Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurze Geschichte der Bauerhöfe.
Amte nehme b) und nur derjenige ein wahrer Eigenthümer
sey, der ein exemtes oder adeliches Gut besitzet. Es ist auch
ganz natürlich, daß so bald ein Gut nicht zur Besserung des
Deiches kömmt, keinen Spaden schickt und keine Pfäle liefert,
dessen Verwüstung, Versplitterung und Beschwerung zu einer
für den Staat ganz gleichgültigen Sache werde, folglich auch
dessen Besitzer von seinen ursprünglichen Eigenthum nichts
aufgeopfert habe.

Noch mehr; die Anstalten, welche ein Edelmann zur
Erhaltung seiner Güter und Familie trift, beweisen jene
Wahrheit; nemlich den nothwendigen Verlust des Eigenthums
unter jeder Amtsverfassung. Um seinen Stamm und seine
Güter zu erhalten, um ihre Verwüstung, Versplitterung und
Beschwerung zu verhindern, hat er zuerst angefangen Testa-
mente zu machen, deren diejenigen, wofür das Amt sorgte,
gar nicht nöthig hatten. Er hat Stammgüter erfunden; Fi-
deicommisse, Majorate oder Minorate verordnet, die Braut-
schätze seiner Töchter bestimmt, Vormünder angesetzt -- --
und solchergestalt seinen Nachkommen das Eigenthum und die
Freyheit entzogen, welche das Amt seinen Untersassen entzogen
hat. Der Unterschied zwischen beyden ist, daß dieses durch
ein allgemeines, jenes durch ein besonders Familiengesetz ge-
schiehet; daß dieses von den versammleten Eigenthümern auf
ewig bewilliget, jenes von einem einzelnen Mann für seine
Nachkommen am Gute gesetzet wurde; daß der Staat dieses
nothwendig erfordert, jenes aber der freyen Willkühr des
Stifters überläßt. Die aus beyden Anstalten fliessende Wahr-
heit ist aber diese, daß der Mann, der durch ein öffentliches
Gesetz das Recht verlohren hat, sein Gut zu versplittern, zu

ver-
b) Die Römer erforderten nicht umsonst zu dem wahren
dominio, daß der Eigenthümer civis Romanus seyn
müsse.

Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe.
Amte nehme b) und nur derjenige ein wahrer Eigenthuͤmer
ſey, der ein exemtes oder adeliches Gut beſitzet. Es iſt auch
ganz natuͤrlich, daß ſo bald ein Gut nicht zur Beſſerung des
Deiches koͤmmt, keinen Spaden ſchickt und keine Pfaͤle liefert,
deſſen Verwuͤſtung, Verſplitterung und Beſchwerung zu einer
fuͤr den Staat ganz gleichguͤltigen Sache werde, folglich auch
deſſen Beſitzer von ſeinen urſpruͤnglichen Eigenthum nichts
aufgeopfert habe.

Noch mehr; die Anſtalten, welche ein Edelmann zur
Erhaltung ſeiner Guͤter und Familie trift, beweiſen jene
Wahrheit; nemlich den nothwendigen Verluſt des Eigenthums
unter jeder Amtsverfaſſung. Um ſeinen Stamm und ſeine
Guͤter zu erhalten, um ihre Verwuͤſtung, Verſplitterung und
Beſchwerung zu verhindern, hat er zuerſt angefangen Teſta-
mente zu machen, deren diejenigen, wofuͤr das Amt ſorgte,
gar nicht noͤthig hatten. Er hat Stammguͤter erfunden; Fi-
deicommiſſe, Majorate oder Minorate verordnet, die Braut-
ſchaͤtze ſeiner Toͤchter beſtimmt, Vormuͤnder angeſetzt — —
und ſolchergeſtalt ſeinen Nachkommen das Eigenthum und die
Freyheit entzogen, welche das Amt ſeinen Unterſaſſen entzogen
hat. Der Unterſchied zwiſchen beyden iſt, daß dieſes durch
ein allgemeines, jenes durch ein beſonders Familiengeſetz ge-
ſchiehet; daß dieſes von den verſammleten Eigenthuͤmern auf
ewig bewilliget, jenes von einem einzelnen Mann fuͤr ſeine
Nachkommen am Gute geſetzet wurde; daß der Staat dieſes
nothwendig erfordert, jenes aber der freyen Willkuͤhr des
Stifters uͤberlaͤßt. Die aus beyden Anſtalten flieſſende Wahr-
heit iſt aber dieſe, daß der Mann, der durch ein oͤffentliches
Geſetz das Recht verlohren hat, ſein Gut zu verſplittern, zu

