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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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daß Gelehrte die Criminalurtheile sprechen?
sein Urtheil haben, daß er schwerlich unpartheyisch seyn kann.
Es ist

Drittens gewiß, daß die Urtheilsfinder, wenn sie aus
der Gegend oder dem Kirchspiele zu Hause sind, worinn der
Verbrecher gewohnt hat, dessen vorigen Lebenswandel und
mögliche Besserung weit sicherer und besser kennen; und nach
dieser ihrer auf eigne Erfahrung gegründeten Erkenntniß weit
besser urtheilen, als ein Gelehrter, der ein kaltsinniges Zeug-
niß vor sich hat. Wer einen Menschen recht kennet, fühlet
allemal dessen üble oder gute Gemüthsart besser, als er sol-
ches ausdrücken kann. Er wird sich nur unvollkommen in
der Beschreibung ausdrücken, aber richtig nach seiner Ein-
pfindung urtheilen, wenn er den Ausspruch thun soll. Nichts
ist aber billiger und vernünftiger, als daß bey Verurtheilung
eines Verbrechers dessen Gemüths- und Lebensart mit in Be-
tracht gezogen werde. Es leidet

Viertens der Militairstand kein fremdes und gelehrtes
Urtheil. Der Gelehrte oder der Auditeur hat den Vortrag;
allein das Urtheil selbst wird von denen, so dem Kriegsrecht
beywohnen, und die Lebens- und Gemüthsart des Verbrechers
kennen, nach ungespitzten Begriffen gefället; Eben so hält es

Fünftens der Bürger in den Städten, der sich von
keinem andern verurtheilen läßt, als die er selbst dazu aus
seinen Mitteln und aus den ungelehrten erwählet hat, ob er
gleich auch die von ihm erwählten Gelehrten, nachdem sie in
Gefolge der peinlichen Hals-Gerichtsordnung auf den Noth-
fall zugelassen werden, nicht ausschließt; und schwerlich wür-
de sich

Sechstens ein Edelmann in seinem Lande, oder in einem
andern, wohin er auf Geleit gekommen, verurtheilen lassen,
ohne Urtheilsweiser von seinem Stande zu fordern. Dies

kann
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daß Gelehrte die Criminalurtheile ſprechen?
ſein Urtheil haben, daß er ſchwerlich unpartheyiſch ſeyn kann.
Es iſt

Drittens gewiß, daß die Urtheilsfinder, wenn ſie aus
der Gegend oder dem Kirchſpiele zu Hauſe ſind, worinn der
Verbrecher gewohnt hat, deſſen vorigen Lebenswandel und
moͤgliche Beſſerung weit ſicherer und beſſer kennen; und nach
dieſer ihrer auf eigne Erfahrung gegruͤndeten Erkenntniß weit
beſſer urtheilen, als ein Gelehrter, der ein kaltſinniges Zeug-
niß vor ſich hat. Wer einen Menſchen recht kennet, fuͤhlet
allemal deſſen uͤble oder gute Gemuͤthsart beſſer, als er ſol-
ches ausdruͤcken kann. Er wird ſich nur unvollkommen in
der Beſchreibung ausdruͤcken, aber richtig nach ſeiner Ein-
pfindung urtheilen, wenn er den Ausſpruch thun ſoll. Nichts
iſt aber billiger und vernuͤnftiger, als daß bey Verurtheilung
eines Verbrechers deſſen Gemuͤths- und Lebensart mit in Be-
tracht gezogen werde. Es leidet

Viertens der Militairſtand kein fremdes und gelehrtes
Urtheil. Der Gelehrte oder der Auditeur hat den Vortrag;
allein das Urtheil ſelbſt wird von denen, ſo dem Kriegsrecht
beywohnen, und die Lebens- und Gemuͤthsart des Verbrechers
kennen, nach ungeſpitzten Begriffen gefaͤllet; Eben ſo haͤlt es

Fünftens der Buͤrger in den Staͤdten, der ſich von
keinem andern verurtheilen laͤßt, als die er ſelbſt dazu aus
ſeinen Mitteln und aus den ungelehrten erwaͤhlet hat, ob er
gleich auch die von ihm erwaͤhlten Gelehrten, nachdem ſie in
Gefolge der peinlichen Hals-Gerichtsordnung auf den Noth-
fall zugelaſſen werden, nicht ausſchließt; und ſchwerlich wuͤr-
de ſich

Sechſtens ein Edelmann in ſeinem Lande, oder in einem
andern, wohin er auf Geleit gekommen, verurtheilen laſſen,
ohne Urtheilsweiſer von ſeinem Stande zu fordern. Dies

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[341/0359] daß Gelehrte die Criminalurtheile ſprechen? ſein Urtheil haben, daß er ſchwerlich unpartheyiſch ſeyn kann. Es iſt Drittens gewiß, daß die Urtheilsfinder, wenn ſie aus der Gegend oder dem Kirchſpiele zu Hauſe ſind, worinn der Verbrecher gewohnt hat, deſſen vorigen Lebenswandel und moͤgliche Beſſerung weit ſicherer und beſſer kennen; und nach dieſer ihrer auf eigne Erfahrung gegruͤndeten Erkenntniß weit beſſer urtheilen, als ein Gelehrter, der ein kaltſinniges Zeug- niß vor ſich hat. Wer einen Menſchen recht kennet, fuͤhlet allemal deſſen uͤble oder gute Gemuͤthsart beſſer, als er ſol- ches ausdruͤcken kann. Er wird ſich nur unvollkommen in der Beſchreibung ausdruͤcken, aber richtig nach ſeiner Ein- pfindung urtheilen, wenn er den Ausſpruch thun ſoll. Nichts iſt aber billiger und vernuͤnftiger, als daß bey Verurtheilung eines Verbrechers deſſen Gemuͤths- und Lebensart mit in Be- tracht gezogen werde. Es leidet Viertens der Militairſtand kein fremdes und gelehrtes Urtheil. Der Gelehrte oder der Auditeur hat den Vortrag; allein das Urtheil ſelbſt wird von denen, ſo dem Kriegsrecht beywohnen, und die Lebens- und Gemuͤthsart des Verbrechers kennen, nach ungeſpitzten Begriffen gefaͤllet; Eben ſo haͤlt es Fünftens der Buͤrger in den Staͤdten, der ſich von keinem andern verurtheilen laͤßt, als die er ſelbſt dazu aus ſeinen Mitteln und aus den ungelehrten erwaͤhlet hat, ob er gleich auch die von ihm erwaͤhlten Gelehrten, nachdem ſie in Gefolge der peinlichen Hals-Gerichtsordnung auf den Noth- fall zugelaſſen werden, nicht ausſchließt; und ſchwerlich wuͤr- de ſich Sechſtens ein Edelmann in ſeinem Lande, oder in einem andern, wohin er auf Geleit gekommen, verurtheilen laſſen, ohne Urtheilsweiſer von ſeinem Stande zu fordern. Dies kann Y 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/359>, abgerufen am 22.11.2024.