Haben die V. des Reichsabsch. v. 1731. wohl gethan,
Hurkinder und beynahe alle Geschöpfe, die nur zwey Beine und keine Federn haben, als Zunftfähig erkennen müssen. Nach der seit einiger Zeit Mode gewordenen Menschenliebe, und vielleicht auch nach unser Religion, nach welcher Gott keinen Unterscheid macht unter den Menschen, von Mutter- leibe gebohren, mag es mit dieser Verodnung gut genug ge- meint seyn. Allein ein rechtschaffener Policeygrund läßt sich davon nicht angeben; oder man möchte denn an jene Verord- nungen eines sichern Reichsfürsten denken, welche also anfieng:
Wir von Gottes Gnaden etc. fügen hiemit zu wissen, was maßen und nachdem Wir uns mit unser fürstlichen Fa- milie und unsern Räthen, der menschlichen Gesellschaft entzogen haben, diese nur aus lauter Canaille besteht: Als wollen Wir gnädigst, daß alle Hurkinder, denen Wir unter unserm Fürstl. Siegel die Rechte einer echten Geburt ertheilen, darinn bey hundert Goldgulden Strafe aufgenommen werden sollen.
Was kann das unschuldige Kind dafür; und warum soll dieses darunter leiden, daß seine Mutter ein einziges klei- nes Kind gehabt hat; pflegt man zwar insgemein zu sagen. Allein zum Henker mit dem Wechselbalg rief die Aebtißin von........ als man ein fürstliches Hurkind ins frey- adeliche Stift bringen wollte. Man erbot sich zur Kaiserl. Legitimation, und bedaurete hundertmal das arme unschuldige Kind. Allein es half alles nicht; der Wechselbalg mußte fort, weil die Aebrißin keine andere aufnahm, als diejenigen, so aus einem reinem adlichen deutschen Ehebette erzielet waren. Sie handelte recht daran, aber warum ließ man die Gilden nicht bey diesen mit der deutschen Ehre zugleich gebohrnen Grundsätzen? Warum schändete man die gemeine National- ehre mehr als die hohe oder Dienstehre? Warum verdiente der große, der würksame Theil der Nation mindere Achtung
als
Haben die V. des Reichsabſch. v. 1731. wohl gethan,
Hurkinder und beynahe alle Geſchoͤpfe, die nur zwey Beine und keine Federn haben, als Zunftfaͤhig erkennen muͤſſen. Nach der ſeit einiger Zeit Mode gewordenen Menſchenliebe, und vielleicht auch nach unſer Religion, nach welcher Gott keinen Unterſcheid macht unter den Menſchen, von Mutter- leibe gebohren, mag es mit dieſer Verodnung gut genug ge- meint ſeyn. Allein ein rechtſchaffener Policeygrund laͤßt ſich davon nicht angeben; oder man moͤchte denn an jene Verord- nungen eines ſichern Reichsfuͤrſten denken, welche alſo anfieng:
Wir von Gottes Gnaden ꝛc. fuͤgen hiemit zu wiſſen, was maßen und nachdem Wir uns mit unſer fuͤrſtlichen Fa- milie und unſern Raͤthen, der menſchlichen Geſellſchaft entzogen haben, dieſe nur aus lauter Canaille beſteht: Als wollen Wir gnaͤdigſt, daß alle Hurkinder, denen Wir unter unſerm Fuͤrſtl. Siegel die Rechte einer echten Geburt ertheilen, darinn bey hundert Goldgulden Strafe aufgenommen werden ſollen.
Was kann das unſchuldige Kind dafuͤr; und warum ſoll dieſes darunter leiden, daß ſeine Mutter ein einziges klei- nes Kind gehabt hat; pflegt man zwar insgemein zu ſagen. Allein zum Henker mit dem Wechſelbalg rief die Aebtißin von........ als man ein fuͤrſtliches Hurkind ins frey- adeliche Stift bringen wollte. Man erbot ſich zur Kaiſerl. Legitimation, und bedaurete hundertmal das arme unſchuldige Kind. Allein es half alles nicht; der Wechſelbalg mußte fort, weil die Aebrißin keine andere aufnahm, als diejenigen, ſo aus einem reinem adlichen deutſchen Ehebette erzielet waren. Sie handelte recht daran, aber warum ließ man die Gilden nicht bey dieſen mit der deutſchen Ehre zugleich gebohrnen Grundſaͤtzen? Warum ſchaͤndete man die gemeine National- ehre mehr als die hohe oder Dienſtehre? Warum verdiente der große, der wuͤrkſame Theil der Nation mindere Achtung
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Haben die V. des Reichsabſch. v. 1731. wohl gethan,
Hurkinder und beynahe alle Geſchoͤpfe, die nur zwey Beine
und keine Federn haben, als Zunftfaͤhig erkennen muͤſſen.
Nach der ſeit einiger Zeit Mode gewordenen Menſchenliebe,
und vielleicht auch nach unſer Religion, nach welcher Gott
keinen Unterſcheid macht unter den Menſchen, von Mutter-
leibe gebohren, mag es mit dieſer Verodnung gut genug ge-
meint ſeyn. Allein ein rechtſchaffener Policeygrund laͤßt ſich
davon nicht angeben; oder man moͤchte denn an jene Verord-
nungen eines ſichern Reichsfuͤrſten denken, welche alſo anfieng:
Wir von Gottes Gnaden ꝛc. fuͤgen hiemit zu wiſſen, was
maßen und nachdem Wir uns mit unſer fuͤrſtlichen Fa-
milie und unſern Raͤthen, der menſchlichen Geſellſchaft
entzogen haben, dieſe nur aus lauter Canaille beſteht:
Als wollen Wir gnaͤdigſt, daß alle Hurkinder, denen
Wir unter unſerm Fuͤrſtl. Siegel die Rechte einer echten
Geburt ertheilen, darinn bey hundert Goldgulden Strafe
aufgenommen werden ſollen.
Was kann das unſchuldige Kind dafuͤr; und warum
ſoll dieſes darunter leiden, daß ſeine Mutter ein einziges klei-
nes Kind gehabt hat; pflegt man zwar insgemein zu ſagen.
Allein zum Henker mit dem Wechſelbalg rief die Aebtißin
von........ als man ein fuͤrſtliches Hurkind ins frey-
adeliche Stift bringen wollte. Man erbot ſich zur Kaiſerl.
Legitimation, und bedaurete hundertmal das arme unſchuldige
Kind. Allein es half alles nicht; der Wechſelbalg mußte fort,
weil die Aebrißin keine andere aufnahm, als diejenigen, ſo
aus einem reinem adlichen deutſchen Ehebette erzielet waren.
Sie handelte recht daran, aber warum ließ man die Gilden
nicht bey dieſen mit der deutſchen Ehre zugleich gebohrnen
Grundſaͤtzen? Warum ſchaͤndete man die gemeine National-
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der große, der wuͤrkſame Theil der Nation mindere Achtung
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/306>, abgerufen am 23.07.2024.
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