ver-
b) Die Roͤmer erforderten nicht umſonſt zu dem wahren
dominio, daß der Eigenthuͤmer civis Romanus ſeyn
muͤſſe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0349" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kurze Ge&#x017F;chichte der Bauerho&#x0364;fe.</hi></fw><lb/>
Amte nehme <note place="foot" n="b)">Die Ro&#x0364;mer erforderten nicht um&#x017F;on&#x017F;t zu dem wahren<lb/><hi rendition="#aq">dominio,</hi> daß der Eigenthu&#x0364;mer <hi rendition="#aq">civis Romanus</hi> &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</note> und nur derjenige ein wahrer Eigenthu&#x0364;mer<lb/>
&#x017F;ey, der ein exemtes oder adeliches Gut be&#x017F;itzet. Es i&#x017F;t auch<lb/>
ganz natu&#x0364;rlich, daß &#x017F;o bald ein Gut nicht zur Be&#x017F;&#x017F;erung des<lb/>
Deiches ko&#x0364;mmt, keinen Spaden &#x017F;chickt und keine Pfa&#x0364;le liefert,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Verwu&#x0364;&#x017F;tung, Ver&#x017F;plitterung und Be&#x017F;chwerung zu einer<lb/>
fu&#x0364;r den Staat ganz gleichgu&#x0364;ltigen Sache werde, folglich auch<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;itzer von &#x017F;einen ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Eigenthum nichts<lb/>
aufgeopfert habe.</p><lb/>
        <p>Noch mehr; die An&#x017F;talten, welche ein Edelmann zur<lb/>
Erhaltung &#x017F;einer Gu&#x0364;ter und Familie trift, bewei&#x017F;en jene<lb/>
Wahrheit; nemlich den nothwendigen Verlu&#x017F;t des Eigenthums<lb/>
unter jeder Amtsverfa&#x017F;&#x017F;ung. Um &#x017F;einen Stamm und &#x017F;eine<lb/>
Gu&#x0364;ter zu erhalten, um ihre Verwu&#x0364;&#x017F;tung, Ver&#x017F;plitterung und<lb/>
Be&#x017F;chwerung zu verhindern, hat er zuer&#x017F;t angefangen Te&#x017F;ta-<lb/>
mente zu machen, deren diejenigen, wofu&#x0364;r das Amt &#x017F;orgte,<lb/>
gar nicht no&#x0364;thig hatten. Er hat Stammgu&#x0364;ter erfunden; Fi-<lb/>
deicommi&#x017F;&#x017F;e, Majorate oder Minorate verordnet, die Braut-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tze &#x017F;einer To&#x0364;chter be&#x017F;timmt, Vormu&#x0364;nder ange&#x017F;etzt &#x2014; &#x2014;<lb/>
und &#x017F;olcherge&#x017F;talt &#x017F;einen Nachkommen das Eigenthum und die<lb/>
Freyheit entzogen, welche das Amt &#x017F;einen Unter&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en entzogen<lb/>
hat. Der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen beyden i&#x017F;t, daß die&#x017F;es durch<lb/>
ein allgemeines, jenes durch ein be&#x017F;onders Familienge&#x017F;etz ge-<lb/>
&#x017F;chiehet; daß die&#x017F;es von den ver&#x017F;ammleten Eigenthu&#x0364;mern auf<lb/>
ewig bewilliget, jenes von einem einzelnen Mann fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Nachkommen am Gute ge&#x017F;etzet wurde; daß der Staat die&#x017F;es<lb/>
nothwendig erfordert, jenes aber der freyen Willku&#x0364;hr des<lb/>
Stifters u&#x0364;berla&#x0364;ßt. Die aus beyden An&#x017F;talten flie&#x017F;&#x017F;ende Wahr-<lb/>
heit i&#x017F;t aber die&#x017F;e, daß der Mann, der durch ein o&#x0364;ffentliches<lb/>
Ge&#x017F;etz das Recht verlohren hat, &#x017F;ein Gut zu ver&#x017F;plittern, zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0349] Kurze Geſchichte der Bauerhoͤfe. Amte nehme b) und nur derjenige ein wahrer Eigenthuͤmer ſey, der ein exemtes oder adeliches Gut beſitzet. Es iſt auch ganz natuͤrlich, daß ſo bald ein Gut nicht zur Beſſerung des Deiches koͤmmt, keinen Spaden ſchickt und keine Pfaͤle liefert, deſſen Verwuͤſtung, Verſplitterung und Beſchwerung zu einer fuͤr den Staat ganz gleichguͤltigen Sache werde, folglich auch deſſen Beſitzer von ſeinen urſpruͤnglichen Eigenthum nichts aufgeopfert habe. Noch mehr; die Anſtalten, welche ein Edelmann zur Erhaltung ſeiner Guͤter und Familie trift, beweiſen jene Wahrheit; nemlich den nothwendigen Verluſt des Eigenthums unter jeder Amtsverfaſſung. Um ſeinen Stamm und ſeine Guͤter zu erhalten, um ihre Verwuͤſtung, Verſplitterung und Beſchwerung zu verhindern, hat er zuerſt angefangen Teſta- mente zu machen, deren diejenigen, wofuͤr das Amt ſorgte, gar nicht noͤthig hatten. Er hat Stammguͤter erfunden; Fi- deicommiſſe, Majorate oder Minorate verordnet, die Braut- ſchaͤtze ſeiner Toͤchter beſtimmt, Vormuͤnder angeſetzt — — und ſolchergeſtalt ſeinen Nachkommen das Eigenthum und die Freyheit entzogen, welche das Amt ſeinen Unterſaſſen entzogen hat. Der Unterſchied zwiſchen beyden iſt, daß dieſes durch ein allgemeines, jenes durch ein beſonders Familiengeſetz ge- ſchiehet; daß dieſes von den verſammleten Eigenthuͤmern auf ewig bewilliget, jenes von einem einzelnen Mann fuͤr ſeine Nachkommen am Gute geſetzet wurde; daß der Staat dieſes nothwendig erfordert, jenes aber der freyen Willkuͤhr des Stifters uͤberlaͤßt. Die aus beyden Anſtalten flieſſende Wahr- heit iſt aber dieſe, daß der Mann, der durch ein oͤffentliches Geſetz das Recht verlohren hat, ſein Gut zu verſplittern, zu ver- b) Die Roͤmer erforderten nicht umſonſt zu dem wahren dominio, daß der Eigenthuͤmer civis Romanus ſeyn muͤſſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/349
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/349>, abgerufen am 22.11.2024.