Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Ueber die Art und Weise ihren Gutdünken zu endigen; ausser dem Falle, wo der Edel-mann, der Bürger oder der Landmann sich dergleichen Richter von freyen Stücken gewählt und sein Vertrauen darauf ge- setzt hatte. Eine solche Vollmacht, wie unsre Vorfahren dem Richter oder vielmehr den Schöpfen gaben, konnte keinen andern als ebenbürtigen und gerichtsgenossen Personen er- theilet werden, die auf den Fall, daß sie in gleiche Streitig- keiten verwickelt wurden, dasjenige wider sich gelten lassen mußten, was sie als Urtheilsweiser über andre ihres Mittels gut fanden. Ueberhaupt aber kommen wir hier auf die beyden Haupt- daß ein ebenbürtiger und genosser Mann nach seinem Die andre, daß ein Gelehrter, der den Partheyen so wenig eben- Die erste war die Art unser Vorfahren: die letztere ist die Es ist der menschlichen Freyheit unendlich viel daran ge- "Der Richter müsse auf das wahre, das gute, das heyl- Allein
Ueber die Art und Weiſe ihren Gutduͤnken zu endigen; auſſer dem Falle, wo der Edel-mann, der Buͤrger oder der Landmann ſich dergleichen Richter von freyen Stuͤcken gewaͤhlt und ſein Vertrauen darauf ge- ſetzt hatte. Eine ſolche Vollmacht, wie unſre Vorfahren dem Richter oder vielmehr den Schoͤpfen gaben, konnte keinen andern als ebenbuͤrtigen und gerichtsgenoſſen Perſonen er- theilet werden, die auf den Fall, daß ſie in gleiche Streitig- keiten verwickelt wurden, dasjenige wider ſich gelten laſſen mußten, was ſie als Urtheilsweiſer uͤber andre ihres Mittels gut fanden. Ueberhaupt aber kommen wir hier auf die beyden Haupt- daß ein ebenbuͤrtiger und genoſſer Mann nach ſeinem Die andre, daß ein Gelehrter, der den Partheyen ſo wenig eben- Die erſte war die Art unſer Vorfahren: die letztere iſt die Es iſt der menſchlichen Freyheit unendlich viel daran ge- 〟Der Richter muͤſſe auf das wahre, das gute, das heyl- Allein
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Ueber die Art und Weiſe
ihren Gutduͤnken zu endigen; auſſer dem Falle, wo der Edel-
mann, der Buͤrger oder der Landmann ſich dergleichen Richter
von freyen Stuͤcken gewaͤhlt und ſein Vertrauen darauf ge-
ſetzt hatte. Eine ſolche Vollmacht, wie unſre Vorfahren dem
Richter oder vielmehr den Schoͤpfen gaben, konnte keinen
andern als ebenbuͤrtigen und gerichtsgenoſſen Perſonen er-
theilet werden, die auf den Fall, daß ſie in gleiche Streitig-
keiten verwickelt wurden, dasjenige wider ſich gelten laſſen
mußten, was ſie als Urtheilsweiſer uͤber andre ihres Mittels
gut fanden.
Ueberhaupt aber kommen wir hier auf die beyden Haupt-
arten Streitigkeiten zu endigen. Die erſte iſt,
daß ein ebenbuͤrtiger und genoſſer Mann nach ſeinem
Gutduͤnken ſage, wie es ſeyn ſolle.
Die andre,
daß ein Gelehrter, der den Partheyen ſo wenig eben-
buͤrtig als Genoß iſt, ſage, was die Geſetze auf den ſtrei-
tigen Fall verordnet haben.
Die erſte war die Art unſer Vorfahren: die letztere iſt die
unſrige, nach welcher ein Doctor am Cammergericht dem groͤßten
Reichsfuͤrſten Recht ſprechen kann.
Es iſt der menſchlichen Freyheit unendlich viel daran ge-
legen, daß beyde Arten nicht vermiſchet werden. Unſre
heutigen Philoſophen und philoſophiſchen Rechtsgelehrten,
ja ſelbſt Cabinetsminiſter und Juſtitzreformatoren, tragen
kein Bedenken zu ſagen:
〟Der Richter muͤſſe auf das wahre, das gute, das heyl-
〟ſame und das billige ſehen, ſeine geſunde Vernunft
〟brauchen und darnach ſprechen, ohne ſich um alle roͤ-
〟miſchen Geſetze und die Gloſſatoren zu bekuͤmmern.
〟So haͤtten es unſre Vorfahren gemacht.
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