ist groß genug, und das Leben eines
Westphälingers kann wenigstens alle seine Landesleute interes-

siren;
c) Was muß man sich für eine Idee von einem Manne machen,
der sich mit dem Hasse eines Reichs beladen läßt, und allen
Spöttereyen aussetzt, um einen völlig verdorbenen Staat
wieder herzustellen? Desgleichen giebt es alle hundert
Jahre nur einen.
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zu einer weſtphaͤliſchen Biographie.
blos verdienten Maͤnnern ex decreto reipublicæ dergleichen
Ehre wiederfahren ſolte. Doch dies im Voruͤbergehen.

Deutſchland macht kein recht vereinigtes Ganze aus,
wie andre Reiche. Es hat keine Hauptſtadt wie Frankreich
und England, und folglich ſtehen diejenigen Perſonen, welche
dem Staate und gemeinen Weſen dienen, oder auch ſonſt in
ſtiller Groͤße leben, nicht auf der Hoͤhe und in dem Lichte,
worinn ſie ſich in jenen Reichen befinden. Wir koͤnnen uns
alſo nie ſchmeicheln, ſolche Biographen zu erhalten, wie unſre
Nachbaren haben. Wir koͤnnen hoͤchſtens Helden und Ge-
lehrte (und dergleichen Muſter brauchen wir ſo gar viel nicht)
aber nie den Mann, der dem Staate im Cabinet und auf
dem Rathhauſe dienet, zu einem Terray c) oder Beckford
machen. Der Miniſter eines Biſchofen oder Reichsgrafen
mag ſeinem kleinen Staate noch ſo große Dienſte leiſten und
zehntauſend Unterthanen gluͤcklich machen; ſein Ruhm wird
mit ihm bald in die Grube ſinken, wenn er auf einen ſolchen
Biographen warten ſoll, wie die Englaͤnder und Franzoſen
haben. Daher iſt es noͤthig auf eine einheimiſche Anſtalt zu
denken, wofern wir nicht den Nutzen, welchen die Ehre
nach dem Tode,
dieſer große obgleich unerklaͤrliche Bewegungs-
grund, dem gemeinen Weſen ohne viele Koſten verſchafft, ganz
verlieren wollen.

Unſer Stift iſt zu klein, um allein etwas zu unterneh-
men. Allein Weſtphalen iſt groß genug, und das Leben eines
Weſtphaͤlingers kann wenigſtens alle ſeine Landesleute intereſ-

ſiren;
c) Was muß man ſich fuͤr eine Idee von einem Manne machen,
der ſich mit dem Haſſe eines Reichs beladen laͤßt, und allen
Spoͤttereyen ausſetzt, um einen voͤllig verdorbenen Staat
wieder herzuſtellen? Desgleichen giebt es alle hundert
Jahre nur einen.
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[361/0379] zu einer weſtphaͤliſchen Biographie. blos verdienten Maͤnnern ex decreto reipublicæ dergleichen Ehre wiederfahren ſolte. Doch dies im Voruͤbergehen. Deutſchland macht kein recht vereinigtes Ganze aus, wie andre Reiche. Es hat keine Hauptſtadt wie Frankreich und England, und folglich ſtehen diejenigen Perſonen, welche dem Staate und gemeinen Weſen dienen, oder auch ſonſt in ſtiller Groͤße leben, nicht auf der Hoͤhe und in dem Lichte, worinn ſie ſich in jenen Reichen befinden. Wir koͤnnen uns alſo nie ſchmeicheln, ſolche Biographen zu erhalten, wie unſre Nachbaren haben. Wir koͤnnen hoͤchſtens Helden und Ge- lehrte (und dergleichen Muſter brauchen wir ſo gar viel nicht) aber nie den Mann, der dem Staate im Cabinet und auf dem Rathhauſe dienet, zu einem Terray c) oder Beckford machen. Der Miniſter eines Biſchofen oder Reichsgrafen mag ſeinem kleinen Staate noch ſo große Dienſte leiſten und zehntauſend Unterthanen gluͤcklich machen; ſein Ruhm wird mit ihm bald in die Grube ſinken, wenn er auf einen ſolchen Biographen warten ſoll, wie die Englaͤnder und Franzoſen haben. Daher iſt es noͤthig auf eine einheimiſche Anſtalt zu denken, wofern wir nicht den Nutzen, welchen die Ehre nach dem Tode, dieſer große obgleich unerklaͤrliche Bewegungs- grund, dem gemeinen Weſen ohne viele Koſten verſchafft, ganz verlieren wollen. Unſer Stift iſt zu klein, um allein etwas zu unterneh- men. Allein Weſtphalen iſt groß genug, und das Leben eines Weſtphaͤlingers kann wenigſtens alle ſeine Landesleute intereſ- ſiren; c) Was muß man ſich fuͤr eine Idee von einem Manne machen, der ſich mit dem Haſſe eines Reichs beladen laͤßt, und allen Spoͤttereyen ausſetzt, um einen voͤllig verdorbenen Staat wieder herzuſtellen? Desgleichen giebt es alle hundert Jahre nur einen. Z 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/379>, abgerufen am 25.11.2024.