"solten, und wenn sie damit binnen 14 Tagen nicht fertig "würden, solten sich diese acht Schiedsleute nach Biele- "feld, und wenn sie dort auch binnen 14 Tagen noch "nicht übereinkämen, nach Herford begeben, und so "lange von 14 Tagen zu 14 Tagen aus einer Stadt in "die andre gehn, bis sie sich eines Spruchs verglichen "hätten.
Diese Art, die Streitigkeiten zu entscheiden, war damals nichts ungewöhnliches. Indessen verdient die Denkungsart, wor- auf sich ein solcher Plan der Entscheidung gründete, noch immer eine genauere Betrachtung, besonders da derselbe das Geheimniß zu enthalten scheint, wodurch unsere Vorfahren die Weitläuftigkeit der Processe zu verhindern gewußt haben.
Das Merkwürdige in diesem Plan ist nicht die Wahl einiger Schiedsrichter; diese werden auch jezt noch wohl er- wählet; es beruhet auch darauf nicht, daß jeder Theil gleiche Stimmen schicken, und keiner vor dem andern wie auch kein Dritter dabey den Ausschlag zu geben haben solte; denn auch dieses ist nur eine gemeine Erfindung. Das Große, was in der Sache steckt, ist dieses, daß den erwählten Schiedsleuten die Macht gegeben wurde einen Vergleich von Amtswegen zu treffen.
Ich weis nicht, ob ich mich deutlich ausdrücke. Wenn unsre heutigen Richter die Partheyen zur Pflegung der Güte vorladen, und ihnen die beste Vorschläge thun, diese aber solche nicht annehmen wollen: so haben sie, einige geringe Sachen ausgenommen, nicht die Macht zu sagen: ihr solt sie annehmen; auch unsre heutigen Schiedsrichter haben eigent- licht diese Macht nicht; sondern beyde sprechen ein Urtheil, und setzen dabey: von Rechtswegen.
Diese Art der Entscheidung kannten unsre Vorfahren gar nicht; sondern diejenigen, welche eine Sache zu entscheiden
hat-
Ueber die Art und Weiſe
〟ſolten, und wenn ſie damit binnen 14 Tagen nicht fertig 〟wuͤrden, ſolten ſich dieſe acht Schiedsleute nach Biele- 〟feld, und wenn ſie dort auch binnen 14 Tagen noch 〟nicht uͤbereinkaͤmen, nach Herford begeben, und ſo 〟lange von 14 Tagen zu 14 Tagen aus einer Stadt in 〟die andre gehn, bis ſie ſich eines Spruchs verglichen 〟haͤtten.
Dieſe Art, die Streitigkeiten zu entſcheiden, war damals nichts ungewoͤhnliches. Indeſſen verdient die Denkungsart, wor- auf ſich ein ſolcher Plan der Entſcheidung gruͤndete, noch immer eine genauere Betrachtung, beſonders da derſelbe das Geheimniß zu enthalten ſcheint, wodurch unſere Vorfahren die Weitlaͤuftigkeit der Proceſſe zu verhindern gewußt haben.
Das Merkwuͤrdige in dieſem Plan iſt nicht die Wahl einiger Schiedsrichter; dieſe werden auch jezt noch wohl er- waͤhlet; es beruhet auch darauf nicht, daß jeder Theil gleiche Stimmen ſchicken, und keiner vor dem andern wie auch kein Dritter dabey den Ausſchlag zu geben haben ſolte; denn auch dieſes iſt nur eine gemeine Erfindung. Das Große, was in der Sache ſteckt, iſt dieſes, daß den erwaͤhlten Schiedsleuten die Macht gegeben wurde einen Vergleich von Amtswegen zu treffen.
Ich weis nicht, ob ich mich deutlich ausdruͤcke. Wenn unſre heutigen Richter die Partheyen zur Pflegung der Guͤte vorladen, und ihnen die beſte Vorſchlaͤge thun, dieſe aber ſolche nicht annehmen wollen: ſo haben ſie, einige geringe Sachen ausgenommen, nicht die Macht zu ſagen: ihr ſolt ſie annehmen; auch unſre heutigen Schiedsrichter haben eigent- licht dieſe Macht nicht; ſondern beyde ſprechen ein Urtheil, und ſetzen dabey: von Rechtswegen.
Dieſe Art der Entſcheidung kannten unſre Vorfahren gar nicht; ſondern diejenigen, welche eine Sache zu entſcheiden
hat-
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〟feld, und wenn ſie dort auch binnen 14 Tagen noch
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〟die andre gehn, bis ſie ſich eines Spruchs verglichen
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Dieſe Art, die Streitigkeiten zu entſcheiden, war damals nichts
ungewoͤhnliches. Indeſſen verdient die Denkungsart, wor-
auf ſich ein ſolcher Plan der Entſcheidung gruͤndete, noch
immer eine genauere Betrachtung, beſonders da derſelbe das
Geheimniß zu enthalten ſcheint, wodurch unſere Vorfahren
die Weitlaͤuftigkeit der Proceſſe zu verhindern gewußt haben.
Das Merkwuͤrdige in dieſem Plan iſt nicht die Wahl
einiger Schiedsrichter; dieſe werden auch jezt noch wohl er-
waͤhlet; es beruhet auch darauf nicht, daß jeder Theil gleiche
Stimmen ſchicken, und keiner vor dem andern wie auch kein
Dritter dabey den Ausſchlag zu geben haben ſolte; denn auch
dieſes iſt nur eine gemeine Erfindung. Das Große, was in
der Sache ſteckt, iſt dieſes, daß den erwaͤhlten Schiedsleuten
die Macht gegeben wurde einen Vergleich von Amtswegen zu
treffen.
Ich weis nicht, ob ich mich deutlich ausdruͤcke. Wenn
unſre heutigen Richter die Partheyen zur Pflegung der Guͤte
vorladen, und ihnen die beſte Vorſchlaͤge thun, dieſe aber
ſolche nicht annehmen wollen: ſo haben ſie, einige geringe
Sachen ausgenommen, nicht die Macht zu ſagen: ihr ſolt ſie
annehmen; auch unſre heutigen Schiedsrichter haben eigent-
licht dieſe Macht nicht; ſondern beyde ſprechen ein Urtheil,
und ſetzen dabey: von Rechtswegen.
Dieſe Art der Entſcheidung kannten unſre Vorfahren
gar nicht; ſondern diejenigen, welche eine Sache zu entſcheiden
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/314>, abgerufen am 25.11.2024.
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