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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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An meinen Freund zu Osnabrück,

Unser Vaterland aber, liebster Freund, ist nicht so unfrucht-
bar als Sie es beschreiben. Unsre Heiden sind durchgängig
mit grünen Angern durchwachsen, und sie sind nirgends so
schlecht, daß sie nicht Holz tragen könnten. Die Verschieden-
heit des Erdreichs, welche sich fast allenthalben findet, giebt
der Kunst Mittel durch vielerley Vermischungen ein neues zu
schaffen, und aus mehreren unfruchtbaren ein fruchtbares zu
machen. Wir sind hier der ungezweifelten Meinung, daß
Westphalen um ein unendliches besser seyn würde, wenn alles
mit Korn und Gras und Holz angebauet wäre, und daß sol-
ches in unserm Jahrhundert noch geschehen könne. So viel
hat uns der Fleiß und die Erfahrung vor ihnen bereits voraus
gegeben, daß wir von einer Sache Ueberzeugung haben, die
ihnen noch lange Zeit zweifelhaft seyn wird, denn wir wissen
wohl, daß sie noch lange für das Plaggenmatt ihres Vater-
landes patriotisch streiten werden.

Es ist keinesweges unmöglich einen Rheinländer, oder
einen andern Fremden, in unsern Gegenden zurechte zu helfen;
Es ist hier aber nicht Raum genug und nicht die Gelegenheit
Ihnen alle Mittel dazu zu zeigen. Sie wissen, daß unsere
Kameralisten einen Vorzug vor vielen haben, und daß sie die
Hindernisse, welche anderen unübersteiglich scheinen, leicht
überwinden. Sie werden das Mittel leicht finden, die alten
Einwohner mit den Ankömmlingen zu vereinigen; Und als-
denn sind alle Schwierigkeiten schon gehoben. Haben so viele
Eingebohrne und benachbarte Fremde bey uns gebauet, die
nicht die gegenwärtige Vortheile genossen haben und dennoch
gut bestehen, warum sollen jene nicht fortkommen? Sie ar-
gumentiren aber überhaupt zu viel, denn es kommt hier nicht
allein darauf an, Meyereyen anzulegen: Wir nehmen Hand-
werker und Profeßionisten auf, und wer nicht bauen will,

der
An meinen Freund zu Oſnabruͤck,

Unſer Vaterland aber, liebſter Freund, iſt nicht ſo unfrucht-
bar als Sie es beſchreiben. Unſre Heiden ſind durchgaͤngig
mit gruͤnen Angern durchwachſen, und ſie ſind nirgends ſo
ſchlecht, daß ſie nicht Holz tragen koͤnnten. Die Verſchieden-
heit des Erdreichs, welche ſich faſt allenthalben findet, giebt
der Kunſt Mittel durch vielerley Vermiſchungen ein neues zu
ſchaffen, und aus mehreren unfruchtbaren ein fruchtbares zu
machen. Wir ſind hier der ungezweifelten Meinung, daß
Weſtphalen um ein unendliches beſſer ſeyn wuͤrde, wenn alles
mit Korn und Gras und Holz angebauet waͤre, und daß ſol-
ches in unſerm Jahrhundert noch geſchehen koͤnne. So viel
hat uns der Fleiß und die Erfahrung vor ihnen bereits voraus
gegeben, daß wir von einer Sache Ueberzeugung haben, die
ihnen noch lange Zeit zweifelhaft ſeyn wird, denn wir wiſſen
wohl, daß ſie noch lange fuͤr das Plaggenmatt ihres Vater-
landes patriotiſch ſtreiten werden.

Es iſt keinesweges unmoͤglich einen Rheinlaͤnder, oder
einen andern Fremden, in unſern Gegenden zurechte zu helfen;
Es iſt hier aber nicht Raum genug und nicht die Gelegenheit
Ihnen alle Mittel dazu zu zeigen. Sie wiſſen, daß unſere
Kameraliſten einen Vorzug vor vielen haben, und daß ſie die
Hinderniſſe, welche anderen unuͤberſteiglich ſcheinen, leicht
uͤberwinden. Sie werden das Mittel leicht finden, die alten
Einwohner mit den Ankoͤmmlingen zu vereinigen; Und als-
denn ſind alle Schwierigkeiten ſchon gehoben. Haben ſo viele
Eingebohrne und benachbarte Fremde bey uns gebauet, die
nicht die gegenwaͤrtige Vortheile genoſſen haben und dennoch
gut beſtehen, warum ſollen jene nicht fortkommen? Sie ar-
gumentiren aber uͤberhaupt zu viel, denn es kommt hier nicht
allein darauf an, Meyereyen anzulegen: Wir nehmen Hand-
werker und Profeßioniſten auf, und wer nicht bauen will,

der
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[354/0372] An meinen Freund zu Oſnabruͤck, Unſer Vaterland aber, liebſter Freund, iſt nicht ſo unfrucht- bar als Sie es beſchreiben. Unſre Heiden ſind durchgaͤngig mit gruͤnen Angern durchwachſen, und ſie ſind nirgends ſo ſchlecht, daß ſie nicht Holz tragen koͤnnten. Die Verſchieden- heit des Erdreichs, welche ſich faſt allenthalben findet, giebt der Kunſt Mittel durch vielerley Vermiſchungen ein neues zu ſchaffen, und aus mehreren unfruchtbaren ein fruchtbares zu machen. Wir ſind hier der ungezweifelten Meinung, daß Weſtphalen um ein unendliches beſſer ſeyn wuͤrde, wenn alles mit Korn und Gras und Holz angebauet waͤre, und daß ſol- ches in unſerm Jahrhundert noch geſchehen koͤnne. So viel hat uns der Fleiß und die Erfahrung vor ihnen bereits voraus gegeben, daß wir von einer Sache Ueberzeugung haben, die ihnen noch lange Zeit zweifelhaft ſeyn wird, denn wir wiſſen wohl, daß ſie noch lange fuͤr das Plaggenmatt ihres Vater- landes patriotiſch ſtreiten werden. Es iſt keinesweges unmoͤglich einen Rheinlaͤnder, oder einen andern Fremden, in unſern Gegenden zurechte zu helfen; Es iſt hier aber nicht Raum genug und nicht die Gelegenheit Ihnen alle Mittel dazu zu zeigen. Sie wiſſen, daß unſere Kameraliſten einen Vorzug vor vielen haben, und daß ſie die Hinderniſſe, welche anderen unuͤberſteiglich ſcheinen, leicht uͤberwinden. Sie werden das Mittel leicht finden, die alten Einwohner mit den Ankoͤmmlingen zu vereinigen; Und als- denn ſind alle Schwierigkeiten ſchon gehoben. Haben ſo viele Eingebohrne und benachbarte Fremde bey uns gebauet, die nicht die gegenwaͤrtige Vortheile genoſſen haben und dennoch gut beſtehen, warum ſollen jene nicht fortkommen? Sie ar- gumentiren aber uͤberhaupt zu viel, denn es kommt hier nicht allein darauf an, Meyereyen anzulegen: Wir nehmen Hand- werker und Profeßioniſten auf, und wer nicht bauen will, der

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/372>, abgerufen am 24.11.2024.